Gefälschten Impfausweis vorlegen - nicht strafbar (?)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 03.11.2021
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Aufsehen erregte kürzlich eine Entscheidung des LG Osnabrück, mit der die Entscheidung des AG bestätigt wurde.

Sachverhalt: Der Angeklagte hatte einen gefälschten Impfausweis bei der Apotheke vorgelegt, um das digitale Impfzertifikat erstellen zu lassen.

Auf den ersten Blick ist damit § 267 StGB (zumindest) in der Variante des Gebrauchens einer unechten Urkunde erfüllt.

Jedoch stellt § 277 StGB eine lex specialis für Gesundheitszeugnisse dar. Bei dem Impfnachweis handelt es sich um ein "Zeugnis über den Gesundheitszustand" i.S. dieses Tatbestands. Da § 277 eine geringere Strafdrohung darstellt, ist es eine Privilegierung, die für Fälschungen von Gesundheitszeugnissen die Anwendung des § 267 StGB sperrt und zwar unabhängig davon, ob es im konkreten Fall zu einer Strafbarkeit kommt.

In zwei wesentlichen Punkten unterscheidet sich § 277 vom Tatbestand des § 267:

1. ("und") - es muss also zur Fälschung zusätzlich das Gebrauchmachen hinzutreten

2. das gefälschte Gesundheitszeugnis  muss einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorgelegt werden.

Da auch die Innentendenz nach § 279 StGB ("um eine  Behörde oder Versicherungsgesellschaft zu täuschen") nicht gegeben war, entfiel die Strafbarkeit. Aus juris zur Entscheidung:

Die 3. große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück bestätigte mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 die Entscheidung des Amtsgerichts Osnabrück. Das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats sei nach der derzeitigen Rechtslage kein strafbares Handeln. Es sei von einer Strafbarkeitslücke auszugehen.

Ein Impfpass sei zwar ein Gesundheitszeugnis im Sinne der Regelung zu §§ 277, 279 StGB. Die Vorlage erfolge jedoch nicht bei einer Behörde, sondern in einer Apotheke. Eine Apotheke sei auch unter Berücksichtigung der Regelung zu § 22 Abs. 5 Nr. 1 IfSG keine Behörde im Sinne des Strafgesetzbuches, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB. Eine Apotheke sei ein privates Unternehmen, welches nicht in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnet sei.

Die allgemeinen Regelungen zur Herstellung einer unechten Urkunde, zum Fälschen einer echten Urkunde sowie zur Verwendung einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 StGB würden keine Anwendung finden, da die Regelungen zu §§ 277, 279 StGB als Privilegierung mit einer deutlich niedrigeren Strafandrohung spezieller seien und daher ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen sperren würden.

Ebenso wenig sei eine Strafbarkeit nach § 75a Abs. 2 Nr. 1 IfSG gegeben. Der Straftatbestand könne nur von einer zur Durchführung der Schutzimpfung berechtigten Person begangen werden, insbesondere durch den die Impfung durchführenden Arzt.

Nun ist es so, dass diese Privilegierung (und damit ggf rechtliche "Strafbarkeitslücke")  keineswegs unbekannt ist. Seit Jahren weisen viele Kommentatoren darauf hin, dass diese Privilegierung, die historisch möglicherweise einmal sinnvoll war, schlicht nicht mehr erklärbar ist, vgl. nur MüKo-StGB Erb Rz.1 zu § 277 StGB:

§ 277 gilt ebenso wie die §§ 278, 279 noch in der ursprünglichen Fassung des StGB von 1871. Soweit diese Vorschriften die Echtheit von Gesundheitszeugnissen schützen, haben sie im heutigen System der Urkundendelikte keine strafbarkeitsbegründende Funktion, sondern wirken sich nur in mehrfacher Hinsicht (Fälschung nach § 277 lediglich im Rahmen eines zweiaktigen Delikts strafbar, Täuschung muss gegen eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft gerichtet sein, keine Versuchsstrafbarkeit, wesentlich geringerer Strafrahmen) als eine Privilegierung der Urkundenfälschung aus, für die schlechthin kein vernünftiger Grund ersichtlich ist. Die Vorschriften sind mithin dringend reformbedürftig.

Das ist doch gleich mal eine Aufgabe für den neuen Bundestag, oder?

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28 Kommentare

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Das ärgerliche an der Entscheidung ist die Formulierung in der Pressemitteilung des Gerichts. Was soll das heißen - "derzeit nicht strafbar"? "Wartet nur, euch kriegen wir auch noch"?

Wenn etwas nicht strafbar ist, dann ist es immer "derzeit nicht strafbar", bis eben das Gesetz geändert wird. Das gilt auch umgekehrt. Wenn jemand verurteilt wird, dann, weil die Tat "derzeit strafbar" ist. Bis sie eben entkriminalisiert wird. Wollte man der Relativierung aus der zitierten Pressemitteilung folgen, könnte man einen entsprechenden Zusatz künftig bei jeder Verurteilung anbringen.

