"Fiese" Fragen zur Blutprobenentnahme: Was steht für Polizisten und Ärzte auf dem Spiel?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.05.2009

Mehrere Blogbeiträge haben sich bereits mit dem Problem der polizeilich (oder staatsanwaltschaftlich) angeordneten Blutprobenentnahme beschäftigt (z.B.  SENSATION! OLG Hamm bejaht Beweisverwertungsverbot nach polizeilich angeordneter Blutprobe; Beweisverwertungsverbot nach Blutprobenentnahme - Sollte der Richtervorbehalt nicht besser abgeschafft werden?). Nun soll es einmal um das Risiko der Ärzte und der Polizisten bei der Blutprobenentnahme gehen.

Ich hatte in ZRP 2009, 71 ff. auf diese Problematik hingewiesen: Für die Polizei ist nicht das uns im Blog meist interessierende Beweisverwertungsverbot entscheidend sondern vielmehr die Frage, ob die durchgeführte Diensthandlung (Anordnung der Blutprobenennahme) rechtmäßig ist. Ansonsten drohen Verfahren wegen Nötigung, Körperverletzung pp., die möglicherweise aus prozesstaktischen Gründen von Verteidigern der Trunkenheitsfahrer forciert werden. Entsprechend sieht dies für Ärzte aus, die nur aufgrund der rechtmäßigen polizeilichen Blutprobenentahmeanordnung den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung abwenden können. Können sich angesichts der "wackeligen Rechtsprechung" zur Frage des Richtervorbehalts bei Blutprobenennahme überhaupt sicher sein, ob ihr Verhalten rechtmäßig ist, selbst wenn Sie dies zur Zeit ihres Tuns glauben? Können Sie sich dann also vielleicht zumindest auf einen Verbotsirrtum berufen? Und wie ist es mit dem Fall des widerspenstigen Fahrers, der sich gegen den Arzt und mehrere Polizeibeamte, die bei einer Blutprobenentnahme (deren Rechtswidrigkeit sich vielleicht später rausstellt) zur Wehr setzt und an die Dienstwaffe eines der Beamten gelangt und schießt? Handelt der in Notwehr und ist am Ende straflos? 

Sie sehen: Lauter "fiese Fragen"...gibt`s Leser, die Antworten wissen?

 

Zusatz: Es soll nun eine Entscheidung des OLG Dresden vom 11.05.2009 -1 Ss 90/09 geben, in der auch das Beweisverwertungsverbot bejaht wurde. Der Text liegt mir leider noch nicht vor.

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35 Kommentare

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Ich habe nur noch weitere fiese Fragen hinzuzufügen:

http://www.main-spitze.de/region/ruesselsheim/6809397.htm

Nach "freiwilliger DNA-Probe" sind die drei welche lebend im inland noch übrig sind und nicht freiwillig abgegeben haben nun offiziell des Mordes Beschuldigte und werden zwangsweise via richterlichem Beschluß dazu gezwungen.

Da geht es dann nicht mehr alleine um Beweisverwertungsverbot sondern gleich um die Abschaffung der Unschuldsvermutung. Vom Sinn des Richtervorbehaltes einmal abgesehen.

 

Grüße

ALOA

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Ehrlich gesagt verstehe ich den ganzen Aufstand nicht ganz.

Was bitte ist für die Polizeibeamten denn so derart schlimm oder aufwendig daran, vor Abnahme einer Blutprobe den zuständigen Richter anzurufen und sich die Genehmigung dafür einzuholen? Wofür haben wir denn die Notdienste und Bereitschaftsrichter? Und wozu haben Rechtsprechung und Wissenschaft denn die Methoden der Rückrechnung überhaupt entwickelt und eingeführt, wenn fröhlich nach Gutdünken jeder Beamte die Blutabnahme wegen angeblicher "Gefahr im Verzug" anordnen kann?

Auch sieht das Gesetz doch eine Ahndung etwaiger Trunkenheitsfahrten auf Grundlage der Atemalkoholkonzentration vor, wenn das einzig zugelassene Gerät verwendet wird. Wozu dann überhaupt noch eine Blutprobe? Bei Ausstattung aller Wachen mit einem solchen Gerät wäre die ganze Diskussion obsolet.

Die Frage der Verunsicherung der Polizeibeamten kann man doch leicht beantworten: von jedem Bürger unseres Staates wird verlangt, dass er sich notfalls rechtskundig machen muss, wenn er sich über die Konsequenzen seines Handelns nicht sicher ist. Von jedem Berufskraftfahrer wird erwartet, dass er die komplizierten Regeln über Lenkzeiten etc. kennt, die im Gesetzestext doch sehr umständlich und schwer verständlich festgelegt sind. Also kann auch und grade von Polizeibeamten und Ärzten verlangt werden, dass sie sich bei Unsicherheiten kundig machen und eben die richterliche Genehmigung einholen.

 

Wie Larifari hier manchmal auch von den Ärzten gearbeitet wird, zeigt doch die Praxis. Blutabnahmeprotokoll des Arztes: alle Fragen mit "sicher" oder "beherrscht" usw. angekreuzt, sprich der Betroffene ist völlig unauffällig und trotzdem wird angekreuzt, der Delinquent stünde "deutlich" unter Alkohol. Ist doch lachhaft, seien wir ehrlich!

Ich kann mich beim Verfolgen der Beiträge einiger Personen in den diversen Foren zu diesem Thema (damit sind jetzt nicht Sie gemeint, Herr Krumm) des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier gar nicht um juristische Probleme geht, sondern man Spitzfindigkeiten vorschiebt, um schlicht so weiter zu machen wie bisher, das machte nämlich am wenigsten Arbeit. Die Aussage eines "Bereitschaftsrichters" in einem anderen Blog geht jedenfalls in diese Richtung, wenn er sich mokiert, die Richter würden dann im Callcenter arbeiten.

Es kann doch nicht sein, dass das Gesetz den Richtervorbehalt vorschreibt, das Bundesverfassungsgericht dies sogar nochmals klarstellt, die ausführenden Organe dies aber offenbar schlichtweg ignorieren oder "wegdiskutieren" und dieses rechtswidrige, zumindest aber bedenkliche Verhalten sogar von den Oberlandesgerichten - mit Ausnahme offenbar des OLG Hamm - auch noch sanktionslos geduldet wird. Und dann wird als ultima ration diskutiert, die Norm abzuschaffen, da sich eh keiner dran hält. Wollen wir auch Tempolimits auf Autobahnen abschaffen, weil eh jeder mindestens 20 km/h schneller fährt?

