...warum auch das OLG Dresden mit Beweisverwertungsverbot bei polizeilicher Blutprobenentnahme kein Problem hat!
Gespeichert von Carsten Krumm am
Das OLG Dresden hat in einem Allerweltsfall einer Trunkenheitsfahrt (8.34 Uhr, 1,34 Promille) die Annahme eines Beweisverwertungsverbots bei polizeilich angeordneter Blutprobenentnahme durch den Tatrichter "gehalten" (ich hatte auf die Entscheidung des OLG Dresden in dem letzten Beitrag zu diesem Thema hingewiesen). Den Volltext der Entscheidung (OLG Dresden, Urteil vom 11.05.2009 - 1 Ss 90/09) findet man hier. Aus den Entscheidungsgründen auszugsweise:
Zur Anordnung der Blutentnahme hat es festgestellt, diese nicht durch einen Richter, sondern durch ermittelnden Polizeibeamten erfolgt sei. Diese hätten in der Hauptverhandlung übereinstimmend angegeben, "sie würden grundsätzlich nie auch nur versuchen, einen Richter zu erreichen, weil sie es schon immer so gemacht hätten". Die Blutentnahme sei bei der Angeklagten am Tattag um 8.07 Uhr durchgeführt worden und habe einen BAK-Wert von 1,34 Promille ergeben. Die Frage, ob sie nach dem Vorfall Alkohol zu sich genommen habe, habe die Angeklagte - ausweislich des Protokolls und Antrags zur Feststellung des Alkohols im Blut - verneint. In die Blutentnahme habe sie nicht eingewilligt und in der Hauptverhandlung der Verwertung des Blutalkoholgutachtens widersprochen.
Aufgrund dieser Feststellungen sind die Voraussetzungen eines Verbots der Verwertung eins nach § 81 a Abs. 2 StPO rechtswidrig erhobenen Beweises ausreichend dargelegt. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für "Gefahr im Verzug" hier nicht vorlagen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass ein Rechtssatz dahingehend, dass bei Straftaten unter Alkoholeinfluss generell - ohne Berücksichtigung des Schutzzweckes des Richtervorbehalts im konkreten Einzelfall - von einer Gefährdung des Untersuchungserfolges im Sinne des § 81 a Abs. 2 StPO und damit dem Vorliegen von Gefahr im Verzug ausgegangen werden könne, nicht existiert . Die Annahme einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss vielmehr jeweils im Einzelfall. mit Tatsachen belegt werden. Dabei ist davon auszugehen, dass wegen der grundrechtssichernden Schutzfunktion des Richtervorbehalts der Begriff der "Gefahr im Verzug" eng auszulegen ist.
Das Amtsgericht ist weiter rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass vorliegend die Vorschrift des 81 a Abs. 2 StPO "völlig missachtet" wurde, "gerade so, als ob die Vorschrift", "welche beiden Polizeibeamten bekannt war, gar nicht existierte"; "eine irgendwie geartete Überlegung dazu, ob die Anordnung der konkreten Fall nicht vielleicht einem Richter und nicht den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft zustehen könnte, sei überhaupt nicht angestellt worden. Die Annahme des Tatrichters, die Polizeibeamten hätten den Richtervorbehalt des StPO bewusst ignoriert und damit das Vorliegen von Gefahr im Verzug willkürlich angenommen, ist deshalb nicht zu beanstanden.
Das Verhalten der Polizeibeamten stellt einen groben Verstoß gegen das Gebot, den Richtervorbehalt einzuhalten, dar. Unter Zugrundelegung der obergerichtlichen Rechtsprechung zu vergleichbar schweren Verstößen, ist die Annahme eines Verbots der Verwertung rechtswidrig gewonnener Beweismittel hier gerechtfertigt. Anderenfalls könnte der Richtervorbehalt willkürlich ausgehebelt und letztendlich sinnlos gemacht werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Ermittlungsrichter einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde ein wesentliches Erfordernis eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen.
Anhaltspunkte, dass die Polizeibeamten von einer irrtümlichen Fehleinschätzung bzw. Fehlinterpretation des Begriffs "Gefahr im Verzug" bzw. der Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung des Verfahrens ausgegangen sind, existieren angesichts der eindeutigen Aussagen der Polizeibeamten in der Hauptverhandlung nicht. Ein Fall, in dem trotz Verstoßes gegen eine Beweiserhebungsvorschrift kein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, liegt damit nicht vor.
Es ist darauf hinzuweisen, dass das OLG Dresden anders als das OLG Hamm (siehe: SENSATION! OLG Hamm bejaht Beweisverwertungsverbot nach polizeilich angeordneter Blutprobe) nicht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen hat. Offenbar hat es andere Möglichkeiten der Aufklärung einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nicht gesehen oder nicht sehen wollen (oder bei einem Blick in die Akte - dies wäre natürlich in der Revision nicht richtig - angesichts der Aktenlage nicht für erfolgsversprechend angesehen). Der Kollege des Amtsgerichts wird sicher dankbar sein!
Wer weiteres zu dem Thema lesen möchte:
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