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Handelt es sich bei einer Impfbestätigung wirklich um ein Gesundheitszeugnis?

Es wird lediglich eine Aussage getroffen über die Vornahme einer Impfung. Diese schützt im Wesentlichen nur davor, dass der Geimpfte schwer erkrankt. Eine Aussage darüber, ob der Geimpfte krank ist oder gesund, oder nicht krank werden wird, oder aber nicht ansteckend ist oder bleibt, ist in dem Impfnachweis nicht enthalten.

Zweck des Corona - Impfnachweises ist ja auch, bestimmte Handlungen vornehmen zu können.
Handlungen, die rechtliche Konsequenzen haben.

So betrachtet ist die Erstellung oder Nutzung eines gefälschten Impfnachweises von der Strafbarkeit der Urkundenfälschung oder der Fälschung technischer Aufzeichnungen erfasst.

Nebenbei, das Coronageschäft läuft weiter blendend. Der Handel mit gefälschten Impfpässen blüht, und die Marktkapitalisierung von Biontech liegt bei über 70 Milliarden Dollar.

Das ist etwa das Dreifache dessen, was die Deutsche Bank heute wert ist.

Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Biontech erst ein einziges Produkt auf den Markt gebracht hat, welches zudem nur über eine bedingte Zulassung verfügt, die befristet gültig ist.

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Oha, als Richter wäre ich da gaaanz vorsichtig! Bei solchen Entscheidungen, die sich gegen Corona Maßnahmen richten wird auch mal ganz schnell Rechtsbeugung angenommen wird, Häuser und Büros durchsucht und Handys gespiegelt und zusätzlich beschlagnahmt...

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Die FAZ schreibt heute:

Nach Informationen der F.A.Z. will die Unions-Fraktion am kommenden Donnerstag einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, der die Lücke schließen soll... Im Ministerium weist man allerdings darauf hin, dass andere Gerichte die Rechtslage anders beurteilen als das Landgericht Osnabrück. So hat das Amtsgericht Wolfsburg im Oktober einen Mann zu einer Geldstrafe verurteilt, der seinen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke digitalisieren lassen wollte. Das Gericht stützte sich dabei aber nicht auf den Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen, sondern auf Urkundenfälschung. Ob diese Norm in diesem Fall anwendbar ist, ist umstritten. Nach Auffassung der Osnabrücker Richter sind die Normen über die Fälschung von Gesundheitszeugnissen eine Privilegierung gegenüber der Urkundenfälschung, sodass der Rückgriff auf die schärferen Vorschriften unzulässig ist. Auch große Teile der Wissenschaft sehen es so.

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Die Anwendung der Spezialgesetz-Regel kann auch einmal schiefgehen. Das ist hier wohl spektakulär passiert. Denn warum nicht die Grundnorm anwenden, wenn nicht alle kumulativ verlangten Tatbestandsmerkmale der Grundnorm im vorliegenden Sachverhalt erfüllt wurden? Der 4. Senat des BFH hat allerdings der Steuerverwaltung in Fragen der Anwendung des § 42 AO bei einem Sachverhalt, auf den auch § 15b EStG Anwendung finden könnte, aber im Einzelfall wegen des Fehlens von wenigen Elementen im Sachverhalt dann doch nicht angewendet wird, ebenfalls eine bittere Hürde aufgebaut, obwohl alle Tatbestandsmerkmale der Grundnorm erfüllt waren (BFH-Urteil vom 26. April 2018 – IV R 33/15 –, BFHE 261, 333, BStBl II 2020, 645). Ob da das letzet Wort gesprochen ist? Vermutlich hat der Bundestag in diesen Fragen noch ein Wörtchen mitzureden.

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Korrektur:

Denn warum nicht die Grundnorm anwenden, wenn nicht alle kumulativ verlangten Tatbestandsmerkmale der Spezialnorm im vorliegenden Sachverhalt erfüllt wurden?

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§§ 277, 279 StGB stellen für den Umgang mit gefälschten Gesundheitszeuignissen eine (abschließende) gesetzliche Spezialregelung dar, die § 267 StGB verdrängt. Würde dies gegegnüber der Grundnorm für Urkundenfälschungen eine schwerere Strafe nach sich ziehen, wäre ein Rückgriff auf § 267 StGB unproblematisch. Da diese Normen aber in der Strafdrohung geringer sind, greift die "Sperrwirkung der Privilegierung".

Wenn der Bundestag die §§ 277, 279 StGB streicht oder in der Strafdrohung anpasst, wird natürlich § 267 StB anwendbar, allerdings nicht rückwirkend für Fälle, die jetzt schon passiert sind.

Sehr geehrter Herr RA Rathjen,

Handelt es sich bei einer Impfbestätigung wirklich um ein Gesundheitszeugnis?

Es wird lediglich eine Aussage getroffen über die Vornahme einer Impfung. Diese schützt im Wesentlichen nur davor, dass der Geimpfte schwer erkrankt. Eine Aussage darüber, ob der Geimpfte krank ist oder gesund, oder nicht krank werden wird, oder aber nicht ansteckend ist oder bleibt, ist in dem Impfnachweis nicht enthalten.