Zur letzten Frage, Herr Krumm: Notwehr ist die Anwendung des angemessenen und geeigneten Mittels zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr. Ein "Umsichballern" dürfte wohl in der von Ihnen geschilderten Situation von keinem Gericht als verhältnismäßig angesehen werden, oder?

Sorry ob der Länge des Beitrags, offenbar musste das mal raus ;-)

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Ich schließe mich dem kritischen Leser (Nr. 2) auf jeden Fall in Hinsicht auf die geforderte Rechtskenntnis an. In Hinsicht auf Polizisten hier weniger zu verlangen wäre blanker Hohn, wenn man bedenkt, dass der (Polizist als) Hoheitsträger an sich noch stärker verpflichtet ist, die Rechtslage zu achten. Vielleicht sei in Zukunft auch einfach zu raten, dass die BEs nicht vorgenommen werden, wenn der Beamte sich nicht sicher ist.

"Ein Beispielfall wäre nett, um das ganze zu vereinfachen: Polizisten A und B halten den C an, bitten um eine Atemalkoholkontrolle, die verweigert wird. Sie erklärem ihm nun, dass sie dann zu einem Arzt verbringen werden, der eine BAK durchführen werde. Ein richterlicher Not- bzw. Bereitschaftsdienst ist eingerichtet und wäre erreichbar, wird jedoch nicht konktaktiert."

Ich nehme nun erstmal an, dass die Anordnung der BAK nicht auf GiV gestützt werden kann. Weigert sich der C nun, sich zu einem Arzt verbringen zu lassen, so werden die Polizisten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gewalt einsetzen bzw. damit drohen (Nötigung und KV im Amt).

"Nun bringen die Polizisten ihn zum Arzt, der nur auf Anweisung der Polizisten dem sich sträubenden C Blut abnimmt."

Der Arzt könnte sich einer GefKV jedenfalls aber einer KV strafbar gemacht haben.

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Egal in welcher Phase sich der C wehrt, werden die Polizisten Gewalt einsetzen. Tatbestandlich kommt man damit immer auf eine KV und ggf. eine Nötigung. Die Frage spielt sich mE maßgeblich auf der Rechtfertigungsebene ab. Durch die fehlende Zuständigkeit und die damit einhergehende Umgehung (rein objektiv gemeint) des Richtervorbehalts ist die Anordnung nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern nichtig. Sie kann daher nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Andere Rechtfertigungen sind mE nicht ersichtlich.

Soweit eine Nötigung vorliegt, kann man ggf. darüber diskutieren, ob die besondere Verfwerflichkeit vielleicht abzulehnen ist. Als Zweck kann man mE noch die legitimen Zwecke annehmen, die tatsächlich Grundlage einer BE sind (Sicherheit und Strafverfolgung). Das Mittel wird schon problematischer. Gewalt ist grundsätzlich ein von der Rechtsordnung mißbilligtes Mittel. Das ändert sich wohl auch nicht, wenn sie - ohne Legitimation - von Hoheitsträgern ausgeübt wird. Die Frage nach Wissen um das Fehlen der Legitimation hat mE nichts im Bereich der Verwerflichkeit zu suchen, bei anderer Ansicht könnte man dies aber hier einbringen und dadurch auch die Verwerflichkeit des Mittels klar ablehnen (im Einzelfall).

Ansonsten wäre noch über einen Erlaubnistatbestandsirrtum nachzudenken, wobei hier mE hohe Anforderungen an Polizisten zu stellen sind. Das führt meiner Erinnerung nach in der Rspr. zu einer analogen Anwendung von § 16 StGB, mit der Folge, dass die Vorsatzschuld entfällt. Die Nötigung wäre daher entschuldigt, die KV nur noch eine fahrlässige.

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Damit wäre der C aber weiterhin zur Notwehr berechtigt. In einer Diskussion mit befreundeten Polizisten wurde mir bestätigt, dass sie notfalls jeden Widerstand mit Gewalt brechen würden (wunder o wunder). Soweit sie zudem in der Mehrheit sind, dürfte der Einsatz von Schußwaffen zur Verteidigung zumindest nicht pauschal ausgeschlossen werden (auch wenn es faktisch nicht klug wäre). Insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit eben kein Kriterium des § 32 StGB, sondern lediglich die Erforderlichkeit. Erst an dieser Stelle sehe ich einen Bedarf, irgendwie regulierend für die Polizisten einzugreifen - allerdings keine Möglichkeit mehr.

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Zur Abschaffung des - in diesem Fall übrigens nicht ausdrücklich vom BVerfG geforderten - Richtervorbehalts kann ich weiterhin nur auf das verweisen, was ich früher geschrieben habe. Der Staat ist nicht in der Lage anständige Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den von ihm zu erhaltenen Rechtsschutz zu gewährleisten. Dann muss er sich selbst und nicht den Rechtsschutz einschränken. Die Strafverfolgung ist aber Interesse des Staates und nicht des Bürgers. Entsprechend hat die Einschränkung in der Strafverfolgung und nicht beim Richtervorbehalt zu erfolgen.

Da soll nicht in dieser Allgemeinheit die Senkung jeglichen Schutzniveaus verhindern. Bei Vorliegen von neuen Einschätzungen hinsichtlich der Eingriffsintensität, neuen rechtlichen Wertungen oder gar neuen Erkenntnissen oder wissenschaftlichen Methoden will ich gar keine Blockade aufbauen. Nur ist nichts davon ersichtlich.

Nebenbei: Auch das LG Schwerin (Beschluss 33 Qs 36/09 vom o7.o5.2009) hat erneut seine Rechtsauffassung bekräftigt, wonach die Anordnung einer Blutentnahme ohne vorherigen Versuch, eine entsprechende richterliche Anordnung zu erlangen, rechtswidrig ist und zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

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"Auch sieht das Gesetz doch eine Ahndung etwaiger Trunkenheitsfahrten auf Grundlage der Atemalkoholkonzentration vor, wenn das einzig zugelassene Gerät verwendet wird"

Nein, eben nicht.

