Generalstaatsanwalt unter Verdacht des Geheimnisverrats in den Verfahren gegen Wulff und Edathy

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 22.02.2015

Es ist ein das bereits angegriffene  Vertrauen in die Justiz weiterhin beschädigendes Novum, dass die Staatsanwaltschaft aus einem anderen OLG-Bezirk des Landes gegen einen amtierenden Generalstaatsanwalt Ermittlungen einleitet: Die Staatsanwaltschaft Göttingen, die zum Bezirk des Braunschweiger Generalstaatsanwalts gehört, hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen den Celler Generalstaatsanwalt eingeleitet. Dieser soll als ehemaliger Leiter der Strafrechtsabteilung im niedersächsischen Justizministerium aber auch noch als Generalstaatsanwalt „in acht Fällen in strafbarer Weise Geheiminformationen an Dritte weitergegeben“ haben. Sieben Fälle beträfen Informationen aus dem Verfahren gegen den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, ein weiterer Fall das laufende Verfahren gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy.

Die eingeleiteten Ermittlungen bestätigen, die Justiz funktioniert, sie belegen aber auch, dass eine funktionierende Justiz von der Politik unabhängig sein muss sowie weiterhin, dass jeder Staatsanwalt und Richter sehr verantwortungsvoll mit seiner Unabhängigkeit umzugehen hat. Rechtlich sind Staatsanwälte zwar nicht unabhängig sondern weisungsgebunden, de facto besteht aber doch eine weitgehende Entscheidungsfreiheit. Welche Justizministerin/welche Justizminister und welcher Generalstaatsanwalt erteilt in einem brisanten Fall schon einmal ausdrücklich eine Weisung, die gerade denjenigen wiederum in die Verantwortung nimmt, der sie erteilt. Viel gefährlicher für die Arbeit der Justiz ist vielmehr der vorauseilende Gehorsam solcher Strafverfolger, die auf diese Weise sich für Beförderungen empfehlen wollen, oder vielleicht sogar ihr Amt dazu missbrauchen, selbst „Politik“ zu machen.

Die Staatsanwaltschaft ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, mit den Worten des § 152 Abs. 2 StPO: die Staatsanwaltschaft ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, also förmlich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Aber schon beim Einleiten wie auch im Fortgang eines Ermittlungsverfahrens darf nicht Übereifer die Ermittlungsmaßnahmen bestimmen, wofür gerade der Fall Wulff Anschauungsmaterial liefert.

Sollten sich die Vorwürfe gegen den Generalstaatsanwalt in Celle im Zuge der Ermittlungen bestätigen, dann würden diese schwerwiegenden Tatvorwürfe es der Justiz noch schwerer machen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen; verspielt ist es schnell, es wieder zurückzugewinnen wird lange dauern.

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15 Kommentare

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Ich habe den Eindruck, dass anscheinend ein angeblicher Geheimnisverrat schlimmer ist als Nacktaufnahmen von Kindern zu produzieren und zu verbreiten und zu konsumieren.

Hier müssten die Strafverfolger internationale Sonderrechte bekommen, um jeden Übergriff an Kindern aufzuklären, da die Produzenten wie eine Art Mafia arbeiten.

Es ist wie bei den Mißbrauchten, die schwerste psychische Schäden haben und aufgrund der Verjährung keine Möglichkeit  

besteht, die Verantwortlichen und die schweigenden Mitwisser zur Rechenschaft zu ziehen.  

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Wie sollen Sonderrechte aussehen?

Dass Beteiligte einfach irgendwas herausposaunen dürfen, ohne das die Tat bereits Verurteilt wurde und der "Täter" vorverurteilt wurde, ohne verurteilt worden zu sein. Undemokratischer und (meiner Meinung nach) sträflicher, geht es kaum.

Da wird einem Freiraum nach Gutmenschendenken gewährt, ohne das es geprüft wird? Existenzen zerstört, und keinen kümmert es??? Na dann können wir auch gleich in die Anarchie verfallen.

