Microsoft tangiert den Durchschnittsmieter nicht

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 09.04.2008

Im Rahmen von Betriebskosten stellt der BGH immer wieder auf den durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter ab. Dieser erwartet von einer Abrechnung, dass die Mindestanforderungen erfüllt sind (Angabe der Gesamtkosten, Angabe und Erläuterung des Verteilerschlüssels, Berechnung des Anteils des Mieters und Abzug der Vorauszahlungen) und vertraut auch darauf, dass der innerhalb der Abrechnungsfrist mitgeteilte Saldo nicht zu seinen Lasten nach Ablauf der Abrechnungsfrist korrigiert werden kann und dass die angegebenen Gesamtkosten tatsächlich in der angegebenen Höhe bestehen, also keine nicht erkennbare Vorermittlung durchgeführt wurde.

Weitgehend unbeantwortet ist bisher die Frage, welche Mathematikkenntnisse diesem Durchschnittsbürger zugerechnet werden können. Beherrscht er die vier Grundrechenarten? Ist er im Dreisatz firm? Kann er Dezimalrechnen? Löst er Gleichungen mit einer oder mehreren Unbekannten? usw.

Einen ersten Hinweis enthält die jüngste Entscheidung des BGH v. 9.4.2008 - VIII ZR 84/07: in der Abrechnung hatte der Vermieter zur Erläuterung angegeben "Umlage nach Quadratmeter Wohnfläche*Monate". Als Gesamtverteiler wurden "Gesamtsumme 3816,00" mitgeteilt. Dies war für den durchschnittlichen Mieter nicht nachvollziehbar. Denn ihm erschließe sich nicht, dass die unter "Gesamtsumme" angeführte Zahl "3816,00" das Produkt aus der Gesamtwohnfläche des Hauses von 318,00 m² und den zwölf Monaten des Jahres sein soll.

Es ist in der Tat verwirrend, dass in dem Software-Programm "Microsoft Excel", mit dem die Abrechnung offensichtlich erstellt worden war, das Multiplikationszeichen mit einem Stern (*) angegeben wird. Das lernt man zwar heute in der Schule (manche sogar im Kindergarten). Die dort lernen, sind aber schon wegen ihres Alters selten Durchschnittsmieter. Allenfalls deren Eltern. Die müssen sich aber das Wissen ihrer Kinder nicht zurechnen lassen und haben das Multiplikationssymbol als "x" in der Schule gelernt.

Wer nun schon einmal mit Excel gearbeitet hat und weiß, dass die Division die Umkehrung der Multiplikation ist, hätte von einer Abrechnung, die über einen Zeitraum von einem Jahr ergehen muss, wegen des Hinweises auf "Monate" unter Anwendung der Gesetze der Logik vielleicht darauf kommen können, dass eine der Unbekannten der Gleichung eine Zwölf ist. Nimmt man diese Zahl dann als Devisor für 3816 (= Dividend), erhält man 318 (Quotient). Was hindert einen nun, diese Größe als die Wohnfläche anzunehmen? (mit dem angegebenen Einzelverteiler, der sich aus dem Mietvertrag ersehen lässt, wäre es noch einfacher gewesen).

Aber: dass eine Abrechnung über ein Jahr ergehen muss, steht im Gesetz. Der Durchschnittsmieter ist aber juristisch nicht vorgebildet (auch wenn er bei einer auf § 556 Abs. 1 BGB verweisenden Umlagevereinbarung anders behandelt wird). Also bleibt als Bezugspunkt nur die Angabe in der Abrechnung. Die stammt aber vom Vermieter....

Für die Ausgangsbetrachtung kann jedenfalls festgehalten werden, dass es mit der Kenntnis der Gesetze der Logik bei unserem Durchschnittsmieter nicht weit her ist. Die Grundrechenarten scheinen ihm zwar geläufig, aber mit der Umsetzung tut er sich schwer. Auf keinen Fall besitzt er besondere Kenntnisse über die Programme des weltweit führenden Software-Herstellers (oder wendet er dessen Programme nur an, ohne durchschnittlich zu denken?).

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Die Entscheidung liegt voll im Trend unserer "Deutschland sucht den Superstar"-, "Raus aus den Schulden"-, "Die Auswanderer"- und "Die Rückwanderer"-Mediengesellschaft. Angesichts des medialen Abbilds unserer Gesellschaft wird man vom Durchschnittsbürger heutzutage tatsächlich nicht mehr die Unterscheidung zwischen verschiedenen Multiplikationszeichen und die Lösung von Gleichungen mit einer Unbekannten verlangen dürfen. Insoweit hat der BGH die Lage der Nation treffend analysiert und praxisnah entschieden.

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