"Die Aussage eines "Bereitschaftsrichters" in einem anderen Blog geht jedenfalls in diese Richtung, wenn er sich mokiert, die Richter würden dann im Callcenter arbeiten."

Darauf läuft es aber hinaus. Anruf 02.30 Uhr:

Richter: " Haben Sie den Eindruck, der Beschuldigte steht unter Alkoholeinfluss?"

Polizist: "Ja"

Richter: "Haben Sie Erkenntnisse, dass der Beschuldigte Bluter sein könnte?"

Polizist: "Nein"

Richter: "Gut, dann ordne ich die Blutentnahme hiermit an"


Was ist mit diesem Anruf für den Rechtsstaat gewonnen?

Eigentlich sollte ich mich ja über diese "Richtergläubigkeit" freuen.

 

"Die Strafverfolgung ist aber Interesse des Staates und nicht des Bürgers"

Wirklich ?

 

 

Mit der Atemalkoholmessung ist es ja so, dass diese zunächst nur für das OWi-Verfahren vorgesehen ist. Im Strafverfahren können die Werte nicht einfach umgerechnet werden, so jedenfalls die allgemeine Meinung. So kann auch die absolute Fahruntüchtigkeit mittels AAK nicht festgestellt werden. Ansonsten ist die AAK als Indiz verwertbar. Solange freilich nicht die AAK für das Strafverfahren völlig freigegeben wird, solange wird wird auch die Blutprobe als sicheres Beweismittel für den Grad der Alkoholisierung in der täglichen Polizeiarbeit unverzichtbar bleiben.

Ich meine auch, dass die von Herrn Burschel auch schon in einem anderen Blogbeitrag gestellte Frage nach dem Wert einer richterlichen telefonischen Anordnung ganz wesentlich ist. Der von Herrn Buschel gebildete Fall eines nächtlichen Anrufs um 2.30 Uhr, bei dem ohne jede Aktenkenntnis (Diese erschien jedenfalls vor ein paar Jahren noch für eine richterliche Entscheidung unverzichtbar!) "einfach mal so ja oder nein gesagt werden soll" zeigt m.E. ganz plastisch das Dilemma.

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Sehr geehrter Herr Burschel,

es ist etwas gewonnen, nämlich schon im Vorfeld der Anfrage. Freilich merken Richter davon nichts und kommen sich deshalb vielleicht vor wie beim Callcenter. Schon allein, weil der Polizeibeamte einen Richter befragen muss, scheidet aus, dass er willkürlich und ohne Kontrolle Blutproben anordnet, etwa aus "Daffke", Unmut über Äußerungen des Autofahrers etc. Schon allein, dass er vorher fragen muss und es zumindest mündlich gegenüber einer Richterautorität begründen muss, bedeutet eine gewisse Bremse. Der Polizeibeamte wird schon deshalb "vorsichtiger" sein. Es würde einem Richter ja auch auffallen, wenn ein Polizeibeamter plötzlich sehr viele Blutentnahmen begehrt oder deutlich mehr als die Kollegen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

"Schon allein, weil der Polizeibeamte einen Richter befragen muss, scheidet aus, dass er willkürlich und ohne Kontrolle Blutproben anordnet, etwa aus "Daffke", Unmut über Äußerungen des Autofahrers etc"

Wieviele solcher Willkür-Blutentnahmen sind in den letzten Jahren vorgekommen (vorsichtiger: bekannt geworden)?

Vor der Anordnung der Blutentnahme steht die (allerdings freiwillige) AAK. Zeigt das Gerät dabei 0,0 Promille an, wird sich der Polizist hüten, eine Blutentnahme anzuordnen.

Im Übrigen ist der Rechtsstaat nicht davor gefeit, dass der Polizist den Richter nachts um 02.30 Uhr aus "Daffke" anlügt.

 

Sehr geehrter Herr Burschel,

solche Fragestellungen ("Wieviele solcher...") sind müßig, so lange ein Kontrollsystem in Kraft ist, denn es könnte ja gerade die Wirkung des Richtervorbehalts sein, dass solche Willkürmaßnahmen nicht vorkommen. Das erinnert allerdings an den alten Witz, in dem einer (H. E. Müller) Pulver "gegen die Krokodile" in seinem Vorgarten ausstreut und auf den Einwand des Nachbarn (H.-O. Burschel) , es gebe hier doch gar keine Krokodile, antwortet: "Sehen Sie, es wirkt schon."

Einzelne Verstöße trotz des Kontrollsystems ("Im Übrigen ist der Rechststaat nicht davor gefeit...") belegen nicht dessen Überflüssigkeit im Ganzen. Unser Rechtssystem beruht in ganz vielen Bereichen auf der "Vorwirkung" der Kontrolle, so auch etwa beim Rechtsmittel. Eine Entscheidung, gegen die kein Rechtsmittel eingelegt werden kann, wird anders begründet als eine, die noch von der nächsten Instanz überprüft werden kann. Das ist nur menschlich und auch ein Gebot der Effektivität, aber bedeutet möglicherweise auch, dass man sich weniger genaue Gedanken macht über die Konsequenzen. Schließlich ist auch der symbolische Gehalt des Richtervorbehalts nicht zu verkennen - eingriffsintensivere Maßnahmen im Strafverfahren werden durch den Richtervorbehalt als solche "gekennzeichnet".

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Lieber Herr Prof. Müller,

es war seit Jahrzehnten gängige (auch im Bewusstsein der Bevölkerung verankerte) Praxis, dass die Polizei unter Berufung auf Gefahr im Verzug (Alkohol ist ein flüchtiger Stoff) Blutproben anordnen kann, ohne vorher den Richter fragen zu müssen. Das Krokodilpulver lagerte ungenutzt in der Tüte, gleichwohl zeigte sich die Bestie nicht: Berichte über willkürliche Blutentnahmen blieben absolute Mangelware.

Nun wird der Richtervorbehalt (wieder-)entdeckt. Wenn man den aber ernstnimmt, kann ein Anruf nicht genügen: Zu fordern wären dann a) Aktenkenntnis des Richters und b) ein persönlicher Eindruck des Richters von dem Beschuldigten und ggf. c) im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes eine Beschwerdemöglichkeit gegen den (möglicherweise mit dem Polizisten kollusiv zusammenarbeitenden) Amtsrichter.

