WEG-Reform: Werkstattbericht VII (Bauträger-Tsunami im Verfahrensrecht?)

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 02.05.2020
Rechtsgebiete: Miet- und WEG-RechtZivilverfahrensrecht|2378 Aufrufe

Die Bundesregierung hat am 23.3.2020 ihren Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) vorgelegt.

Nach dem Entwurf soll die Möglichkeit entfallen, Rechte der Wohnungseigentümer zu vergemeinschaften. Im Bauträgerrecht betrifft dies die Mängelrechte, die nicht als originär gemeinschaftsbezogen angesehen werden. Im Entwurf heißt es auf Seite 68 insoweit wie folgt: "Die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Beschlussfassung bestimmte Mängelrechte ausüben kann (zusammenfassend BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05 Randnummern 15 ff.), lässt der Entwurf unberührt. Denn diese Rechtsprechung beruht nicht auf dem geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3, sondern ist schon zur Rechtslage vor der WEG-Novelle 2007 entwickelt worden. Die Streichung der gekorenen Ausübungsbefugnis nach dem geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3 Halbsatz 2 hat daher keine Auswirkungen. Soweit in anderen Fällen Rechte eines Wohnungseigentümers durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt werden sollen, ist das ebenfalls nur noch nach allgemeinen Regeln möglich (zum Beispiel durch Übertragung des Rechts oder Einräumung einer Prozessstandschaft)."

Insoweit soll eine prozessuale Frage gestellt werden, deren Prämisse es ist, dass die Mängelrechte nach § 9a Abs. 2 WEG überwiegend nicht von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt werden. Dazu ein Fall: Die Wohnungseigentümer vergemeinschaften ihre Mängelrechte im Sommer 2020. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhebt auf dieser Grundlage Klage gegen den Bauträger. Die Klage wird zugestellt. Kurz danach tritt die WEG-Reform in Kraft. Kann dann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch auf Basis des Vergemeinschaftungsbeschlusses handeln?

Dies ist die Frage danach, was bei den Beschlusskompetenzen gilt, die das neue WEG-Recht nicht kennt. Was gilt insoweit?

These 1. Wenn die Wohnungseigentümer Beschlüsse auf Grundlage von Beschlusskompetenzen gefasst haben, die ihnen das bis dahin geltende WEG einräumte, die aber nicht mehr bestehen, können sich Maßnahmen in der Zukunft darauf nicht mehr stützen (BT-Drs. 168/20, 49, 52, 66).

These 2. Soweit die Beschlüsse die Rechtsgrundlage für bereits bestehende Rechtsgeschäfte oder Realhandlungen bilden, ändert sich nichts. Insoweit gilt der Grundsatz, dass für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts die bei seinem Abschluss bestehenden Regeln und Umstände maßgeblich sind, weil Wirksamkeitshindernisse von den Parteien nur in diesem Zeitpunkt beachtet werden können. Soweit die Beschlüsse bereits gefasst worden waren, auf ihnen aber noch keine Maßnahme fußt, ist das WEG in seiner geltenden Fassung hingegen jeweils als ein gesetzliches Verbot zu verstehen (BT-Drs. 168/20, 49, 52, 66; aA Becker/Schneider ZfIR 2020, 281 (298)). Folge. Auf Beschlüsse, mit denen die Wohnungseigentümer Rechte oder/und Pflichten vergemeinschaftet und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausführung/Ausübung nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Hs. 2 WEG a.F. zugewiesen haben, können keine weiteren Maßnahmen gestützt werden bzw. nur die Minderung und der kleine Schadenersatz. Dies betrifft im Grundsatz alle laufenden Bauträgerfälle. Zwar ist die Klageerhebung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht zu beanstanden. Diese kann sich nach Inkraftreten der WEG-Reform aber künftig nicht mehr zu den Rechten der Wohnungseigentümer erklären. Denn das sind neue Rechtsgeschäfte.

Was ist zu tun? Man meint, das Vorstehende ist Unsinn und beruft sich noch jahrelang und für künftige Rechtsgeschäfte auf die Vergemeinschaftung. Wie geht das? Man erklärt die künftigen Rechtsgeschäfte für alte. Man meint, das Vorstehende ist kein Unsinn. Der Prozessanwalt kann dann versuchen, bei den Wohnungseigentümern Ermächtigungen für eine Standschaft oder - besser - Abtretungen einzusammeln. Oder er erklärt, ist das Ziel nicht Minderung/kleiner Schadenersatz, die laufende Klage für erledigt oder es muss zu einem Parteiwechsel kommen (insoweit ist wohl der Parteiwechsel zu bevorzugen, da die Frage, ob die Klage den Ablauf der Verjährung hemmte, zwar wohl zu bejahen ist, man das aber auch anders sehen kann). Der vorsichtige Prozessanwalt berät sich ggf. mit seiner Mandantin, was wohl richtig ist?

Im Übrigen. Das Problem stellt sich auch bei §§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 7, 27 Abs. 2 Nr. 3, 27 Abs. 3 Satz 3, 45 Abs. 2 Satz 1 WEG a.F.

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