„Kasperskygate“ des BSI: Persönliche Stellungnahme und Richtigstellung falscher Fakten aus dem Netz

von Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, veröffentlicht am 09.08.2022

Nachdem unter anderem die Tagesschau (https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/software-kaspersky-sicherheit-warnungen-101.html) am vergangenen Freitag über die Investigativrecherche von SPIEGEL und Bayerischem Rundfunk über die BSI-Warnung von Kaspersky berichtete und mich im Hinblick auf meine Rechtsauffassung und deren Objektivität in den vergangenen Tagen vielfach Kommentare und Anfragen erreichten, möchte ich hierzu kurz Stellung beziehen:

- Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Handelns des BSI ist nicht der § 1 BSIG der Maßstab, sondern der § 7 BSIG, der die tatbestandlichen Voraussetzungen zu einer allgemeinen Warnung sowie auch zur theoretisch möglichen Warnung vor einem konkreten Unternehmen enthält. Hierzu schrieb ich bei Legal Tribune Online bereits im April unmittelbar nach der Warnung (https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/kaspersky-ovg-nrw-warnung-bsi-gute-chanchen-sicherheitsluecke-bewertung/), dass basierend auf bloßen Vermutungen nicht die gesetzlich geforderten „hinreichenden Anhaltspunkte“ vorliegen. Diese hinreichenden Anhaltspunkte erfordern eine Sachlage, die mit hinreichender Sicherheit zu einer Verletzung der IT-Sicherheit führt, wenn man das objektiv zu erwartende Geschehen einfach ungehindert ablaufen lassen würde. Diese Sachlage habe ich damals nicht vorliegen sehen und sehe sie insbesondere nach den Veröffentlichungen aus der Investigativrecherche immer noch nicht als erfüllt an. Da eine Behörde in ihrem hoheitlichen Verwaltungshandeln in Deutschland an Recht und Gesetz gebunden ist, kann ich auch keine Auffassungen wie „in besonderen Zeiten müssen wir mit besonderen Mitteln handeln“ unterstützen, die als Reaktion mir gegenüber häufig geäußert wurden.

- Die Bezugnahme auf § 1 BSIG bezieht sich vor allem auf die Arbeitsweise des BSI zur Beurteilung des konkreten Falles. Aber auch hier bezog sich meine Kritik nicht allein darauf, sondern vor allem auch auf die Tatsache, dass man offensichtlich grundlegende verwaltungsrechtliche Maßgaben bei Erarbeitung und Veröffentlichung der Warnung missachtet hat.

- Es geht bei meiner Kritik am Vorgehen des BSI weder um eine Unterstützung russischer Politik noch um eine Unterstützung speziell des Unternehmens Kaspersky. Von der Warnung hätte auch jeder beliebige andere Technologiekonzern betroffen sein können und soweit dieselbe Sachlage einer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegen hätte, hätte ich mich genauso entschieden. Überdies habe ich ebenso im April bereits öffentlich festgestellt, dass ich eine allgemeine Warnung vor russischen IT-Unternehmen tatbestandlich auch nach § 7 BSIG für rechtlich vertretbar halte, nicht aber das Herausgreifen einer Einzelfirma, ohne hinreichende Belege dafür liefern zu können.

- Last but not least ein letztes Mal für alle, die mir „gute Kontakte nach Russland“ unterstellen: Zuvorderst sollen die betreffenden Kommentatoren für diese haltlosen Behauptungen im Netz Nachweise liefern, die darüber hinausgehen, dass ich im Jahr 2018 in Russland Student:innen unterrichtet habe. Überdies liegt die private „Riga Graduate School of Law“, an der ich als Gastprofessor tätig bin, in Lettland und nicht wie manch einer behauptet im Staatsgebiet der Russischen Föderation (und nein, sie wird auch nicht durch Eugene Kaspersky finanziert). Lettland ist ein Mitgliedstaat der Europäischen Union.

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5 Kommentare

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Nicht in der Rechtswissenschaft, aber in der Politik und in den Medien, wird gelegentlich vertreten, im Krieg sei Alles erlaubt.

Und zwar nicht nur gegen den Kriegsgegner, sondern auch gegenüber Dritten (einschließlich der eigenen Bürger).

Politische Thesen dürfen in einem Rechtsstaat aber keine Gesetze aushebeln, auch wenn sich manche politisch engagierten Laien dazu vielleicht moralisch berechtigt fühlen.

Außerdem befindet Deutschland sich nicht im Krieg, auch wenn manche Boulervardjournalisten vielleicht den Eindruck zu erwecken suchen.

Zumindest bislang findet der Krieg zwischen der Ukraine und Russland statt, Deutschland ist bisher keine Kriegspartei, und Deutschland hat bisher kein Kriegsrecht ausgerufen (auch wenn manche Politiker oder Journalisten sich das vielleicht wünschen würden).