Ebenfalls beste Grüße

Hans-Otto Burschel

Sehr geehrter Herr Burschel,

es war eben nur gängige Praxis, nicht geltendes Recht. Die Anordnungen waren daher - natürlich auch hier einzelfallabhängig - auch schon zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig. Allerdings hatte es für den Betroffenen keinen Nutzen, gegen die Anordnung selbst vorzugehen. Es gehört in bestimmten Polizeikreisen übrigens auch zur gängigen Praxis, dem Beschuldigten den Kontakt zu seinem Anwalt außerhalb eines Vehörs zu verweigern - rechtmäßiger wird das nicht, weil es Praxis ist.

Wurde aufgrund der BAK ein OWiG- oder Strafverfahren eingeleitet, hatte er schon so genug um die Ohren. Ein Beweisverwertungsverbot stand in weiter Ferne.

Wurde er hingegen entlastet, so war er idR schlicht froh darüber. Nachträglicher Rechtsschutz - wie ihn das BVerfG teilweise als ausreichend ansieht - ist im Bewußtsein der Gesellschaft sinnlos, wenn nicht etwas zu holen ist.

Die Anordnung wurde damit idR schon nicht in Frage gestellt, weshalb die Praxis sich in dieser Weite von der Rechtslage entfernen konnte. Mit der wieder aufkommenden Diskussion um Beweisverwertungsverbote wird auch die Anordnung selbst für den Betroffenen relevant.

Ich stimme Ihnen aber dahingehend zu, dass der Richter bestmöglich informiert sein soll. Daher sollten an die Darlegung durch die Beamten nicht zu niedrige Maßstäbe gesetzt werden; außerdem hat der Richter die Anordnung sodan auch unverzüglich in schriftlicher Form niederzulegen. Optimal wäre natürlich die Aufzeichnung eines jeden Gesprächs bzgl. der Anordnung. Technisch problemlos realisierbar ist das alles.

Der Richter hat im Übrigen auch nicht nur zu fragen, ob der Beamte den Eindruck habe, dass der Beschuldigte unter Alkoholeinfluss stehen könnte. Er muss sich auch die Gründe für den Verdacht darlegen lassen. Denn erst anhand dieser Gründe kann er selbstständig entscheiden. Er hat schlicht nicht dem Urteil, sondern der Sachverhaltsschilderung des Beamten zu glauben. Das aber kann er am Telefon auch.

Mit freundlichen Grüßen

Malte S.

Mal zur praktischen Relevanz:

Bei ca. 99,5% aller Fälle bedarf es einer Anordnung der Blutprobe nicht, denn der Beschuldigte stimmt ihr zu.

Standardsatz des Polizisten bislang: "Wenn Sie der Blutprobe nicht freiwillig zustimmen, werde ich sie anordnen."

Standardsatz neu: "Wenn Sie der Blutprobe nicht freiwillig zustimmen, rufe ich den Richter an."

Und nun was ganz furchtbar Ketzerisches von mir: Die Einführung einer kleinen Gerichtsgebühr für das Tätigwerden des Richters (zu zahlen natürlich nur im Falle einer späteren Verurteilung) würde die Freiwilligenrate auf 99,99 % erhöhen.

Und in dem 0,1% würde weiterhin ein Richtervorbehalt bestehen, bei dessen Nichtbeachtung Notwehrrechte und ein Beweisverwertungsverbot für den Beschuldigten entstehen. Einmal ganz davon abgesehen, dass ich die Rechtmäßigkeit einer solchen Gebühr stark bezweifeln würde.

Wie würden Sie es denn sehen, wenn mehr Personal und Ressourcen zur Verfügung stehen würden, um den Richtervorbehalt auch tatsächlich problemlos umsetzen zu können? Würden Sie ihn auch dann abschaffen wollen; wenn ja, mit welchen Argumenten?

Im Übrigen ist auch der verbreitete freiwillige Verzicht auf ein Recht absolut kein taugliches Argument, um die Schutzwürdigkeit des Rechts in Frage zu stellen.

Zitat:

Standardsatz neu: "Wenn Sie der Blutprobe nicht freiwillig zustimmen, rufe ich den Richter an."

Die Frage (neu oder alt) ist zudem, ob der Richtervorbehalt werthaltig ist. In obigem aktuellen Fall der DNA-Probe wurden gleich alle  Personen welche nicht freiwillig eine Probe abgegeben hatten von Richtern zwangsweise dazu verpflichtet bzw. als des Mordes verdächtige behandelt. Für die im Ausland lebenden ein Auslieferungs-Antrag gestellt.

Was ist also ein Richtervorbehalt wert? :

http://www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Aktuelles/pdf/backes_kurzfassun...

 

Grüße

ALOA

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Im Übrigen ist auch der verbreitete freiwillige Verzicht auf ein Recht absolut kein taugliches Argument, um die Schutzwürdigkeit des Rechts in Frage zu stellen.

Ich habe es auch nicht als solches benutzt, sondern wollte nur die praktische Relevanz dessen aufzeigen, worüber wir uns hier die Köpfe heiß reden.

Gemäß § 162 StPO ist (seit 2008) das AG am Sitz der StA zuständig, im Regelfall also das AG in dessen Bezirk das LG seinen Sitz hat.

Jetzt schauen Sie, lieber Malte, mal bitte auf eine Karte und stellen fest, welche räumliche Ausdehnung ein durchschnittlicher ländlicher LG-Bezirk hat. Sie werden feststellen, dass sie sehr schnell an logistische Grenzen stoßen, es sei denn, sie wollten einen nachtflugtauglichen Helikopter zum Einfliegn des Richters einsetzen

Der Richter hat im Übrigen auch nicht nur zu fragen, ob der Beamte den Eindruck habe, dass der Beschuldigte unter Alkoholeinfluss stehen könnte. Er muss sich auch die Gründe für den Verdacht darlegen lassen

Antwort des Polizisten: Er lallt.

Und nun ?

Könnten Sie noch erklären, warum der Richter "eingeflogen" werden sollte? Ich habe bewußt die Frage gestellt, wie Sie im Falle einer volltändigen Ressourcen- und Personaldecke argumentieren würden. Undenkbar ist ein richterlicher Nachtdienst im Gericht nun wirklich nicht. Möglich ist auch, dass der jeweilige Bereitschaftsrichter zu Hause ist und die technischen Voraussetzungen jeweils zur Verfügung gestellt werden.

