BSG zur Höhe des Arbeitslosengeldes nach Freistellung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.10.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3445 Aufrufe

In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das BSG seine Rechtsprechung zur Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes (§ 150 SGB III) für den Fall modifiziert, dass die oder der Arbeitslose vor Beginn der Arbeitslosigkeit längere Zeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war - was bei Aufhebungsverträgen und bei arbeitgeberseitiger Kündigung mit langer Kündigungsfrist ja nicht ungewöhnlich ist.

Bislang war die hM davon ausgegangen, dass für die Berechnung lediglich dasjenige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen ist, das in der Zeit vor der Freistellung erzielt wurde (Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne). Das konnte bei längeren Freistellungen dazu führen, dass innerhalb des Bemessungsrahmens uU keine ausreichenden abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume (150 Tage innerhalb des letzten Jahres) festgestellt werden konnten. Eine für die oder den Arbeitslosen idR ungünstigere fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes (§ 152 SGB III) konnte die Folge sein.

Dies hat das BSG nun - zutreffend - korrigiert:

Die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung ist in die Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin vereinbarte mit ihrer Arbeitgeberin durch Aufhebungsvertrag einvernehmlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.4.2012. Vereinbarungsgemäß war sie ab dem 1.5.2011 unwiderruflich von ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Die Arbeitgeberin zahlte in diesem Zeitraum die monatliche Vergütung weiter. Die Klägerin verpflichtete sich, der Arbeitgeberin in der Freistellungsphase unentgeltlich zur Beantwortung von Fragen sowie zur Erteilung von Informationen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Nachfolgend bezog die Klägerin bis zum 24.3.2013 Krankentagegeld. Im Anschluss daran bewilligte die Beklagte ab dem 25.3.2013 Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 28,72 Euro. Dabei ließ sie die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht, denn die Klägerin sei faktisch bereits ab dem 1.5.2011 aus der Beschäftigung ausgeschieden.

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Klägerin Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von kalendertäglich 181,42 Euro unter Einbeziehung der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlten Vergütung zusteht. Dadurch bestand im erweiterten Bemessungsrahmen vom 25.3.2011 bis 24.3.2013 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von mehr als 150 Tagen, sodass die von der Beklagten zugrunde gelegte fiktive Bemessung ausgeschlossen ist. Maßgebend für die Arbeitslosengeld-Bemessung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn. Bemerkenswert: Der Senat stellt ausdrücklich klar, dass er an älteren Entscheidungen, denen ein anderes Begriffsverständnis entnommen werden kann, nicht festhält.

BSG, Urt. vom 30.8.2018 - B 11 AL 15/17 R, mit Material aus der Pressemitteilung

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