Auch diese Frage habe ich mir gestellt. Das RG hat allerdings schon 1893 den Impfnachweis als Gesundheitszeugnis i.S.d. Tatbestands subsumiert und wird in jedem Strafrechtskommentar zitiert.

(Die Tatsache, dass mit einem Impfstoff in einer akuten Pandemie viel Geld verdient werden kann, halte ich im Kapitalismus nicht für außergewöhnlich oder besonders erwähnenswert. Es wird mit viel viel weniger sinnvollen Dingen noch mehr Geld verdient. Wenn Sie damit irgendwas anderes im Sinne gängiger Verschwörungstheorien andeuten wollten, widerspreche ich diesem Ansinnen scharf.)

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ich denke, dass die etwas ältere Entscheidung des Reichsgerichts, die sie zitieren, nicht so ohne weiteres auf den Sachverhalt der
Corona - Pandemie und der in diesem Zusammenhang verwendeten Impfstoffe angewendet werden kann.

Um welche Impfung handelte es sich damals? Pocken?

Das Grundproblem im Rahmen der heutigen Pandemie besteht darin, es mit einer äußerst diffusen und unklaren Datenlage zu tun zu haben.

Das betrifft zum einen die Gefährlichkeit des
Virus, zum anderen die Verlässlichkeit der genutzten Testverfahren, die teilweise durchaus vernichtend beurteilt worden ist, damit aber auch die Wirksamkeit der mit einer vorläufigen Zulassung ausgestatteten Impfstoffe.

Die ist anscheinend nicht so hoch wie gedacht, daher die Durchführung einer dritten Impfung.

Generell ist der Wirkungsgrad von Impfstoffen gegen Grippeviren ziemlich niedrig, und man kann im allgemeinen erst nach einer Epidemie bzw. Pandemie sagen, wie wirksam diese in Wahrheit gewesen sind. In dem aktuellen Kontext wird die Analyse dadurch erschwert, dass wir es mit einer sehr hohen Dunkelziffer zu tun haben, und dem Umstand, dass es bisher erstaunlicherweise kein einheitlich geregeltes Testverfahren gibt, welches internationale Gültigkeit hat. Auch in Deutschland gibt es kein Verfahren, welches ISO-Qualitätsstandards genügt. Jedes Labor testet wie es der Chef gerade für richtig hält. Ob die Empfehlungenvder WHO eingehalten worden sind, hat niemand bisher nachgeprüft.

Vor diesem Hintergrund ist es strafprozessualen und strafrechtlich etwas bedenklich, einem Impfnachweis die Qualität eines Gesundheitszeugnisses zuzusprechen.

Gesundheitszeugnisse sind Urkunden, in denen der Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird. Über den Status eines Geimpften in einer Pandemie sind angesichts der diffusen Datenlage kaum Aussagen zu treffen. Vielleicht ist er geschützt, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist er ansteckend, vielleicht aber auch nicht. Auch dient der Impfnachweis dazu , rechtsgeschäftlich handlungsfähig zu bleiben. Ob das überhaupt einen Sinn macht, lasse ich erst einmal offen.

Was meine Randbemerkung betrifft, ausgerechnet Pfizer, mit Biontec zusammen arbeitend, kassierte 2009 die damals höchste Kriminalstrafe, die ein Unternehmen in den USA jemals erhalten hat. Über eine Milliarde Dollar!

Und dieses Verfahren war beileibe nicht das einzige, welches geführt worden ist. Man kann das alles auf der Website des
US - Justizministeriums nach recherchieren.

Wenn jetzt die Firma Biontech mehr wert ist als die Deutsche Bank, dann fängt man logischerweise an, ein wenig nachzudenken.

Im übrigen sind die real existierenden Verschwörungen im allgemeinen weit krasser, als Verschwörungstheoretiker sich überhaupt vorstellen können.

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"Die niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften halten die Herstellung und Vorlage gefälschter Impfzertikate zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats in einer Apotheke für strafbar." So die eindeutige Aussage der Generalstaatsanwaltschaften.

ndr.de 4.11.2021

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Ja, dass die niedesächsischen Staatsanwaltschaften dies für strafbar halten, ergibt sich ja mehr oder weniger schon daraus, dass Anklage erhoben wurde. Dass die GenStA in Niedersachsen dies stützt, ergibt sich aus der Berufung gegen das ähnlich lautende freisprechende Urteil des Amtsgerichts.

Die Daten werden aber auch an das Robert Koch-Institut übermittelt, das dann das Impfzertifikat erzeugt und an die Apotheke zurück übermittelt.

§ 4 I 1 IfSChG: Das Robert Koch-Institut ist die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen.