Antwort des Polizisten: Er lallt.

Und nun ?

Wenn Ihnen als Richter das für die Entscheidung über die BE genügt entscheiden Sie. Würden Sie doch auch machen, wenn der Antrag in Papierform mit Unterschrift der Beamten vor Ihnen liegen würde, oder? Im Anschluss wäre dann natürlich die Dokumentation zu erledigen. Steht in der Dokumentation jedoch lediglich, dass der Beschuldigte nach Aussage des Beamten A unter Alkoholeinfluss stand, so ist sie kaum etwas wert. Vielmehr muss eine Dokumentation die Gründe für die Annahme erläutern.

Jetzt mal von diesen Nebelkerzen weg und hin zu der ursprünglichen Frage von Herrn Krumm. Die Diskussion um Sinn oder Unsinn des Richtervorbehalts war ja schon an anderer Stelle eingeschlafen.

Ausgehend von der Prämisse, dass die Polizisten bei der BE keine Anordnungskompetenz besaßen und die Anordnung daher nichtig war, welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus für Polizisten und Beschuldigten?

Eine ketzerische Frage angesichts der aktuellen IT-Ausstattung vieler Justizdienststellen, die aber dennoch gestellt werden muss: Könnte nicht der Einsatz von Videotelefonaten (via Mobilfunk) weiterhelfen? Dann könnte man eventuell auf das Einfliegen verzichten ... Voraussetzung wäre natürlich, dass alle Diensthandys der Bereitschaftsrichter entsprechend ausgestattet sind oder ausgetauscht werden, und dass die Polizei entsprechende Geräte ebenfalls mitführt. In ganz ländlichen Gebieten, wo es an der UMTS-Abdeckung fehlt, ist diese Vorgehensweise freilich ebenso wenig eine Option.

Wenn Ihnen als Richter das für die Entscheidung über die BE genügt entscheiden Sie

Wenn der Richtervorbehalt wirklich ernstgenommen werden soll, reichen irgendwelche (möglicherweise manipulierten !) Dokumentationen der Polizei nicht.

Dann muss der Richter sich einen persönlichen Eindruck von dem Beschuldigten verschaffen.

Und dann braucht der Richter den Heli.

Könnte nicht der Einsatz von Videotelefonaten (via Mobilfunk) weiterhelfen?

Ich bezweifele, dass sich der unsichere Gang, die geröteten Augen, die verwaschene Sprache und der Alkoholgeruch per Handy übertragen lassen.

Mich würde mal von den restlichen Juristen hier eine Antwort zur Ausgangsfrage interessieren. Der Rest hier sind doch nur Nebelbomben oder gehört in den entsprechenden Beitrag.

@ Herrn Burschel:

Bei einer Anordnung zur Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen lassen Sie sich also auch jedes einzelne Beweisstück vorlegen und prüfen es durch eigene Inaugenscheinnahme? Kann ich ehrlich gesagt kaum glauben. Wie sieht es denn mit der Anordnung der Fortsetzung einer TKÜ aus? Prüfen Sie da ebenfalls jedes einzelne, bisher aufgezeichnete Gespräch und alle neu gesammelten Beweise in eigener Person?

Die Doku soll übrigens der Richter und nicht der Polizist anlegen. Alles andere wäre auch schlicht sinnfrei.

Nachtrag: Gangart, Sprachklang und -qualität lassen sich mit Sicherheit problemlos übertragen. Gerötete Augen bei entsprechender technischer Ausstattung ebenfalls. Der Alkoholgeruch fehlt allerdings, aber sie vertrauen ja auch dem HD-Protokoll der Polizei, oder? Wenn also diese Dinge möglich wären, was spräche dann gegen eine in diesem Wege vorzunehmende Anordnung?

Er ist auch nicht verpflichtet, dieses vor der Polizei zu tun, oder? Wie stellt die dann die Tatsachen fest, aufgrund derer sie den Alkoholeinfluss schlußfolgert? Wenn er vor der Polizei doch dazu verpflichtet ist, warum dann nicht vor dem Richter bzw. warum kann nicht genau diese Handlung vor der Polizei übertragen werden?

 

Eine Diskussion lebt übrigens auch davon, dass man Nachfragen von Diskutanten beantwortet und nicht immer Nebelbomben wirft, um den eigentlichen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Er ist auch nicht verpflichtet, dieses vor der Polizei zu tun, oder? Wie stellt die dann die Tatsachen fest, aufgrund derer sie den Alkoholeinfluss schlußfolgert? Wenn er vor der Polizei doch dazu verpflichtet ist, warum dann nicht vor dem Richter bzw. warum kann nicht genau diese Handlung vor der Polizei übertragen werden?

Wie jetzt ? Soll ich diese Fragen beantworten (= Nebelbomben werfen) oder nicht ;-)  ?

Wäre die erste von einigen, die ich bisher gestellt habe. Rein rhetorisch waren die sicherlich nicht gemeint. Vor allem aber reden wir beide über eine zukünftige Gestaltung des Verfahrens - nur wollen sie die Abschaffung des RV ich eine Optimierung.

Noch interessanter wäre natürlich ein sachliches und nicht destruktives Eingehen auf die Ausgangsfrage.

nur wollen sie die Abschaffung des RV

Schrieb ich das ?

Ich schrieb, wenn RV, dann aber richtig.

Zu Ihren Fragen:

Sie wissen selbst, dass der Beschuldigte zu Mitwirkungshandlungen nicht gezwungen ist.

Die Polizei kommt mit dem Autofahrer in "Erstkontakt" (Unfallaufnahme, Routinekontrolle oder "Rauswinken" aufgrund vermeintlich/tatsächlich auffälliger Fahrweise)

Polizist macht dabei Beobachtungen/Wahrnehmungen, die für ihn den subjektiven Verdacht auf eine Alkoholisierung begründen (Geruch, Gang, Sprache, Augen).

Diese muss er schon heute schriftlich dokumentieren (Ich hatte den Eindruck, dass ...).

