Auskunftsrechte des Genussrechtsinhabers

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 28.11.2016

Der Anspruch auf Rechenschaft nach § 259 BGB, so sagte ein Rechtsanwalt einmal dem Verfasser, sei "der dümmste aller möglichen". Zum einen wisse niemand, wie weit der Anspruch gehe, zum anderen: was dann, wenn der Berechtigte weiß, dass er 'hinters Licht geführt' wurde?

Zum entschiedenen Fall (BGH, Urteil v. 14.06.2016 - II ZR 121/15): Eine Investorin hatte zwei Millionen Euro in Namens-Genussscheine einer Aktiengesellschaft mit dem Versprechen einer Verzinsung von 7% gezeichnet, wenn kein Bilanzverlust entstehe. Die ersten sieben Jahre wurden die Zinsen bezahlt, dann gab es zwei Jahre lang keine Zinsen. Im Jahr 3 wurden bei ausgeglichenem Ergebnis zwei Euro-Cent (sic!) bezahlt, in 2012 gab es wieder Zinsen und die Rückzahlung des Kapitals.
Die Investorin klagte auf Rechenschaft nach § 259 BGB. Sie wolle überprüfen, ob die Drohverlustrückstellungen richtig gebildet sein, und - da ist die Sachverhaltsdarstellung im Urteil für den Bilanzrechtler unscharf - sie wolle "Rechenschaft über die in den Jahren 2009 bis 2011 vorgenommenen Einzel- und Pauschalwertberichtigungen für den erhöhten Vorsorgebedarf sowie über vorgenommene Rückstellungen, soweit sie in der Bilanz unter sonstige Rückstellungen eingeflossen sind" (so zitiert der BGH das vorhergehende Urteil des Landgericht Frankfurt am Main vom 21.07.2014 - 2-2 O 74/13).

Der BGH entschied:

  1. Auch die Genussrechtsinhaber haben einen Anspruch auf "Rechenschaftslegung in der Mitteilung des Jahresabschlusses" (Leitsatz a)), gemeint ist wohl die Vorlage eines Jahresabschlusses. Für einen solchen Anspruch hätte es aber wohl keines Prozesses durch drei Instanzen bedurft. Denn der Jahresabschluss der beklagten "Deutschen S. AG" unterliegt grundsätzlich der Pflicht zur Offenlegung gemäß § 325 ff. HGB. Entsprechende Kenntnisse in der Lektüre und der Interpretation des Anhangs (§§ 284 ff. HGB) vorausgesetzt, sollten sich die Grundlagen der Bewertung von Rückstellungen und wie auch immer definierte "Wertberichtigungen" erkennen lassen.
  2. "Ein weitergehender Auskunftsanspruch zu einzelnen Bilanzpositionen kann bei dem begründeten Verdacht eines rechtsmissbräuchlichen oder eines gezielt den Interessen der Genussscheininhaber zuwider laufenden Verhaltens der Aktiengesellschaft bestehen." (Leitsatz b))
  3. Hinzunehmen sei jedoch "zulässige Ausübung von Gestaltungsspielräumen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses wie auch beim Gewinnverwendungsbeschluss" (ebenfalls Leitsatz b)). Wenn es sich - wie dem Tatbestand zu entnehmen - um die Passivierung einer Drohverlustrückstellung handelt, dann ist der Begriff 'Gestaltungsspielraum' falsch. Denn die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist eine passivierungspflichtige sonstige Rückstellung (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Auch bei der Bewertung von Forderungen, Rückstellungen oder was auch immer "wertberichtigt" wurde, lässt sich nichts gestalten. Vielmehr ist das Leitbild der Bewertung nach HGB die "vernünftige kaufmännische Beurteilung".

Was lernen wir aus dem Urteil?

  1. Der Investor kann bei der Auswahl eines Investments nicht vernünftig genug sein.
  2. Wer Kenntnisse im Bilanzrecht hat, ist klar im Vorteil.
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2 Kommentare

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gemeint ist wohl die Vorlage eines Jahresabschlusses. Für einen solchen Anspruch hätte es aber wohl keines Prozesses durch drei Instanzen bedurft.

Genau deshalb hat die Investorin ihren konkreten Rechtsstreit verloren:
Der Jahresabschluss ist ihr mitgeteilt worden, so dass wegen Erfüllung kein Rechenschaftslegungsanspruch mehr besteht.
BGH, U. v. 14.6.2016 - II ZR 121/15, Rn. 9

Warum die durch welchen Bilanzrechtler/Steuerberater auch immer vertretene Investorin das nicht erkannt hat und den Streit durch drei Instanzen trieb, weiss nur die Investorin und ihr Steuerberater.

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