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Sehr geehrter Herr Matthias K.

das ist ein sehr interessanter Einwand, den ich zielführend finde zur Frage, ob § 277 StGB einschlägig ist: Auch eine (indirekte) und digitale Vorlage bei einer Behörde müsste ja dem Schutzzweck gemäß einbezogen sein. Allerdings erfüllt die Vorlage einer digitalen Kopie, bzw. die bloße Weitergabe der Daten, die im Zeugnis beurkundet sind nach h.M. gerade nicht das "Gebrauchmachen" des Zeugnisses, das in § 277 StGB genauso interpretiert wird wie das Gebrauchen einer Urkunde in § 267 StGB: es zählt nur die direkte unmittelbare Vorlage des "Originals" (der Fälschung).

Besten Gruß

Henning ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

anknüpfend an § 22 Abs. 5 InfSchutzG stellt sich m.E. die Frage, ob es sich bei dem durch das RKI, einer Bundesbehörde, generierten Impfzertifikat nicht um eine öffentliche Urkunde handelt. Bei Vorlage des gefälschten Impfpasses in der Apotheke könnte es sich dann um eine (versuchte) mittelbare Falschbeurkundung i.S.v. § 271 Abs. 1, 4 StGB handeln. Das digitale Zertifikat erbringt gegenüber jedermann den (inhaltlich falschen) Nachweis der Impfung. Dieser Weg wäre nur dann versperrt, wenn § 279 auch die Anwendung von § 271 ausschlösse. Dazu hat sich bislang. soweit ich das sehe, noch niemand geäußert. § 271 verfolgt allerdings eine andere Schutzrichtung als § 267, so dass ich hier die Sperrwirkung nicht für zwingend halte.

Viele Grüße

Gerhard Pauli

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Sehr geehrter Herr Pauli,

das ist ein sehr interessanter Gedanke, doch würde ich aus dem Wortlaut des § 22 Abs.5 InfSchutzG gerade nicht entnehmen, dass das RKI eine "Beurkundung" vornimmt. Hier nochmal der Worlaut der Norm (mit meinen Hervorhebungen):

(5) Zusätzlich zu der Impfdokumentation ist auf Wunsch der geimpften Person die Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Impfzertifikat) durch folgende Personen zu bescheinigen:

1.
durch die zur Durchführung der Schutzimpfung berechtigte Person oder
2.
nachträglich von jedem Arzt oder Apotheker.

Die Verpflichtung nach Satz 1 Nummer 2 besteht nur, wenn dem Arzt oder Apotheker eine Impfdokumentation über eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vorgelegt wird und er sich zum Nachtrag unter Verwendung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung der Ausstellung eines unrichtigen COVID-19-Impfzertifikats, insbesondere, um die Identität der geimpften Person und die Authentizität der Impfdokumentation nachzuprüfen, bereit erklärt hat. Zur Erstellung des COVID-19-Impfzertifikats übermittelt die zur Bescheinigung der Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 verpflichtete Person die in Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 genannten personenbezogenen Daten an das Robert Koch-Institut, das das COVID-19-Impfzertifikat technisch generiert. Das Robert Koch-Institut ist befugt, die zur Erstellung und Bescheinigung des COVID-19-Impfzertifikats erforderlichen personenbezogenen Daten zu verarbeiten.

Es ist m.E. ziemlich klar, dass gerade NICHT das RKI (als Behörde) hier eine eigene Prüfung vornimmt und eine öffentliche Urkunde i.S. des § 415 ZPO herstellt, sondern lediglich (auf Wunsch des Geimpften "zusätzlich") die digitale Version des Zertifikats "technisch generiert". Mit der Herstellung des eigentlichen Impfnachweises hat das RKI hingegen nichts zu tun. Damit sind die in den Nrn. 1. und 2. genannten Personen befasst, und diese sind eben gerade keine Behörden und deshalb (auch) durch § 271 StGB nicht erfasst.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Müller,

ich gebe zu, dass Vieles für Ihre Aufassung spricht. § 22 Abs. 5 InfSchG geht allerdings auf Art. 3 Abs. 2 der VERORDNUNG (EU) 2021/953 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 14. Juni 2021 zurück:

 "Die Mitgliedstaaten oder benannte Stellen, die im Namen der Mitgliedstaaten handeln, stellen die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Zertifikate in digitalem oder papiergestütztem Format oder in beiden Formaten aus."

§ 22 Abs. 5 InfSchutzG stellt damit bezüglich des Arztes oder Apothekers (übrigens ungegendert) eine Art öffentlich-rechtlichen Betrauungsakt dar. Der Begriff der Behörde i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB muss im Zusammenhng mit dem jeweiligen Regelungskontext gesehen werden (vgl. MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB, § 11 Rn. 150 m.w.N.) Auch eine einzelne Person kann danach eine Behörde sein (ebd.). Es fragt sich daher, ob aufgrund des genannten Betrauungsaktes die Apotheker nicht als Behörde i.S.v. § 277 handeln. Der Gedanke ist allerdings nicht von mir, sondern von einem Kollegen der StA Siegen und findet sich auch in dem Beschluss des Landgerichts Siegen vom 30.11.2021 (10 Qs 116/21).

