LG Wuppertal kocht bei Rückstellungen für Rücknahmeverpflichtungen mit

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 31.01.2020

Die Bemessung der Rückstellungen für evtl. Rücknahmeverpflichtungen gegenüber Verbrauchern (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) gehört zu den schwierigen Ermessensentscheidungen bei der Jahresabschlusserstellung. Eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal im Verbraucherrecht kann teilweise Entlastung schaffen. Allein der nicht angekündigte Modellwechsel kurz nach dem Kauf berechtigt Verbraucher nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag, entschied das LG in einem Urteil vom 09.01.2020 – 9 S 179/19. In der Berufungsentscheidung bestätigte das Landgericht damit die Entscheidung des Amtsgerichts Wuppertal – 32 C 159/19. Einen Anspruch auf Rückabwicklung bestünde selbst bei hochpreisigen, langlebigen Konsumgütern mit einem hohen emotionalen Wert nicht.

Eine Verbraucherin hatte am 16. Januar 2019 einen Thermomix TM5 für 1.299 € gekauft. Eineinhalb Monate später kündigte Vorwerk öffentlichkeitswirksam das Nachfolgemodell TM6 mit größerem Display und deutlich erweiterten Kochfunktionen an. Die Verbraucherin fühlte sich angesichts fehlenden Hinweises in der Verkaufsveranstaltung getäuscht. Sie wollte den Vertrag rückabwickeln.

Die Verbraucherin habe keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses wegen schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten gemäß §§ 241, 311, 280, 281 BGB. Auch sei durch das neue Modell die Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB nicht weggefallen. Denn es bestehe keine Aufklärungspflicht über mögliche Modellwechsel - auch bei Geräten mit einem verhältnismäßig hohen Preis und längerer Lebensdauer. Möglicherweise habe die Käuferin stillschweigend vorausgesetzt, dass das gekaufte Modell das neueste und beste sei. Aber, so die Richter in Wuppertal, es sei für den Verkäufer nicht erkennbar wesentliche Vertragsgrundlage geworden. Somit könne dies auch kein Bestandteil der Geschäftsgrundlage sein.

Die Konsequenz für die Bemessung der Rückstellung für Rücknahmeverpflichtungen: wenn kein Rechtsanspruch auf Rücknahme besteht, ist die Rückstellung niedriger zu bemessen. Es bleibt aber die schwierige betriebswirtschaftliche Entscheidung: Nimmt das Unternehmen auf Kulanzbasis zurück? Denn dann bleibt es aufgrund der wirtschaftlichen Verursachung bei der Pflicht zur Bildung einer Rückstellung (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB).

Die betriebswirtschaftliche Problematik: Rasch folgende Modellwechsel, vom Hersteller oft öffentlichkeitswirksam angekündigt, stellen eine große Herausforderung für Vertriebsorganisationen dar. Denn ihr Kunde ist enttäuscht, wird gegebenenfalls kein zweites Mal kaufen. Rein rechtlich ist die Angelegenheit nach der Entscheidung des LG Wuppertal eindeutig: es besteht kein Anspruch auf Rückabwicklung. Betriebswirtschaftlich wird es eine Einzelfallentscheidung bleiben. Es gilt die Kosten der Rückabwicklung gegen mögliche Verluste künftiger Umsätze abzuwägen. Bei langlebigen, hochpreisigen Konsumgütern wie einem Thermomix ist wohl davon auszugehen, dass diese ‚nur einmal im Leben‘ gekauft werden. Selbst, wenn die Kunden mit einem „Dann kauf ich nicht mehr hier!“ drohen, wird kein Umsatzverlust drohen. Bei Stammkunden wird sich der Verkäufer kulanter zeigen müssen. Wenn der Kunde bisher seine gesamte Elektronikausstattung oder den kompletten Kleiderschrank beim gleichen Händler kauft, wird wohl eher ein Preisnachlass oder eine Rückabwicklung in Betracht kommen.

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