Eine Video/Fotodokumentaion wäre (mit Ausnahme des Geruchs) theoretisch denkbar, würde jedoch bedeuten, dass jeder Erstkontakt (auch mit demjenigen, bei dem sich ein Verdacht nicht ergibt) festgehalten werden müsste. Schon beim Öffnen der Autotür müsste die Kamera laufen.

Ist es wirklich das, was Sie wollen ?

Der Polizist kann sich täuschen (die roten Augen kommen vom Heuschnupfen, auch Clausthaler macht eine Fahne) oder lügen (Daffke, verfeindeter Nachbar, Nebenbuhler).

Also kann sich der Richter auf den schriftlichen/mündlichen Bericht nicht verlassen und muss - nimmt er den RV ernst - sich einen persönlichen Eindruck verschaffen.

Btw(1): Ordnet ein Polizist unter Annahme von GiV ständig Blutentnahmen an und stellt sich heraus, dass bei 20 oder mehr Prozent der Fälle die BAK jeweils 0,0 betragen hat, wird es zu einem "außergewöhnlich offenen Meinungsaustausch" zwischen ihm und seinem Vorgesetzten kommen. Blutproben und Untersuchungen kosten nämlich richtig Geld (Krokodilpulver aus dem Hause Müller)

Btw(2): Ihre rechtliche Einschätzung unter # 3 dürfte vertretbar  sein

 

Nun, Sie versuchen zu belegen, dass ein in Ihrem Augen richtiger RV nicht möglich ist. Wenn Sie das aber belegt haben und die Durchführung von BEs nicht völlig ablehnen, muss die Konsequenz die Abschaffung des RV sein. Daher meine Schlussfolgerung: Sie wollen den RV nicht - aus welchen Gründen auch immer.

Ich muss bei der schon einmal gestellten Frage bleiben: Warum wollen Sie nicht die Tatsachen von dem Polizisten (de facto als Zeuge) vortragen lassen? Sie untersuchen ja auch nicht jedes Beweismittel inkl. der Kugel bei einer Tötung selbst, sondern lassen dies von Dritten erledigen und vertrauen auf deren Bericht. In Grenzen, klar. Etwas anderes verlangt hier aber auch niemand von Ihnen.

Der Polizist kann sich täuschen (die roten Augen kommen vom Heuschnupfen, auch Clausthaler macht eine Fahne) oder lügen (Daffke, verfeindeter Nachbar, Nebenbuhler).

Das ist ebenso bei einem persönlich inspizierenden Richter möglich. Nebenbei spricht ja nichts dagegen, auch dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, mit Ihnen zu reden.

stellt sich heraus, dass bei 20 oder mehr Prozent der Fälle die BAK jeweils 0,0 betragen hat, wird es zu einem "außergewöhnlich offenen Meinungsaustausch" zwischen ihm und seinem Vorgesetzten kommen.

Was dem Opfer, aka dem ehemaligen Beschuldigten, ziemlich egal sein dürfte. Und schließlich geht es um dessen Rechte. Auch wenn ich eine Disziplinierungsfunktion sehr ansprechend finde, sollte diese nicht einziges Element sein und vor allem nicht auf einem so willkürbelasteten Bereich wie dem Disziplinarrecht bei Polizisten ablaufen.

Mit ist es im Übrigen auch egal, ob 0,0 promille oder 3,0 promille bei rauskommen. Beide haben den gleichen Anspruch auf Schutz ihrer Rechtsgüter. Die Befähigung zur Anordnung der BE beinhaltet ein erhöhtes Gefährdungspotential für diese Rechtsgüter, weshalb sie als Richtervorbehalt ausgestaltet wurde. Damit ist noch kein Mißtrauen in die Arbeit der Polizei gesetzt worden.

Ich lasse mich gerne überzeugen, dass der Vorbehalt unnötig ist. Ich lasse mich auch gerne überzeugen, dass er nicht telefonisch möglich ist - nur Argumente brauche ich dafür schon.

 

Zur Ausgangsfrage: Ich habe bisher dahingehend relativ wenig Material gefunden, gibt dazu bereits Ausarbeitungen? Mich interessiert jetzt gerade vor allem die Frage, ob die Anordung der Polizei nur rechtsfehlerhaft oder nichtig ist, wenn GiV tatsächlich nicht vorlag. Nimmt man lediglich die Rechtsfehlerhaftigkeit an, hat man keinerlei Probleme mit einem eventuell gegenüberstehenden Notwehrrecht. Andererseits ist der Richtervorbehalt eine Zuständigkeitsregelung besonderer Qualität, weshalb man wohl von einem besonders schweren Fehler sprechen könnte.

Ich kann nicht verstehen, dass es so schlimm sein soll, wenn sich Polizisten an Gesetzte halten. Auch die vielbeschworene betriebliche Übung kann über die Rechtswidrigkeit nicht hinweghelfen. Ich habe auch noch nie gehört, dass ein notorischer Ladendieb freigesprochen wurde, weil er dies halt immer so mache.

Aus meiner Sicht sind die Blutanahmen fast ausnahmslos vorsätzliche Gesetzesübertretungen sowie Straftaten zu Lasten des Probanten (KV etc.). Um die Worte des BGH in anderer Sache zu bemühen: Es gehört nicht zum Berufsbild des Polizisten, Straftaten im Dienst zu begehen und Gesetzte zu ignoriereren. Genausowenig die nachfolgenden Straftaten der Justiz. Ein Verteidiger steht gerade  vor Gericht, da er duch eine Unwahrheit eine Revision begründet haben soll und dadurch die Strafvolstreckung zu Unrecht verzögert haben soll. Wie ist es mit den Staatsanwälten, die bei Blutentnahmen ohne RiVorbehalt keine Ermittlungsverfahren wg KV einleiten.

Kürzlich wurde ein Fußgänger verwarnt, weil er eine rote Ampel mißachtet hat, um 4 Uhr morgens auf einer Nachts nicht befahrenen Straße. Dort hat sich kein Richter gefunden, der gesagt hätte, dass der Verstoß wegen offinsichtlichen Unsinns unbachtet bleiben darf.

Es ist Zeit für mehr Ehrlichkeit und weniger Selbstherrlichkeit in der Justiz!

 

Sascha Petzold

RA und FAStr

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Guten Tag zusammen,

ich bin Polizeibeamter in NRW und werde in meiner Behörde als Posten- und Streifenbeamter eingesetzt. Ich habe also sehr häufig mit der Problematik angetrunkener Bürgerinnen und Bürger zu tun.

