BGH: Zum Missbrauch der Vertretungsmacht bei Veräußerung des gesamten Vermögens einer GmbH

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 12.03.2024

Der BGH hat entschieden, dass ein Kaufvertrag einer GmbH wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam sein kann, wenn der Käufer weiß, dass die GmbH ihr gesamtes Vermögen ohne legitimierenden Gesellschafterbeschluss veräußern will (Urteil vom 9. Januar 2024, II ZR 220/22).

Vertretungsmacht bei Veräußerung des gesamten Vermögens

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Immobilienkaufvertrags, mit dem eine GmbH ihr gesamtes Vermögen in Form eines Grundstücks veräußern wollte. Der Senat führt aus, dass zwar § 179a AktG nicht analog auf die GmbH anwendbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019, II ZR 364/18). Ein Geschäftsführer bedürfe bei einem derartig bedeutenden Geschäft im Innenverhältnis aber gemäß § 49 Abs. 2 GmbH eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses, selbst wenn die Satzung dies nicht ausdrücklich vorsehe. Zu den formellen Anforderungen an den Gesellschafterbeschluss hat der Senat nicht Stellung genommen.

Missbrauch der Vertretungsmacht

Ein Missbrauch der Vertretungsmacht könne vorliegen, wenn der Vertreter offensichtlich außerhalb seiner Vertretungsmacht handele. Einem verständigen Vertragspartner müsse klar sein, dass ein Geschäftsführer seine GmbH nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen könne. Die Frage nach einer Rückversicherung bei den Gesellschaftern dränge sich dann auf.

Im vorliegenden Fall war streitig, ob der den Kaufvertrag beurkundende Notar ausdrücklich dahingehend (falsch) beraten hatte, dass ein legitimierender Gesellschafterbeschluss entbehrlich sei, so dass der Käufer sich darauf habe verlassen dürfen. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Reichweite des Rechtsscheins des Handelsregisters

Für die Verkäufer-GmbH handelte hier ihr ehemaliger Geschäftsführer, der kurz vor Vertragsschluss abberufen worden war, aber noch im Handelsregister eingetragen war. Der Senat führt aus, dass die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheins des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 HGB anwendbar seien. Der Vertragspartner dürfe sich auf den Handelsregistereintrag berufen, selbst wenn ihm bekannt sei, dass ein streitiger Abberufungsbeschluss gefasst wurde. Eine Nachforschungspflicht bestehe nicht.

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