Sachsen-Anhalt startet E-Examen – "Wir zünden die erste Stufe"

von Tobias Fülbeck, veröffentlicht am 12.03.2019
Rechtsgebiete: Weitere Themen2|14827 Aufrufe
E-Examen in Sachsen-Anhalt

Kein Aprilscherz: Ab 1. April startet in Sachsen-Anhalt das E-Examen. „Das Ende der Sauklaue“, titelte die NJW – und auch die Reaktionen in den Beck’schen Social-Media-Kanälen waren überwiegend positiv. „Ich bin dann auf dem Weg nach Sachsen-Anhalt“, schrieb ein Nutzer. „Endlich wird das Examen entstaubt“, ein anderer. Zwei Referendarinnen seien aufgrund der Berichterstattung sogar aus Süddeutschland nach Sachsen-Anhalt gewechselt, berichtet Ralf Burgdorf, Präsident des Landesjustizprüfungsamts in Magdeburg.

Kurz vor dem Start – und nach drei erfolgreichen Testläufen – ist der Chefprüfer optimistisch, dass der E-Examen-Härtetest im Zweiten Staatsexamen reibungslos funktioniert. „Wir haben nicht den geringsten Zweifel. Wir werden weitermachen und nichts mehr zurückdrehen. Andere Länder, die ähnlich klein sind wie Sachsen-Anhalt, können so etwas auch auf die Beine stellen.“ Burgdorf hat mittlerweile bereits das nächste Etappenziel ausgerufen: „Ich hoffe, dass wir das E-Examen relativ zügig auch im Ersten Staatsexamen anbieten können.“

„Rechtschreibung ist Bestandteil der Prüfung“

Schon die Nachfrage im Zweiten Staatsexamen ist groß. 93 Prozent der Kandidaten haben sich für die Klausur am Laptop entschieden. „Die Referendarinnen und Referendare sind froh, dass sie jetzt eine lesbare Schrift produzieren und ihre Arbeiten besser vorab gliedern können. Außerdem schreiben sie sich bei acht Klausuren in zwölf Kalendertagen nicht mehr die Finger wund“, so Burgdorf.

Sehnenscheidenentzündung und Sauklaue adé, geräuschloses Tippen und Schriftart Arial olé. Bei so viel Euphorie gab es bei den Kandidaten aber auch einen Wermutstropfen. Manche fragten sich: Wo, bitte schön, ist auf dem Klausurlaptop das Rechtschreibprogramm?  „Das gibt es ganz bewusst nicht“, klärt Burgdorf auf. „Rechtschreibung ist Bestandteil der Prüfung. Die deutsche Sprache ist das einzige und das wichtigste Medium, das ein angehender Jurist hat und das müssen die Kandidaten beherrschen – und zwar besser als andere Akademiker.“

Beim E-Examen-Startschuss stehen Gesetzessammlungen und Kommentare weiter auf den Tischen. Blickschutzfolien und Trennwände sollen Schummelversuche verhindern. Die am Laptop geschriebenen Klausuren werden später ausgedruckt und schriftlich kontrolliert. Das Ganze ist also gewissermaßen ein E-Examen light. „Wir zünden die erste Stufe“, sagt Burgdorf.

Nächster Schritt: Digitale Hilfsmittel?

Doch Burgdorfs Vision geht weit über den April 2019 hinaus. Sein Ziel ist die vollelektronische Klausur mit digitalen Hilfsmittelversionen, Zugang zu juristischen Datenbanken und einer Online-Korrektur der Klausur.

„Dazu“, betont Burgdorf, „ist jedoch eine Anpassung des Deutschen Richtergesetzes nötig. Dieses Thema wird die Prüfungsämter weiter beschäftigen.“

Ein E-Examen Stufe zwei würde darüber hinaus viele weitere Fragen nach sich ziehen. Werden pro Kandidat dann drei Bildschirme benötigt? Ein Bildschirm mit der Klausur, ein Bildschirm mit dem Textbearbeitungsprogramm, ein Bildschirm mit den digitalen Hilfsmitteln? Falls ja, wer bezahlt das? Wie viel Platz erfordert das? Müssen dann selbst in Sachsen-Anhalt mit einer überschaubaren Anzahl von Kandidaten Stadthallen für Prüfungen gebucht werden?

Alles Zukunftsmusik, keine Frage. Zumal die Kandidaten zwar am Laptop tippen wollen, aber bei weiteren Innovationen eher zurückhaltend sind. „Wir haben die Kandidaten gefragt, wie sie zu digitalen Hilfsmitteln im Examen stehen“, berichtet Burgdorf von einer Feedbackrunde. „Viele würden gerne die gewohnten Textausgaben in Papierform behalten.“

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

"Sehnenscheidenentzündung und Sauklaue adé": Ich bin seit Jahren als Anwalt tätig und kann wegen meiner Sehnenscheiden nur noch mit Spracherkennung arbeiten. Beim Tippen würde mir sehr schnell übel. Würde das als Behinderung anerkannt und zu Erleichterungen führen? Ich bin sehr froh, dass sich mir diese Frage nicht mehr ernsthaft stellt....

Abgesehen davon kann mit Spracherkennung ohenhin schneller, ermüdungsfreier und konzentrierter gearbeitet werden. Das steht dann - ausgehend von der bisherigen Entwicklung - wahrscheinlich erst für Prüfungen in zwanzig, dreißig Jahren zur Debatte.

0

Letztlich ist die Entwicklung inklusive „Folgestufen“ im Großen und Ganzen sinnvoll. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Prüfung nicht auf elektronischem Wege leichter manipuliert werden kann z. B. durch das heimliche Aufspielen unerlaubter Hilfsprogramme vor der Prüfung oder externe Eingriffe in die verwendeten PCs (diese sollten also alle komplett Offline sein, was allerdings bei der zukünftigen Verwendung von Datenbanken nicht mehr realisierbar wäre).

 

Von solchen Bedenken (für die allerdings eine Lösung gefunden werden muss!) einmal abgesehen ist ein E-Examen begrüßenswert: Letztlich soll das Examen auf den Berufsalltag vorbereiten und welcher Rechtsanwalt oder Richter arbeitet heute noch ohne PC und elektronische Datenbanken…

 

Ein großer Vorteil von digitalisierten Gesetzeswerken wäre, dass das überaus lästige Nachsortieren von Ergänzungslieferungen wegfallen würde. Wenn ich da an die hunderten von Stunden, die ich vor den Examina damit zubringen musste, zurückdenke, kommt wirklich keine Freude auf. Vor allem wenn dann kurz vor dem Examen noch mal eben, die neue EL zum Steuerecht erschien, die stundenlanges Einsortieren versprach und den Stresspegel vor dem Examen nicht gerade senkte….

 

Kommentar hinzufügen