Die Folgen eines Sperrfristverstoßes nach § 22 UmwStG - wer kriegt die eigentlich ab? (FG Düsseldorf v. 7.3.2024 - 8 K 2849/17 E)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 08.04.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2954 Aufrufe

§ 24 Abs. 5 UmwStG – und sein kleiner Bruder § 16 Abs. 5 EStG – verweisen beide auf § 22 UmwStG. Sowohl bei einer Einbringung einer Sachgesamtheit in eine Personengesellschaft als auch bei der Realteilung, bei der Teilbetriebe auf einzelne Mitunternehmer übertragen werden (BMF v. 19.12.2018, BeckVerw 444415, Rz. 27), hält der Gesetzgeber eine „Abdichtung“ des Systems des Teileinkünfteverfahrens gegenüber der Freistellung nach § 8b Abs. 2 KStG für erforderlich. Ähnlich ist er auch in § 6 Abs. 5 Satz 5, 6 EStG bei der Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern u.a. auf eine Gesamthand (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AO) vorgegangen. Die entsprechende Komplexität lässt sich leicht an der Leitentscheidung zu der Thematik ablesen (BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, BeckRS 2021, 31980).

§ 24 Abs. 5 UmwStG fristet ein Schattendasein unter den umwandlungssteuerrechtlichen Sperrfristen – das liegt sicher auch an der schwer verständlichen Formulierung (Müller-Etienne/Doster, DStR 2013, 1924): Gleich dreimal „soweit“, zweimal auf Tatbestandsseite, einmal auf Rechtsfolgenseite. Die Intention des Gesetzgebers, die „Regimetrennung“ zwischen der Teilfreistellung bei natürlichen Personen und der vollumfänglichen Freistellung des § 8b Abs. 2 KStG (zum Verständnis des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG als „aliud“ gegenüber der Freistellung BFH v. 31.5.2017 – I R 37/15, BeckRS 2017, 128807, Rz. 18) auch bei Einbringungen in Personengesellschaften durchzusetzen, bleibt beim Lesen durchaus hängen, auch wenn die technische Umsetzung gegenüber dem eher „knackigen“ § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG – mit nur einem „soweit“ – sehr komplex wirkt. Dementsprechend wird im Schrifftum vermutet, „dass der Gesetzgeber bei Abfassung der Vorschrift nicht gerade besondere Sorgfalt walten ließ“ (Müller-Etienne/Doster, DStR 2013, 1924, 1929).

Dennoch muss die Rechtsprechung sich der Vorschrift des § 24 Abs. 5 UmwStG nun widmen – das FG Düsseldorf macht mit seinem Urteil vom 7.3.2024 (8 K 2849/17 E, BeckRS 2024, 5406) einen Anfang. Wer meint, dass er mangels Anwendung des § 24 UmwStG hier nicht betroffen sei, muss vermutlich noch einmal in sich gehen:

  • Zum einen ist der sachliche Anwendungsbereich des § 24 UmwStG vielfältiger als häufig gedacht (BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.47) und umfasst u.a. auch den entgeltlichen Beitritt zu einer bestehenden Personengesellschaft. Zudem ist auch die Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft „wie eine Einbringung des Betriebs des Inhabers des Handelsgewerbes in die stille Gesellschaft iSd § 24 UmwStG zu würdigen“ (BeckOK GewStG/Weiss GewStG § 7 Rn. 355.3 mwN). In all diesen Fällen ist mithin, soweit Anteile an Kapitalgesellschaften übertragen werden, auch § 24 Abs. 5 UmwStG zu beachten, nicht zuletzt da dieser auch die jährliche „Reporting“-Pflicht des § 22 Abs. 3 UmwStG mit sich bringt (Müller-Etienne/Doster, DStR 2013, 1924, 1929).
  • Zum anderen trifft das FG Düsseldorf sehr grundlegende Aussagen zu § 22 UmwStG, die auch in Fällen der §§ 20, 21 UmwStG große Bedeutung haben. Eine zentrale Problematik einer 7 Jahre langen Sperrfrist ist, dass die Anteile während des Laufs der Frist unentgeltlich übertragen werden, was außerhalb des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG – bei verdeckter Einlage in eine Kapitalgesellschaft – grundsätzlich nicht problematisch ist, solange der Empfänger selbst ebenfalls „Einbringender“ hätte sein können (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG; BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.42). Bei § 24 UmwStG spielt letzteres sogar gar keine Rolle (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).

Die Rechtsnachfolge in die sperrfristbehafteten Anteile wird dabei u.a. durch § 22 Abs. 6 UmwStG geregelt (BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.41) – den das FG Düsseldorf durchaus unkonventionell interpretiert. Danach gilt in den Fällen der unentgeltlichen Rechtsnachfolge u.a. der Rechtsnachfolger des Einbringenden als Einbringender im Sinne der Absätze 1 bis 5 des § 22 UmwStG. Die Pflichten aus § 22 Abs. 3 UmwStG bspw. treffen dann für den Rest der Sperrfrist den unentgeltlichen Rechtsnachfolger – nach Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht die Folgen einer Sperrfristverletzung (Beispiel bei BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.41).

Das FG Düsseldorf sieht das jedoch ganz anders (Rz. 97 ff. im Urteil): Weder in zeitlicher (Beginn der Fiktion) noch sachlicher Hinsicht (Besteuerung des Einbringungsgewinns) sei eine Differenzierung bezüglich der angeordneten Rechtsfolge zu erkennen. Dementsprechend war die Klage hier allein deswegen erfolgreich, weil die Behörde gegenüber dem falschen Steuerpflichtigen – nämlich dem klagenden Vater als Rechtsvorgänger – rückwirkend einen Einbringungsgewinn angesetzt hatte (§ 24 Abs. 5 UmwStG iVm § 22 Abs. 2 UmwStG). Mit dieser Fragestellung werden ganz tiefe Wasser betreten – nicht nur für die Fälle des § 24 Abs. 5 UmwStG…

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