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Freier Strandzugang und bedingte Strandgebühr

Matthe-Siegfried

2014-09-25 21:43

Die juristische Streitfrage nach einem unentgeltlichen Strandzugang in den gemeindlichen Orten Hooksiel und Horumersiel- Schillig eskalierte jetzt in einem Verwaltungsstreitverfahren vor dem VG Oldenburg. Das streitbefangene Strandgelände ist Eigentum des Landes Niedersachsen. Das Land hat das Strandgelände an die beigeladene Touristik GmbH verpachtet, deren Alleingesellschafterin die örtliche Kommune ist. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat nun mit Urt. v. 23. Sept. 2014 (Az.:1 A 1314/14) die Klage abgewiesen. Vgl. zu den Einzelheiten http://www.verwaltungsgericht oldenburg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=19562&article_id=127960&_psmand=128.Die Verlautbarung als Pressemitteilung lässt nur eine erste Stellungnahme zu.

Die Zulässigkeit der Klage unter dem Aspekt des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses gem. §§ 40 ff. VwGO begegnet als Feststellungsklage ( § 43 VwGO ) keinen Bedenken, das Klagbegehren zielt auf die Klärung des Rechtsverhältnisses der beschwerten Strandgänger zu der kommunalen Untergebührstellung in der Rechtsausführung als ein Strandzugangs-Entgelt durch die kommunale Touristik GmbH. Das Amtsgericht könnte hier nur die zivilrechtlichen Beziehungen klären, die aber mit dem Rechtsschutzersuchen nicht thematisiert werden sollen und auch nicht den Kern des Streites betreffen.

Das Strandgelände ist als Eigentum des Landes zunächst staatlicher öffentlicher Raum, der dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Nach Art. 2 Abs.2 S.1 GG hat jeder das Recht auf Leben und der Staat eine entsprechende Schutzpflicht. Dazu zählt auch die kostenfreie Ermöglichung der Naherholung durch ein freies Betretungsrecht, z.B. in den Bergen, in den Wäldern, an den Stränden am Meer ( s. dazu auch das Recht auf Leben gem.Art 3; freie Ortswahl gem. Art. 13 Nr.1; Recht auf Erholung, Art. 24 UN-Menschenrechtscharta v. 10. Dez. 1948 sowie das Recht auf Leben gem. Art.2 EU- Menschenrechtskonvention v. 3. Sept. 1953 etc.). Die örtliche Gebietskörperschaft ist also schon verfassungsrechtlich grundsätzlich zur Offenhaltung der Strandflächen angehalten, aber auch in der juristischen Form einer Touristik GmbH dem Leitgebot eines public value ( Mark H. Moore ) verpflichtet. Der public-value-Gedanke beinhaltet durch den Fokus auf die Wertschöpfung von öffentlichen Verwaltungen auch eine grundsätzliche Kritik am New Public Management und dessen Betonung von privatwirtschaftlichen Effizienzkriterien. Auch eine Ausgründung erlaubt nicht die Entfernung von den strengen verfassungsrechtlichen Maßstäben an das kommunale Rechtsgebaren. Die Kommune behält insoweit eine Gewährleistungspflicht.

Im übrigen gewährt § 59 Abs.1 BNatSchG das freie Zugangsrecht in der Natur, das hier das Klagbegehren einfachgesetzlich stützt. Die Schutzbestimmungen des §§ 1 ff. BNatSchG wie auch im speziellen der Naturschutz in Gewässernähe nach § 61 BNatSchG sind auch bei Errichtung eines Strandbades streng zu beachten. In Beachtung der dargestellten verfassungsrechtlichen Erfordernisse obliegt also der örtlichen Kommune die ausreichende Offenhaltung des kostenfreien Strandzugangs und ein entsprechend zurückhaltendes Angebot an kommerzieller Strandnutzung durch ein Angebot eines örtlichen Strandbades etc., dessen Unterhaltung und Pflege durch die Erhebung einer Nutzungsgebühr von seinen Nutzern rechtmäßig finanziert werden kann. Dabei wäre allerdings auch an eine steuerfinanzierte und von daher kostenfreie Strandbadnutzung zur Erfüllung der örtlichen Daseinsvorsorge zu denken. Eine Überhandnahme derartiger Kommerzialisierung öffentlicher Naturerholungsflächen ist mit den verfassungsrechtlichen Leit- und Schutzpflichten jedenfalls nicht vereinbar und verfassungswidrig bzw. rechtswidrig. Der insofern in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzte Strandgänger kann hier den Schutz der Verwaltungsgerichte suchen und muß ihn auch dort finden. Die Berufung gegen das Urt. des VG Oldenburg ist daher geboten.

Matthias Siegfried,
Rechtsassessor,freier Fachautor
Bremen

 

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