LAG München: Unwirksamkeit der befristeten Erhöhung der Wochenarbeitszeit einer Kirchenmusikerin

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 15.02.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht|1881 Aufrufe

Teilbefristungen in Form einer befristeten Aufstockung der Arbeitszeit kommen in der Praxis recht häufig vor und beschäftigen immer wieder auch die Gerichte. Das BAG mißt solche Vertragsgestaltungen – wenn sie AGB-Charakter aufweisen – am Maßstab des § 307 BGB. Dabei betont das BAG, das allein die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf die Befristung nicht rechtfertigt. Es bedarf mithin eines berechtigten und überwiegenden Interesse des Arbeitgebers. Höhere Anforderungen an die Rechtfertigung stellt das BAG zudem dann, wenn es sich um eine erhebliche Erhöhung der Arbeitszeit handelt. In diesem Fall, können zur Rechtfertigung nur Umstände herangezogen werden können, die auch die Befristung eines gesondert im Umfang der Arbeitszeiterhöhung geschlossenen zusätzlichen Arbeitsvertrags nach § 14 I TzBfG rechtfertigen würden. Eine Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang soll dabei in der Regel vorliegen, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft.

Interessantes Anschauungsmaterial liefert eine neuere Entscheidung des LAG München (Urteil vom 20.10.2020, Az. 6 Sa 672/20, BeckRS 2020, 37673). In ihr ging es um die Klage einer Kirchenmusikerin, die bei einer Kirchengemeinde unbefristet mit 3,5 Wochenstunden in Teilzeit beschäftigt war. Insgesamt waren dort drei Vollzeitkirchenmusiker und zwei Teilzeitkräfte beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 25.08.2017 wurde wegen der Erkrankung der 1. Organistin die Wochenstundenzahl der Kirchenmusikerin befristet bis längstens 31.08.2018 auf 39 Stunden angehoben und dann wegen fortdauernder Erkrankung verlängert bis längstens 31.05.2019. Nachdem Anfang Oktober 2018 die 1. Organistin in Rente ging und die beiden anderen Vollzeitmusiker Ende Juli/August 2019 in den Ruhestand gehen wollten, entschied die beklagte Kirchengemeinde, künftig nur noch zwei Vollzeitmusiker zu beschäftigen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin wurde am 11.10.2018 dahingehend geändert, dass die Erhöhung der Wochenstundenzahl „auf Grund von betrieblichem Bedarf“ bis längstens 31.05.2019 verlängert wurde. Die Stellen für Kirchenmusiker wurden ausgeschrieben, die Bewerbung der Klägerin abgelehnt.

Ihre Klage gegen die nur befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit hatte Erfolg. Schon das Arbeitsgericht Regensburg hatet die Befristung in dem allein maßgeblichen letzten Änderungsvertrag als treuwidrig angesehen und als unangemessene Benachteiligung für unwirksam erklärt, weil bei Abschluss des Änderungsvertrages nicht zu erkennen gewesen ist, dass der betriebliche Bedarf für die erhöhte Wochenstundenzahl bei Ende der Befristung nicht mehr besteht. Der Wunsch der Beklagten, die frei werdenden Stellen auszuschreiben, um allen Kirchenmusikern die Möglichkeit einer Bewerbung zu eröffnen, stelle keinen Befristungsgrund dar. Das LAG München hat das erstinstanzliche Urteil nun bestätigt. Der vom Arbeitgeber formulierte Änderungsvertrag unterläge als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle. Die Befristung einer Erhöhung der Arbeitszeit um mindestens 25 % einer Vollzeitbeschäftigung sei i.d.R. nur dann angemessen, wenn Umstände vorliegen, die die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigen würden. Vorliegend habe weder ein vorübergehender betrieblicher Bedarf, noch ein sonstiger Befristungsgrund i.S von § 14 Abs. 1 TzBfG bestanden. Daher sei die Befristung unwirksam gewesen. Die Kirchenmusikerin habe einen Anspruch darauf, weiterhin mit 39 Wochenstunden beschäftigt zu werden.

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