Progressionsvorbehalt und ausländische Betriebsstätte - die ewige Geschichte geht weiter (BFH v. 11.10.2023 - I R 53/20)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 15.02.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|3044 Aufrufe

„Von hinten durch die Brust ins Auge“ – so fühlen sich die Schlangenlinien an, die der Gesetzgeber beim Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) fährt. Steuerfreie Einkünfte können im Wesentlichen bei natürlichen Personen, die zumindest zeitweise unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, zu Veränderungen im anwendbaren Steuersatz führen: § 32a EStG gilt nur „vorbehaltlich“ u.a. des § 32b EStG (§ 32a Abs. 1 Satz 2 EStG).

Neben zahlreichen inländischen Ersatzleistungen – wie etwa Arbeitslosengeld – führen vor allem „Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind“ (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) zu dieser Rechtsfolge. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Freistellung bereits aus der Zuteilungsnorm oder aus dem Methodenartikel folgt (BFH v. 14.7.2010 – X R 37/08, BeckRS 2010, 24004149, Rz. 20). Daneben sind auch „Umzugsfälle“ (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) sowie u.a. Fälle der antragsgebundenen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG) umfasst.

Allerdings gibt es bei § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG eine Ausnahme, deren Formulierung durchaus herausfordernd ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG; „misslungener Wortlaut“, Brandis/Heuermann/Wagner EStG § 32b Rn. 67): Danach gilt Satz 1 Nr. 3 des § 32b Abs. 1 EStG nicht für Einkünfte, die u.a. aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt, bezogen werden. Vor lauter Negationen wird dem Anwender hier schwindelig. Einfacher gewendet sagt die Regel: Betriebsstätten in Drittstaaten sind aus der Ausnahme vom Progressionsvorbehalt insgesamt „raus“ – ebenso wie aktiv tätige Betriebsstätten in der EU/dem EWR.

Die Kläger im Revisionsverfahren I R 53/20 bekamen einen positiven Progressionsvorbehalt aus nach dem DBA Österreich 2000 steuerfreien Einkünften zu spüren (BFH v. 11.10.2023 - I R 53/20; Streitjahr 2015; Beschluss nach § 126a FGO). Im Streitfall waren Einkünfte aus einer österreichischen KG, die den Betrieb eines Skilifts zum Gegenstand hatte, nach dem Methodenartikel des DBA freigestellt. Allerdings war die nur mittelbare Förderung des Fremdenverkehrs nicht ausreichend, um diese Einkünfte zu „passiven“ im Sinne des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG zu machen – und damit aus dem Progressionsvorbehalt auszuschließen.

Die Folgewirkungen des (positiven) Progressionsvorbehalts für diese Einkünfte hat der BFH mit Blick u.a. auf die Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) in seinem Beschluss (§ 126a FGO) für verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich gehalten. Noch schwieriger wird die Beurteilung, wenn negative Einkünfte nach dem DBA steuerfrei sind (z.B. BFH v. 25.11.2014 – I R 84/13, BeckRS 2015, 94492; H 2a EStH, „Allgemeines“; H 32b EStH, „Ausländische Verluste“) – wenigstens das ist den Beteiligten des Verfahrens erspart geblieben…

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