Kriminalstatistik und Unternehmenspolitik der Bahn AG
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Dass die polizeiliche Kriminalstatistik kein getreues oder wenigstens proportionales Abbild der Gesamtkriminalität bietet, habe ich hier im blog schon gelegentlich ausgeführt. Auch dass "Schwarzfahren" m. E. kein kriminelles Unrecht ist, sondern möglicherweise eine Nutzung der von der Allgemeinheit bezahlten Strafjustiz für Zwecke des ökonomisch erwünschten Verzichts auf Zugangskontrollen, war schon Thema. Nun wird der Zusammenhang sogar von Spiegel Online (sonst in Fragen der Kriminalstatistik mit an vorderster Stelle, wenn es um wirklichkeitsferne Darstellung geht) thematisiert: Aufgrund einer neuen Unternehmenspolitik der Bahn drohe ein Anstieg der Kriminalstatistik um bis zu 10 %. Künftig solle nämlich jeder "Schwarzfahrer" gleich (und nicht wie bisher erst beim dritten Mal) angezeigt werden. Damit ist wohl gemeint, auch diejenigen, die möglicherweise einfach nur den Fahrschein zuhause vergessen haben. Auch § 265 a StGB setzt aber Vorsatz voraus. Da dieser kaum nachzuweisen ist, werden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft meist eingestellt. Der Kriminalstatistik ist das egal - jede angezeigte Tat wird gezählt. Und da bei diesen "Schwarzfahr"-Anzeigen jedes Mal ein Tatverdächtiger mitgeliefert wird, freut sich auch die Polizei: Denn damit steigt auch die so genannte Aufklärungsquote - ein weiterer Begriff der Kriminalstatistik, der nicht ganz das bedeutet, was er vorgibt.