"Toiletten-Trinkgeld", nächste Runde: Rechtsverfolgungskosten des Betriebsrats
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Bereits mehrfach haben Markus Stoffels und ich hier im Blog (25.1.2014 und 28.4.2014) über Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Trinkgeld berichtet, das Toilettenbesucher eines großen Oberhausener Einkaufszentrums freiwillig entrichteten. Gelernt habe zumindest ich dabei, dass es in dieser Branche den Beruf der "Sitzerin" gibt, die gar nicht die Toiletten reinigt, sondern nur den Trinkgeld-Teller bewacht und dafür sorgt, dass dieser immer nur ein paar Münzen aufweist.
Neben den individualrechtlichen Streitigkeiten um die Verteilung des Trinkgeldes zwischen der Arbeitgeberin einerseits und den Reinigungskräften und Sitzerinnen andererseits hatte sich zwischenzeitlich auch der Betriebsrat eingeschaltet und mehrere Beschlussverfahren bei dem (für den Sitz des Reinigungsunternehmens zuständigen) ArbG Gelsenkirchen anhängig gemacht. Die Arbeitgeberin weigerte sich, die Kosten des vom Betriebsrat beauftragten Rechtsanwalts zu übernehmen, weil diese nicht erforderlich gewesen und daher von ihr nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen seien. Diesen Standpunkt hat das LAG Hamm in einem jetzt veröffentlichen Beschluss geteilt:
Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 18.03.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954; 18.07.2012 – 7 ABR 23/11; 18.01.2012 – 7 ABR 83/10; 29.07.2009 – 7ABR 95/07) können auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig sein, wenn der Betriebsrat die Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Dabei ist der Betriebsrat allerdings gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Er darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostentragungspflicht nicht außer Acht lassen. Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder verpflichtet wären. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt namentlich bei einer offensichtlich aussichtslosen Rechtsverfolgung des Betriebsrates. Davon ist auszugehen, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrates führen muss.
Nach diesen Maßstäben scheidet hier eine Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin aus.
Insoweit folgt die Beschwerdekammer den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung unter II. 2. c der Gründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
In ihrem Schriftsatz vom 13.11.2014, S. 3, führen die Antragsteller selbst aus, dass seit Anfang 2014 der Aushang (wieder) angebracht gewesen sei, wonach der von den Gästen der Toilettenanlagen gewährte Obolus ausschließlich der Arbeitgeberin zufließt. Darauf wurde der Betriebsrat auch mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 29.01.2014 unmissverständlich hingewiesen. Wenn daraufhin der Betriebsrat nur ein paar Tage später am 03.02.2014 trotzdem noch den Beschluss fasste, wegen vereinnahmter Trinkgelder letztlich ein Einigungsstellenbesetzungsverfahren einzuleiten, konnte dieses Rechtsschutzziel ersichtlich von Anfang an keinen Erfolg haben. Ein Trinkgeld zeichnet sich nämlich begrifflich dadurch aus, dass es sich um eine Zahlung an einen Arbeitnehmer handelt (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GewO). Nach der erfolgten Klarstellung konnte davon ab Anfang 2014 – anders als möglicherweise im Zeitraum davor, zu dem sich die Individualrechtsstreitigkeiten verhalten haben – ersichtlich nicht mehr ausgegangen werden. Dementsprechend bestand insoweit für den Betriebsrat keinerlei Anknüpfungspunkt (mehr) für die Geltendmachung von Mitbestimmungsrechten.
LAG Hamm, Beschluss vom 7.8.2015 - 13 TaBV 18/15, BeckRS 2015, 72704