Viele Grüße

Gerhard Pauli

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Beschäftigt als Risikomanager bei einem medizinischen IT-Hersteller ahnte ich, dass der deutsche digitale Impfnachweis eventuell nicht problemlos funktioniert. Daher habe ich bei der Zweitimpfung meinem Arzt folgenden ausgedruckten Text zum Stempeln und Unterschreiben vorgelegt:

IMPFBESTÄTIGUNG vorname nachname *geburtsdatum wurde in meiner Praxis am datum und datum mit markenname impfstoff gegen Covid19 geimpft.

Dieser Text passt Praxisstempel und Unterschrift des Arztes auf die Größe einer Scheckkarte. Das Ganze ist ein legales originales Gesundheitszeugnis und wird wie ein Attest akzeptiert - auch im Ausland. Damit habe ich im Portemonnaie immer eine rechtlich gültige Bestätigung meines Arztes dabei ohne auf ein Mobilfunknetz oder Handy angewiesen zu sein.

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Da heute ein neuer Rekordwert an Infektionen erreicht worden ist, und das ausgerechnet nach einer weitgehend abgeschlossenen impfkampagne, kann man angesichts der kopflosen Auseinandersetzungen die Frage aufwerfen, welchen konkreten Wert der Impfnachweis als Gesundheitszeugnis im eigentlichen Wortsinn aktuell hat.

Nehmen wir an, jemand ist außerhalb der
Grippesaison im Frühling, etwa im Mai, geimpft worden, und möchte jetzt in eine Diskothek gehen, und richtig abfeiern. Wie sieht sein aktueller Immunstatus aus, wie gefährlich ist er wirklich ?

Und müsste man nicht eigentlich für bestimmte Handlungen, einer gewissen Logik folgend, eine dritte Impfung, oder eine andersartige Auffrischung verlangen, um so etwas ähnliches wie Infektionsschutz zu betreiben?

Der im Mai erstellte Impfnachweis wäre in dem fiktiven Fall, den ich kurz skizziert habe, eigentlich fast komplett wertlos. Vielleicht ist noch eine Restimmunisierung vorhanden, vielleicht aber auch nicht.

Wenn man also den Begriff Gesundheitszeugnis in den aktuellen Kontext einbettet, also hier die Corona - Impfung, und deren Auswirkungen, dann müsste man eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Impfnachweis keine konkrete Aussage über den Gesundheitszustand des Geimpften enthält.

Dann wäre Paragraph 277 StGB nicht anzuwenden.

Immerhin kann der Impfnachweis hervorragend als Identitätsnachweis benutzt werden.

Jede Impfdosis hat eine eindeutig rekonstruierbare Nummer. Diese kann ebenso eindeutig einer ganz bestimmten Person zugeordnet werden. Vielleicht liegt in diesem Umstand der tiefere Grund für die sehr intensiven Bemühungen, eine Impfkampagne durchzuführen und möglichst jeden zu erfassen.

Auch ist ein Gesundheitszeugnis im eigentlichen Sinne des Wortes normalerweise nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt, was bei dem Impfnachweis nicht der Fall ist, der eine Personalausweis - ähnliche Funktion hat.

Ohne diesen Nachweis wird man bald nirgendwo mehr herein gelassen.

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Sehr geehrter Herr Rathjen,

Ihren Kommentar kann man so nicht stehen lassen.

Da heute ein neuer Rekordwert an Infektionen erreicht worden ist, und das ausgerechnet nach einer weitgehend abgeschlossenen impfkampagne,

Die Impfkampagne ist nicht weitgehend abgeschlossen.

Nehmen wir an, jemand ist außerhalb der
Grippesaison im Frühling, etwa im Mai, geimpft worden, und möchte jetzt in eine Diskothek gehen, und richtig abfeiern. Wie sieht sein aktueller Immunstatus aus, wie gefährlich ist er wirklich ?

Und müsste man nicht eigentlich für bestimmte Handlungen, einer gewissen Logik folgend, eine dritte Impfung, oder eine andersartige Auffrischung verlangen, um so etwas ähnliches wie Infektionsschutz zu betreiben?

Dass die Impfung eine Infektion mit der Delta-Variante und auch die Weitergabe derselben nicht verhindert, sondern nur verringert, ist bekannt.  Insofern war die Entscheidung, die Diskotheken (für Geimpfte) zu öffnen, möglicherweise verfrüht, da bin ich ganz bei Ihnen. Immerhin gefährden aber die Geimpften hauptsächlich Ungeimpfte (die ein erhebliche höheres Krankheits- und Sterberisiko tragen), während Ungeimpfte sich selbst und andere (Ungeimpfte) gefährden, wenn sie mal so "richtig abfeiern". Insofern sehe ich immer noch eine Legitimation für eine 2G bzw. 3Gplus-Regelung, bei der Geimpfte bevorzugt werden.

Der im Mai erstellte Impfnachweis wäre in dem fiktiven Fall, den ich kurz skizziert habe, eigentlich fast komplett wertlos. Vielleicht ist noch eine Restimmunisierung vorhanden, vielleicht aber auch nicht.