 

Meiner Meinung nach ist es richtig und wichtig, dass der Staatsbürger als solches vor einer möglichen Willkür geschützt wird, von daher bin ich grundsätzlich vom Richtervorbehalt bei gewissen Maßnahmen überzeugt.

Was allerdings die Entnahme einer Blutprobe in allen Fällen von Verkehrsstraftaten angeht, glaube ich, darauf fast immer verzichten zu können. In bestimmt 95 % meiner Verdachtsfällen haben die Verkehrsteilnehmer anstandslos einen Atemalkoholtest durchgeführt. Binnen weniger Sekunden hatte ich so eine Tatsache geschaffen, die mir meine Entscheidungsfindung einfach gemacht hat, nämlich ein Ergebnis. Das steht dann einfach mal so fest, da rüttelt niemand mehr dran. In diesen Fällen frage ich mich dann, zu welcher anderen Entscheidung soll da noch ein Richter kommen, wenn ich ihm am Telefon sage, dass der Delinquent 0,7, 1,2 oder 1,9 Promille "gepustet" hat?

Es gibt nun einmal die allgemein bekannten Promillegrenzen. Liegt der Autofahrer darüber, dann ist er in diesem Augenblick sofort ein Betroffener oder gar Beschuldigter.

Für diese, zugegeben einfach gelagerten Fälle, braucht nun wirklich kein Richter oder Staatsanwalt kontaktiert zu werden.

Nun fehlen mir ja noch 5 % meiner Verdachtsfälle. Hier stimme ich voll und ganz der StPO zu, dass ich dann einem Erklärungszwang unterliege und keine Maßnahmen selber anordnen kann. Hier ist es angebracht, seinen Verdacht zu dokumentieren und als Ganzes zur Prüfung vorlege.

 

Bezüglich der Blutentnahmen bei anderen Straftaten, sehe ich es schon als erforderlich an, eine richterliche Entscheidung ein zu holen. Denn hier kann ich mich als Polizeibeamter nicht an feststehenden Grenzwerten orientieren.

In diesen Fällen begeht jemand eine Straftat und ist zudem noch angetrunken. Die Alkoholisierung ist ja in solchen Fällen kein Tatbestandsmerkmal. Also sollte hier jemand entscheiden, der einen größeren und besseren Einblick hat, wann jemand in den Bereich einer Schuldminderung liegt.

 

In all den Fällen, in welchen ich als Polizeibeamter einen Sachverhalt auch falsch einschätzen kann, ist es richtig, dass die Bürger vor falschen Entscheidungen oder gar vor Willkür geschützt werden. Ein Richtervorbehalt ist angebracht.

In den Fällen der alkoholbedingten Verkehrsstraftaten hat mir die Gesetzgebung aber doch klare Vorgaben gegeben, wie soll ich denn da noch einen Fehler machen???? Wer Auto fährt und mehr wie 0,5% pustet, der hat was falsch gemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Wollgarten

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Danke für die Einschätzung aus den Reihen der Polizei - leider haben sich die Beamten bislang in unserern Diskussionen zu dem Thema weitgehend zurückgehalten.

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Guten Morgen,

 

auch wenn die heiße Zeit dieser Diskussion vorbei zu sein scheint, hier jetzt ein Update, was die Polizei Aachen angeht.

 

Vor einigen Monaten ist es ja einigen Rechtsanwälten gelungen, ihre total besoffenen Mandanten wieder unter die Verkehrsteilnehmer zu bringen.

Ich kann nur für meine Dienstgruppe sprechen, aber ich denke, nicht nur dort waren wir sehr verunsichert. Also wurden schleunigst ein Haufen Telefonnummern gesammelt, um einen Bereitschaftsdienst zu erreichen.

 

Seit meinem letzten Kommentar vor genau einem Monat, habe ich ca. zehn Blutentnahmen gehabt. Ich habe festgestellt, dass nicht nur bei uns auf der Wache ein Chaos geherrscht hat. Nein auch beim AG Aachen und bei der StA Aachen war man teils überfordert.

So antwortete mir ein Richter am AG nach meiner Sachverhaltsschilderung, was ich denn für das Richtige halten würde? "Nun, der junge Mann hat mir 0,75 mg/l einen Verkehrsunfall verursacht, da halte ich eine Blutprobe und eine Beschlagnahme des Führerscheins für das Richtige."

"Dann machen Sie es doch so, wie sie es immer gemacht haben, da brauchen Sie mich doch nicht anrufen."

 

Eine Richterin war ein wenig ungehalten, sie würde soetwas nur mit der Staatsanwaltschaft besprechen, schließlich sei diese ja die Herrin des Verfahrens. Darauf wurde die StA informiert..... "Haben Sie schon mit einem Richter gesprochen?"

 

Seit zwei Wochen gibt es einen neuen Trend. Der Probant muss zunächst befragt werden, ob er mit der Maßnahme einverstanden ist, sollte dies der Fall sein, kann "munter drauf los gepickt" werden, ohne StA oder einen Richter zu befragen. Sollte während der Maßnahme jedoch eine Sinneswandlung entstehen, muss dann doch wieder eine Anordnung eingeholt werden.

 

Auf meine Frage, wie es sich denn verhalten wird, wenn der Probant im Nachhinein angibt, dass er meine Erklärung und sein Einverständnis nicht verstanden hat, weil er ja schließlich total betrunken war, konnte mir bislang keiner eine Antwort geben. Selbst wenn ich es mir von ihm unterschreiben lasse, was zählt denn nachher die Unterschrift von einem Kerl, der um die zwei Promille hatte?

 

Nun existiert seit gestern Mittag eine vorläufige Dienstanweisung des PP Aachen. Hier sind Beispiele aufgeführt, wie wir unter gewissen Umständen zu verfahren haben. So richtige Klarheit besteht aber auch jetzt nicht.

