Einstellung im Fall Edathy: schnell, aber Fragen bleiben
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Am heutigen zweiten Verhandlungstag ging alles sehr schnell. Edathys Verteidiger verliest folgende Erklärung (nach SZ): „Die Vorwürfe treffen zu. Die in der Anklage genannten Gegenstände wie der Bildband und die CD habe ich in meinem Besitz gehabt. Das gleiche gilt auch für die Logdaten, ich habe die Dateien heruntergeladen und geöffnet. Der Inhalt war mir bekannt. Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe lange gebraucht dazu. Je stärker ich in der Öffentlichkeit angegriffen wurde, desto mehr meinte ich, mich verteidigen zu müssen. Ich bereue, was ich getan habe.“ Der Vorsitzende frägt bei Edathy nach, ob der Verteidiger in seinem Sinne gesprochen habe. Edathy: „Ich bestätige, dass Herr Noll eine mit mir abgestimmte Erklärung abgegeben hat.“ Der Staatsanwalt ist damit zufrieden und das Verfahren wird gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5000 € für den Kinderschutzbund vorläufig eingestellt.
Aber die Entwicklung dieses Strafverfahrens passt zu alldem nicht!
(1) Das Verfahren beginnt aus politischer Rücksichtnahme auf die Koalitionsverhandlungen nicht zu dem Zeitpunkt, in dem es ermittlungstaktisch hätte beginnen müssen, nachdem ein Tatverdacht vorlag und diesem zunächst einmal nicht nachgegangen wurde (Bericht Frontal21 vom 25.2.2015).
(2) Spektakulär erfährt die Öffentlichkeit von dem Ermittlungsverfahren, weil bei der Hausdurchsuchung ein offenbar vorab informierter Pressefotograf (!) in die Wohnung fotografiert und diese Bilder die Nachrichten beherrschen.
(3) Wegen "der besonderen Bedeutung des Falles" (!) erfolgt die Anklage nicht zum Amtsgericht, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern beim Landgericht.
Es wäre interessant zu wissen, wie die Staatsanwaltschaft diese Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG begründet hat. Im Eröffnungsverfahren hat das Gericht nach § 6 StPO nämlich von Amts wegen seine sachliche Zuständigkeit zu prüfen. Hält es die Zuständigkeit eines Gerichts niedriger Ordnung in seinem Bezirk für begründet, dann hat es das Hauptverfahren nach § 209 Abs. 1 StPO vor diesem Gericht zu eröffnen.
Das geschieht hier aber nicht (Anmerkung: Fehlt die sachliche Zuständigkeit, weil sich das Landgericht anstelle des Amtsgerichts objektiv willkürlich für sachlich zuständig erklärt, dann darf nach BGH NStZ 1994, 399 keine Sachentscheidung ergehen). Nach Eröffnung des Hauptverfahrens war das Landgericht aufgrund § 269 StPO aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit und zur Verfahrensbeschleunigung allerdings an seine zunächst bejahte sachliche Zuständigkeit gebunden.
Das Landgericht, das wegen der besonderen Bedeutung des Falles seine sachliche Zuständigkeit bejaht hat, frägt aber nach der Eröffnungsentscheidung nach § 153 a Abs. 2 StPO bei Verteidigung und Staatsanwaltschaft an, ob das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht durch eine Geldauflage zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse beseitigt werden kann. Ein Betrag im mittleren fünfstelligen Bereich wird genannt. Viel kann das bereits im Zeitpunkt der Anklageerhebung und später bei der Eröffnungsentscheidung vorliegende Beweismaterial somit nicht wert sein, aber "die besondere Bedeutung des Falles" haben Staatsanwaltschaft und Gericht bejaht.
(4) Die Staatsanwaltschaft nennt zuletzt noch eine Bedingung: Edathy muss ein Geständnis ablegen. Dafür reicht der Staatsanwaltschaft die eingangs genannte Erklärung.
Der im Raum stehende Geheimnisverrat bekommt aufgrund dieser Entwicklung eine neue Dimension.
Und den einen Wunsch hätte ich noch, dass die Verantwortlichen selbstkritisch den Verfahrensgang rückblickend nochmals überdenken, um daraus Lehren zu ziehen.