Es ist bedauerlich, daß es für nicht wenige Zeitgenossen derzeit wohl weniger wichtig zu sein scheint, rechtmäßig und richtig und sachlich zu Handeln, als sich und seine Handlungen dem jeweils aktuell vorherrschenden Zeitgeist anzupassen.

Vermeintlich politisch korrektes Reden und Handeln erscheint manchen Leuten offenbar gegenüber sachlichen reden und rechtmäßigem Handeln vorzugswürdiger.

Hoffentlich sind wir nicht inzwischen schon mehrheitlich auf dem Weg, uns zwecks Gottgefälligkeit bzw. Zeitgeistgefälligleit vom Zeitalter der Wissenschaft und der Aufklärung zu verabschieden, und in von Gefühlen- und Glauben geprägte mittelalterliche Denk- und Handlungsmuster (bei denen dann wohl lediglich die Inhalte ausgetauscht wprden wären) zurückzufallen.

Es wäre unter anderem auch Aufgabe der Kindergärten und Schulen und der öffentlich-rechtlichen Leitmedien solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Leider scheint das heutzutage aber, anders als noch von 1967 bis ungefähr 2002, oft wohl nicht mehr der Fall zu sein.

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Sehr geehrter Herr Kipker,

Ihr Beitrag zeigt, dass nicht alle, die Ihre früheren Ausführungen gelesen haben, daran interessiert sind die Wahrheit zu hören. Oder einen Beitrag, der auf der Suche nach der Wahrheit jedenfalls hilfreich ist. Manch einer will nur seine eigene Meinung bestätigt wissen und sucht, wo das nicht passiert, nach persönlichen schauerliche Gründen, die das erklären. Mittelalter trifft es ganz gut.

Nein, Sie müssen keine Kontakte nach Russland haben, um die Warnung vor Kaspersky zu kritisieren. Und selbst wenn jemand Kontakte hätte - es sind ja nicht alle Russen böse. Eine Kontaktschuld sollte es nicht geben.

In der Sache wäre es vielleicht wirklich besser gewesen, dass BSI hätte vor allen russischen IT-Dienstleistern gewarnt und nicht nur vor Kaspersky. Allerdings ist Kaspersky weit verbreitet und damit wohl ein wichtiger Player als andere. Das könnte mE die Ungleichbehandlung rechtfertigen

Mit freundlichen Grüßen

ein anderer Gast als der eins drüber

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Kaspersky ist kein russsicher IT-Dienstleister, sondern aus der Schweiz.

Jede Software hat Vorteile und Nachteile, auch Sicherheitsvorteile und Sicherheitsnachteile.

Die Sicherheitsnachteile oder Risiken, die Kaspersky hat, haben soweit ersichtlich wohl auch alle anderen vergleichbaren Programme, also auch Programme aus den Nato-Staaten.

Eine Ungleichbehandlung erscheint also wohl nicht sachlich gerechtfertigt.

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Seit 1995 habe ich an meinen Computern viele verschiedene Anti-Viren-Softwares und Sicherheitsoftwares ausprobiert, darunter auch die teilweise aus den USA stammenden Marktführer.

Mit keiner Sicherheitssoftware war ich bisher so zufrieden wie mit der von Kaspersky.

Im Augenblick versuchen die Wortführer der Nato-Staaten wohl nicht nur alles, was russsich ist, sondern auch alles, was russsich klingt (z.B. auch sogenanntes "Eis-russsischer-Art", oder "Eis-Moskauer-Art", oder "Wodka-Gorbatschow"), entweder zu boykottieren und abzuschaffen oder ins Abseits zu drängen oder schlecht zu machen oder als vermeintlich schmutzig oder anrüchig nur nuch mit spitzen Fingern anzufassen.

Es ist offenbar politisch gewollt, das die Bürger bei allem was russsich ist oder auch nur klingt, negative Assoziationen bekommen sollen. Ähnlich verhielt sich früher (1789 bis 1945) die deutsche Politik gegenüber Frankreich und die französsiche Politik gegenüber Deutschland. Man darf also gegenwärtig wohl darauf hoffen, daß solche feindseligen Phasen irgendwann einmal vorübergehen und irgendwann wieder Sachlicheit und Ehrlichkeit und Vernunft und Würde und Respekt und Fairness wieder einkehrt (und hoffentlich ohne einen dritten Weltkrieg).

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Anscheinend wurde ein Link zum zu diesem Thema hier erschienen Blogbeitrag vom 28. April wohl vergessen, daher nun hier:

https://community.beck.de/2022/04/28/bei-virenschutzprogrammen-bestehen-schon-aufgrund-ihrer-funktionsweise-sicherheitsluecken-ovg-nrw-zur-warnung

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