 

Ich bin jedenfalls mal gespannt, wie lange es die Richter und die Staatsanwälte aushalten, ständig während ihrer Bereitschaft mit einfachsten Sachverhalten belästigt zu werden. Würden die Herrn Richter am OLG oder gar am BGH auch Bereitschaft versehen, dann wäre die Sache schnell erledigt...... An "guten" Wochenenden haben wir alleine auf meiner Wache (zuständig für vier Städte mit insgesamt 140.000 Einwohnern) Montagsmorgens auch schon mal zehn bis 15 Venülen im Kühlschrank. Und das sind ja nur die störenden Anrufe um Blut zu bekommen. Da kommt ja noch das Festhalten zur Ausnüchterung in sonstigen Fällen hinzu und noch so einiges andere

 

Jetzt verfalle ich aber wieder in Zynismus, sorry.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Peter Wollgarten

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Weiter geht's......

Ich bin Polizeibeamter in einer Landratsbehörde in NRW. Hier ist jetzt angeordnet worden (wo noch?), bei Ingewahrsamnahmen nach Polizeirecht (z. B. Schutz der Person) nun ebenfalls in JEDEM Fall eine richterliche Anordnung/Bestätigung (wenn erreichbar) einzuholen. In diesem Falle (natürlich?) nun ohne Beteiligung der zuständigen StA. Bei Erstkontakt mit dem zuständigen AG (natürlich ein anderes als bei StPO-Maßnahmen) antwortete der Amtsrichter zunächst mit der Frage: "Und was wollen sie von mir? Das ist doch Polizeirecht......."

Um der Absurdität die Krone aufzusetzen, schließlich ein paar Wochen später ein anderer Amtsrichter: "Gehen sie doch mal in die Zelle und fragen den Arretanten, ob er nicht freiwillig bleiben möchte?....."

Sieht man von diesen Stilblüten einmal ab, so bleibt festzustellen: Natürlich ist es unzweifelhaft, daß das Gebot der Rechtsstaatlichkeit die Einhaltung aller Schutzvorschriften erzwingt. Ebenso zweifelsfrei ist es, den Beamten die Einhaltung dieser Vorschriften abzuverlangen. Bedauerliche Tatsache ist jedoch, daß dieser nun deutlich erhöhte Arbeitsaufwand einhergeht mit anderen drastisch gesteigerten Qualitätsanforderungen an die Angehörigen des Wachdienstes. Zeitgleich werden jedoch die Stärken genau dort immer weiter und scheinbar unreflektiert reduziert. Damit geraten die, die es nicht zu verantworten haben, in einen unzumutbaren Spagat. Zahlen tut die Zeche letzten Endes der Bürger, der doch eigentlich durch die penible Einhaltung seiner Rechte geschützt werden soll.

Der Trend zur Freiwilligkeit bei Eingriffsmaßnahmen erscheint mir ebenfalls sehr bedenklich. Nicht nur aus den im vorhergehenden Beitrag genannten Gründen. Ich sehe die Anordnung einer Blutprobe durch eine Ermittlungsperson im Strafverfahren zweifelsfrei als hoheitlichen Akt staatlicher Gewalt, der als solcher zwingend einer Prüfung unterliegt. Vergleicht man den Aufwand im Falle der Weigerung des Probanden mit dem Verfahrensablauf bei Einwilligung, so wird diese Schieflage offensichtlich. Außerdem widerspricht es dem in vielen Jahren Polizeiausbildung verbreiteten ehernen Grundsatz: Keine Eingriffsmaßnahme ohne Ermächtigung (unter zwingender Beachtung aller Formvorschriften).

Ein weiterer diskussionswürdiger Punkt ist in meinen Augen auch die Sistierung des Probanden. Hier wird immer wieder darauf abgehoben in der Debatte, daß auch diese Freiheitsbeschränkung/-entziehung begründend für die Hinzuziehung eines Richters ist. Gleiches gilt jedoch (bis jetzt?) nicht bei Verbringung eines Betroffenen im OWi-Verfahren zur Abgabe einer Atemalkoholprobe mit dem gerichtlich zugelassenen Gerät auf der Wache. Ganz zu schweigen von der weiteren Vorgehensweise im Falle der Unfähigkeit des Probanden den Test zu erfüllen.

Die so entstandene erhebliche Rechtsunsicherheit manifestiert sich bereits in anderen Bundesländern. So gibt es in Hamburg und Schleswig-Holstein einen drastischen Rückgang der Blutproben zu konstatieren. Das bedeutet direkt eine Steigerung der verkehrsuntüchtigen alkoholisierten Fz-Führer incl. der damit verbundenen erheblichen Gefahren für alle anderen Verkehrsteilnehmer. Wie sieht es mit der Verpflichtung des Staates aus, die Rechter dieser Bürger zu schützen?

 

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Warum denkt niemand daran, dass, wenn eine Zustimmung des Richters nicht erfolgt, auch keine Maßnahmen, etwa Durchsuchungen, Blutentnahmen etc., angeordnet werden können und tut es dann stattdessen ggfs. rechtswidrig?

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@Heinrich

struktureller Fehler im Hierarchiesystem der Polizei?

 

...aber kann man über 258a nachdenken , wenn ein Richter die Blutprobe verneint und nach Rechtsprechung LG Berlin dieses nicht die Eilkompetenz von StA und Polizei restituiert?

 

 

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ähm, ich verstehe nicht, weshalb bei einem konsequenten Richtervorbehalt der Richter immer ein "persönlicher Eindruck" gewonnen werden müsste. Der wird weder bei DNA-Probenentnahmen noch bei Durchsuchungsbeschlüssen oder 111a.-Beschlüssen (regelmäßig "ohne vorherige Anhörung" nach § 33 StPO) gewonnen.

Man verlässt sich bei diesen Entscheidungen auf den vorhandenen Akteninhalt, der halt schriftlich vorliegt.

 Bei der BE aufgrund telefonischer Mitteilung verlässt man sich auf die Richtigkeit der mündlichen Angaben. Wenn die dokumentiert werden, ("PB gibt an: Alkoholgeruch, Person schwankt und ist in Schlangenlinien gefahren") ist es doch überhaupt kein Problem einen Beschluss mündlich zu erlassen und die Umstände der Mitteilung kurz niederzuschreiben.

Etwas erschreckender ist, dass manche Ermittlungsrichter (meist Bereitschaftsrichter) sich unter dem Deckmäntelchen der richterlichen Unabhängigkeit darauf berufen, ohne schriftliche Unterlagen oder aber gar einen vorformulierten unterschriftsreifen Beschlussentwurf würden sie gar keine Entscheidung treffen.

 

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