Wenn man also den Begriff Gesundheitszeugnis in den aktuellen Kontext einbettet, also hier die Corona - Impfung, und deren Auswirkungen, dann müsste man eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Impfnachweis keine konkrete Aussage über den Gesundheitszustand des Geimpften enthält.

Dann wäre Paragraph 277 StGB nicht anzuwenden.

Der Gesundheitsbezug des Impfstatus einer Person ist offensichtlich, auch wenn die Wirkung nachlässt. Aber von der von Ihnen behaupteten inhaltlichen "Wertlosigkeit" darauf zu schließen, dass es sich beim Impfnachweis gar nicht um ein Gesundheitszeugnis handelt, verwechselt ohnehin die Kategorien. Es genügt eben die bloße Eignung zur Täuschung im Rechtsverkehr. Und diese ist selbstverständlich beim Impfnachweis gegeben, solange dieser im Rechtsverkehr eine Rolle spielt, auch wenn Sie persönlich meinen, diese Rolle sollte der Impfnachweis nicht spielen dürfen.

Auch bei einer Urkundenfälschung (die dann ja in Betracht käme), kommt es zur Frage, ob es sich um eine strafbare Urkundenfälschung handelt, überhaupt nicht darauf an, ob die in der Urkunde dokumentierte Erklärung objektiv wirtschaftlich oder sonstwie sinnvoll ist oder nicht. Auch hier genügt die Eignung zur Täuschung im Rechtsverkehr.

Immerhin kann der Impfnachweis hervorragend als Identitätsnachweis benutzt werden.

Jede Impfdosis hat eine eindeutig rekonstruierbare Nummer. Diese kann ebenso eindeutig einer ganz bestimmten Person zugeordnet werden. Vielleicht liegt in diesem Umstand der tiefere Grund für die sehr intensiven Bemühungen, eine Impfkampagne durchzuführen und möglichst jeden zu erfassen.

Auch ist ein Gesundheitszeugnis im eigentlichen Sinne des Wortes normalerweise nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt, was bei dem Impfnachweis nicht der Fall ist, der eine Personalausweis - ähnliche Funktion hat.

Noch nirgends wurde mein Impfnachweis als Identitätsnachweis akzeptiert. Dafür ist der Personalausweis (ebenfalls mit einer rekonstruierbaren Nummer) besser geeignet und auch dazu gedacht, er wird überdies zusätzlich zum Impfnachweis benötigt, um die Identität der Person im Impfausweis mit der Person, die das Lokal betreten will, nachzuweisen. DAS kann der Impfausweis ohne Foto natürlich nicht. Auf den Rest Ihrer "Andeutung" will ich nicht eingehen. Schreiben Sie das lieber in einen Querdenker-Blog, da finden Sie Abnehmer für solche Spekulationen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Verehrter Herr Rathjen,

Ihre Impfgegner-, Querdenker- und Coronaleugnerpropaganda habe ich gesperrt. Es ist in der derzeitigen Lage unverantwortlich, sich an der Verbreitung zu beteiligen. Ich möchte und werde Impfgegnern hier keine Plattform bieten.

Sparen Sie sich bitte auch Zensurvorwürfe o.ä.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

" Ich möchte und werde Impfgegnern hier keine Plattform bieten."

Hallo Herr Professor,

es gibt keine Verpflichtung,
sich impfen zu lassen. Das wäre grob verfassungswidrig. Zensurvorwürfe werden sie deshalb nicht zu lesen bekommen, weil es sich bei Loeschaktionen der hier vorliegenden Art nicht um eine Zensur handelt.

Ich bin auch kein Impfgegner, nur dagegen, mir eine maximal einige Monate schwach wirksame Substanz injizieren zulassen, die lediglich eine bedingte Zulassung hat. Die armen Kinder, die überhaupt kein Mortalitätsrisiko haben, aber systematisch abgespritzt werden sollen, tut mir leid.

Für die Benutzung des Wortes Querdenker könnte ich ihnen eine Abmahnung schicken, lasse das aber bleiben, weil ich die Funktionsfähigkeit des deutschen
Justizapparats kenne. Dort wird auf Pfiff pariert. Wie auch im Bundestag... bisher scheint noch keine Order ergangen zu sein, den leidigen Paragraphen 277 StGB einfach zu streichen.

Bis später
AR

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NRW hat - wie andere Bundesländer auch - eine landesrechtliche Verordnung zu Corona: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/211109_coronaschvo_ab_10.11.2021_lesefassung_mit_markierungen.pdf In §6 (Ordnungswidrigkeiten) Satz 4 wird als Ordnungswidrigkeit definiert, wenn jemand: "entgegen §4 Absatz 5 einen fremden oder gefälschten Test- oder Immunisierungsnachweis verwendet, um ein Angebot zu nutzen oder durchzuführen," Es wird ein Bußgeld von bis zu 25.000 € angedroht gemäß §73 Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes. Das sollte ausreichen.

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Zur landesrechtlichen Verordnung in NRW gibt es einen Bußgeldkatalog: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210901_bussgeldkatalog_landesvoen.pdf "Bei Nutzung ... (oder) ... Durchführung eines Angebotes unter Verwendung eines fremden oder gefälschten Test- oder Immunisierungsnachweises" beträgt der Regelsatz 1000 Euro.

