Schriftliches Verfahren (§ 128 Abs. 3 ZPO): Neben- ist immer Hauptforderung!

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 08.06.2020
Rechtsgebiete: Zivilverfahrensrecht2|5483 Aufrufe

Eine Entscheidung kann nach § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen, wenn nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden ist. Der Einschub „oder Nebenforderungen“ beruht auf dem Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2633).

In den Materialien heißt es dazu wie folgt: „Nach der Regelung in § 128 Abs. 3 ZPO-E sollen die Gerichte nicht nur dann, wenn nur noch über die Kosten zu entscheiden ist, sondern auch in Fällen, in denen lediglich noch eine Entscheidung über Nebenforderungen (insbesondere Zinsen) aussteht, ohne mündliche Verhandlung entscheiden können. Hierdurch soll im Interesse der Parteien eine schnellere und kostengünstigere Erledigung des Rechtsstreits sowie zugleich eine Entlastung der Gerichte ermöglicht werden. Da Nebenforderungen in der Regel für die Parteien von untergeordnetem wirtschaftlichem Gewicht sind, erscheint eine obligatorische mündliche Verhandlung nach § 128 Abs. 1 ZPO verzichtbar.“

Was sind nun Nebenforderungen? BeckOK ZPO/von Selle, 1.3.2020, ZPO § 128 Rn. 16 meint, die Definition sei in § 4 ZPO zu finden. Die anderen Kommentatoren schweigen – soweit erkennbar. In einem allerersten Ansatz dürfte von Selle zu folgen sein (allerdings wäre auch § 43 GKG zu nennen). Die Materialien selbst nennen als Beispiel Zinsen. Dies gilt aber nur im Grundsatz. Denn eine Forderung ist keine Nebenforderung iSv § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG (mehr), wenn sie zur Hauptforderung geworden ist (BGH BeckRS 2011, 2156 Rn. 5). Das ist der Fall, wenn und soweit der Hauptanspruch, auf den sich die Nebenforderungen beziehen, ganz oder teilweise nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist (BGH BeckRS 2012, 9458 Rn. 5; Elzer, in: Hartmann/Toussaint, GKG § 48 Anh. II (§ 4 ZPO Rn. 13)). So kann es etwa sein für Zinsen (BGH BeckRS 2013, 16719 Rn. 2), für Rechtsanwaltskosten, nach einem Schuldanerkenntnis nach § 307 ZPO oder nach der Erledigung des bisherigen Hauptanspruchs (Elzer, in: Hartmann/Toussaint, GKG § 48 Anh. II (§ 4 ZPO Rn. 13)).

So kann es aber nicht bei § 128 Abs. 3 ZPO sein! Denn hier ist immer nur über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden. Die Neben- ist also grundsätzlich die Hauptforderung. Wäre die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG anwendbar, käme man zu dem kuriosen Ergebnis, dass § 128 Abs. 3 ZPO  keinen Anwendungsbereich hätte. Das kann aber nicht gewollt sein. Beispiel: Klagt der Kläger und Berufungskläger in der ersten Instanz nicht zuerkannte Zinsen ein, ist der Anwendungsbereich des § 128 Abs. 3 ZPO eröffnet, obwohl die Zinsen die Hauptforderung sind. Die Zinsen wären zwar nur Nebenforderung, wenn auch der Beklagte Berufung einlegt und sich gegen die Hauptforderung wendete (BGH BeckRS 2013, 16719 Rn. 2). Dann aber ist § 128 Abs. 3 ZPO gerade nicht anwendbar.

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2 Kommentare

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Diese Ausführungen waren von mir (selbstverständlich unter namentlicher Nennung des Autors) als Einwendung zu Erkenntnissen des OLG Hamm  in dem dort  unter I-3 U 23/20 anhängigen  Rechtsstreit,  dessen Gegenstand  u.a. (ein) Schadensersatzanspruch auf Zahlung  der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bzw. Freistellung von dem Vergütungsansruch des Anwalts  war, geltend gemacht worden, wozu dann das OLG in seinem Beschluss vom 24.06.2020 u.a. erkannte: 

Wie bereits in dem Hinweisbeschluss dargelegt ... sind Nebenforderungen iSv. § 4 Abs. 1 ZPO gemäß § 139 Abs. 2 ZPO  von der Hinweispflilcht ausgenommen. Die in erster Instanz neben dem Schmerzensgeldanspruch geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen solche von dem Hauptanspruch abhängige Nebenforderungen dar. Ohne den Erfolg des Schmerzensgeldanspruchs wäre auch diesen Ansprüchen die Grundlage entzogen worden (vgl. hierzu auch Heinrich, in: Musielak (Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 4 Rdn. 10). Aus der vom Kläger zitierten Internet-Fundstelle zu § 128 Abs. 3 ZPO folgt nichts anderes. Die dortigen Ausführungen erklären sich  vor dem Hintergrund, dass § 128 Abs. 3 ZPO den Fall betrifft, dass nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden ist. In diesem Fall wird der Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten  zur Hauptforderung (vgl. diesbezüglich auch BGH, NJW 2013, 2123; Heinrich in: Musielak / Voit a.a.O., § 4 Rdn. 16)...

Soweit in diesem Beschluss die Person des Autors  zur namenlosen Internet-Fundstelle apostrophiert wird, bestätigt dies m.E. die dem OLG Hamm eigentümliche, schon früher erfahrene Arroganz.  Ganz abgesehen davon hatte ich nicht den Eindruck, dass sich die Ausführungen des Autors hier darauf beschränken, dass in der Sache nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden ist. Sollte das allerdings tatsächlich so gemeint sein, wäre es schön, wenn dies vom Autor  hier einmal klargestellt würde.

 

Sehr geehrter Herr Brinkmann,

die Ausführungen waren so gemeint, wie sie im Blog stehen. Ich habe zu 128 III ZPO ausgeführt. Dabei habe ich am Rande dargestellt, wann eine Nebenforderung zur Hauptforderung wird.

Beste Grüße 

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