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In Baden-Württemberg wurde jetzt per Landesverordnung ein Nachweis der Coronaschutzimpfung per Impfpass ausgeschlossen. Hierzu soll laut Landesverordnung nur noch der aus dem nicht mehr als Nachweis akzeptierten Impfpass generierte digitale Nachweis zulässig sein. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.kontrollen-in-fellbach-gelber-impfausweis-reicht-nicht-mehr.449daa8e-f757-4089-b6d9-3166947ae125.html und auch https://www.badische-zeitung.de/papier-impfpass-hat-ausgedient-nur-noch-der-qr-code-gilt-als-nachweis--206930267.html Die Rechtsgrundlage ist hier: https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/211123_Dritte_VO_der_LReg_zur_Aenderung_der_CoronaVO.pdf In §6a Verfahren zur Nachweisüberprüfung steht:  "Impfnachweise sind in digitaler Form vorzulegen."

Das bedeutet: Baden-Württemberg akzeptiert laut Landesverordnung die weltweit gültigen Impfpässe nicht mehr. Diese entsprechen der Vorgaben der WHO und dem deutschen Infektionsschutzgesetz. Bei Ausfall digitaler Infrastruktur z.B. durch Stromausfall, mangelnde Mobilfunkabdeckung oder Versagen der IT beim Kontrollierenden gibt es in Baden-Württemberg keine vom Land akzeptierten Impfnachweis mehr.

Landesrecht bricht Bundesrecht und internationales Recht?

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Aus Anlass eigener forensischer Befassung sowie vor dem Hintergrund der dazu inzwischen ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (zuletzt OLG Celle, Urt. v. 31.05.2022, 1 Ss 6/22) sowie dem dazu wg. der anhängigen Revision der StA Hechingen bei dem Bundesgerichtshof gegen ein freisprechendes Urteil des LG Hechingen v. 17.12.2021 möchte ich dieses Thema noch einmal aufgreifen.

Zunächst finde ich es mehr als befremdlich, Nutzer mit rechtlichen Wertungen, die nicht in das Weltbild des Admin passen, als Querdenker auszuschließen. Ich darf an den Satz von Adolf Arndt erinnern, es sei die Aufgabe des Verteidigers "das Unerhörte zu Gehör zu bringen". Allerdings sollte demjenigen, der die Qualität des Nachweises der COVID-Impfung al Gesundheitszeugnis abstreitet, klar sein, dass damit der "Privilegierungsstreit" entfällt und § 267 StGB unstreitig Anwendung findet.

Zu dem bekannten Problem der Sperrwirkung gibt es folgende Ausgangslage: 279 StGB nimmt auf die §§ 278, 277 StGB Bezug die ihrerseits keine unechten oder gefälschten Urkunden zum Gegenstand haben, sondern schriftliche Lügen über den Gesundheitszustand des Empfängers bzw. die Befugnis des Ausstellers. Es geht also um die Frage, ob der Hinweis "nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht" so zu lesen ist, dass § 267 StGB in den (von § 279 StGB gar nicht erfassten) Fällen des Gebrauches einer unechten oder gefälschten Urkunde nur dann anwendbar ist, wenn § 279 StGB nicht vorliegt.

Hierzu meinen die OLGs Hamburg (Beschl. v. 27.01.2022, 1 Ws 114/21/Stuttgart/Celle sinngemäß, der historische Gesetzgeber habe die Strafmassprivilegierung des § 279 StGB vllt nur geschaffen, weil er von einem faktischen Zwang zur Vorlage von Gesundheitszeugnissen bei Behörden und Versicherungen ausgegangen sei, dem der Täter bei der Vorlage bei Privaten nicht unterliege.

Das ist schlüssig, beruht auf einer zum Zwecke eben dieser Schlüssigkeit erzeugen Spekulation über mögliche Motive des Gesetzgebers. Die dem Gesetzgeber unterstellten Motive liegen darüber hinaus fern, weil nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber das Gebrauchen derjenigen unrichtigen Gesundheitszeugnisse, die nicht unter § 267 StGB fallen, straffrei stellen wollte. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, so liegt es wesentlich näher, innerhalb des § 279 StGB eine Privilegierung zu schaffen.

Was man der Ansicht der OLGs nicht vorwerfen kann, sind Wertungswidersprüche, weil eine Privilegierung kaum den Sinn haben kann, eine Sperrwirkung für die Tatbestände zu erzeugen, deren Tatobjekt eine andere Rechtsqualität hat als der Tatbestand, den der Täter nicht erfüllt. Der Beitrag von StA Dastis in der HRRS 2021, 456 f. zeigt im Übrigen ungewollt, dass die "Wertungswidersprüche" und die "Wertungswidersprüche gegen Wertungswidersprüche" zu beliebigen Ergebnissen führen, vor allem dann wenn man noch zusätzlich in Gegenüberstellungen von Gesundheitszeugnissen und Totenscheinen verfällt.

Man darf gespannt sein.

 

 

 

 

 

 

es muß natürlich zu den Motiven des historischen Gesetzgebers und der Auslegung durch die OLGs richtig heißen, dass nicht anzunehmen ist, der Gesetzgeber habe bei § 279 StGB nur das private Gebrauchmachen von denjenigen Urkunden, die nicht unter § 267 StGB fallen, straffrei stellen wollen. Dafür wäre es naheliegender gewesen, innerhalb des § 279 StGB eine Privilegierung für die Täter zu schaffen, die dem faktischen Zwang unterliegen, bei Versicherungen oder Behörden vorzulegen. müssen.

Sehr geehrter Herr Dr. Grüner,

vielen Dank für Ihren Kommentar.

Sie schreiben:

Zunächst finde ich es mehr als befremdlich, Nutzer mit rechtlichen Wertungen, die nicht in das Weltbild des Admin passen, als Querdenker auszuschließen.

Ich habe Herrn Rathjen nicht ausgeschlossen, sondern im Einklang mit den hier im Beck-Blog geltenden Regeln einzelne seiner Kommentare unveröffentlicht gestellt, in denen er nicht zu der hier diskutierten Rechtsmaterie Stellung genommen hat, sondern meinen Beitrag zum Anlass genommen hat, besagte Propaganda zu verbreiten. Für die Diskussion der besagten Materien, einschließlich der Rolle zB von Bill Gates, ist anderswo im Netz Platz genug. Bill Gates, die Rolle der Bild-Zeitung, die Wirksamkeit von Impfungen und die COVID-Todesfälle haben mit der Strafbarkeit gefälschter Impfzeugnisse nun wirklich nichts zu tun. Ich kann Ihnen gern zur Illustration die unveröffentlicht gestellten Kommentare überlassen. Andere seiner Kommentare habe ich stehen lassen und auch mit RA Rathjen diskutiert (siehe oben).

Ein anderer Kommentar, den ich unveröffentlicht gestellt habe, stammt von einem Nutzer, den ich wegen dessen (teilweise strafbar volksverhetzenden) früheren Kommentaren tatsächlich im Einvernehmen mit der Redaktion von der Diskussion unter meinen Beitragen ausgeschlossen habe.

Zu Ihren rechtlichen Einwänden, die ich im Wesentlichen so verstehe, dass sich die Spezialregelung des § 277 StGB nicht auf alle falschen Gesundheitszeugnisse beziehe, sondern nur auf diejenigen, die nicht zugleich eine unechte Urkunde darstellen: Das lässt sich durchaus hören. Aus § 279 StGB lässt sich mE allerdings wiederum nur ein Rückschluss auf das Gebrauchen ziehen. Zur historischen Auslegung: Ich hatte bisher angenommen, es gehe dabei um den praktisch häufigsten Anwendungsbereich der Gesundheitszeugnisse: Dem Krankschreiben von Erwerbstätigen und den praktischen Folgen eines sehr häufigen Anfangsverdachts. Ich habe aber zugegebenermaßen nicht eingehend dazu recherchiert.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Was mich umtreibt (da ich sozusagen als deformation professionelle die täterfreundliche Auslegung zu verfolgen suche), ist die Argumentation der OLG-Rechtsprechung seit dem Jahre 2022, die darauf hinausläuft,

- man dürfe die historische Auslegung nicht überbewerten, da es sich um einen Randtatbestand handele, den der Gesetzgeber nicht in alle Verästelungen bedacht habe,

- und der historische Wille des Gesetzgebers (das scheint mir das stärkere Gegenargument zu sein) könne vllt. einseitig den Schutz derjenigen Täter zum Gegenstand haben, die falsche Zeugnisse bei Versicherungen und Behörden (also unter "faktischem Zwang") einreichten.

Dies Argumentation halte ich aber für fernliegend, weil der Gesetzgeber dann (im Widerspruch zu dem Schutz der Behörden- und Versicherungseinreicher) nur den nicht unter faktischem Zwang handelnden Täter straflos stellen würde, der Zeugnisse iSd §§ 277, 278 StGB "privat" verwendet, ohne dass es sich um unechte Urkunden handelt.

Außerdem halte ich das Argument auch mit Ihrem Einwand für nicht überzeugend, wonach zu dem "Privatgebrauch" auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gehören, die auch schon bei der Entstehung des Gesetzes bekannt waren.

Hier ist die faktische Zwangslage nicht weniger groß als bei den im Gesetz genannten Fällen.

Das alles spricht aus meiner Sicht für Ihre Auslegung, dass hier aufgrund der im Gesetz enthaltenen Sperrwirkung eine Strafbarkeitslücke besteht, die -ob planwidrig oder nicht- dem Gesetz innewohnt, und wegen Art. 103 II GG nicht durch Analogie geschlossen werden kann.

Ich versuche gerade, dies in einer Entscheidungsanmerkung zu verarbeiten, mir liegen die Gesetzgebungsmaterialien, die ich gerade hier für wichtig halte, nicht vorliegen.

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