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Hausdurchsuchungen bei dem kleinsten Hinweis wenn es um Kinder geht, müßten die Behörden machen dürfen.

Ich finde es unerträglich, dass jetzt anscheinend die möglichen Beweise der Hausdurchsuchung in Frage gestellt werden, da es anscheinend keine Hausdurchsuchung hätte geben dürfen.

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@ Gast

 

Besten Dank für die informativen Links!

 

Nachdem das hier zur Diskussion gestellte Thema - wie auch die Beiträge zeigen - eng mit der heute gegen Sebastian Edathy begonnenen Hauptverhandlung zusammenhängt, habe ich die von der Staatsanwaltschaft geforderte Bedingung "Einstellung gegen Geständnis" gerade in den Blog eingestellt: http://blog.beck.de/2015/02/23/edathy-prozess-einstellung-gegen-gest-ndnis

 

Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,

vor einem Jahr habe ich auf Telepolis die staatsanwaltliche Öffentlichkeitsarbeit im Fall Edathy kritisiert:

http://www.heise.de/tp/artikel/41/41059/1.html

Dass es noch viel schlimmer gewesen ist als ich damals annahm, dringt nun langsam ans Tageslicht. Was sich einige Staatsanwaltschaften in den letzten Jahren durch zumindest fragwürdige (m. E. auch rechtswidrige) Öffentlichkeitsarbeit geleistet haben, schadet dem Ansehen der gesamten bundesdeutschen Strafjustiz enorm. Können Sie als jemand, der mittlerweile als Praktiker auf allen Seiten tätig war/ist, etwas zu den Motiven der betr. Staatsanwälte sagen?

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Lieber Herr Müller,

leider kann ich zu den Motiven der in Niedersachsen ermittelnden Staatsanwälte nichts sagen, weil sie sich mir völlig verschließen. Nach meinem Berufsverständnis als Staatsanwalt und Oberstaatsanwalt, der ich einmal war, hätte ich anders agiert: Die Staatsanwaltschaft hat auch darauf zu achten, dass die Rechte des Beschuldigten durchgesetzt werden!

Was ich zunehmend feststelle - und auch in meinem ersten Beitrag noch zurückhaltend angesprochen habe -, ist der Übereifer, der mit Blick auf die Verfolgungspflicht an den Tag gelegt wird, und der mir in dieser Massivität bislang nur vereinzelt aufgefallen ist (z.B. im Fall der No-Angel-Sängerin, die während eines Auftritts festgenommen wurde).

Im Fall Edathy hat das Frontal 21-Team aber jetzt zudem noch den fehlenden "Eifer" dokumentiert (ich verlinke auf den heute abend ausgestrahlten Bericht in meinem Beitrag zum Edathy-Prozess), so dass das noch hinzukommt. Dann wird alles noch schlimmer.

Mit besten Grüssen

Bernd von Heintschel-Heinegg

 

Erinnert sei auch noch mal an den Fall Tauss,
den Herr Prof. Dr. Müller in seinem telepolis Beitrag ja auch erwähnt.

An einigen Tagen gab es stündlich "Wasserstandsmeldungen" auf N24 oder n-tv, sowohl über den Stand des Verfahrens, aber auch jede Menge Mutmaßungen und Unterstellungen, die so niemals in die Öffentlichkeit gehört hätten.

Am Ende spielte es gar keine Rolle mehr, ob der Beschuldigte sich wirklich strafbar gemacht hat oder nicht.
Medial war er nicht nur vorverurteilt, sondern gesellschaftlich ja längst verurteilt.
Allerdings sorgt der schwammige § 184c ("Jugendpornographie") auch dafür, daß hier am Ende praktisch immer eine Schuld festgestellt werden kann, sofern sich Pornographie mit knapp Volljährigen auf dem PC befindet.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß sowohl Tauss als auch Edathy dieser Gesetzesänderung 2008 selbst zustimmten.

 

Seit Mittwoch vergangener Woche ist der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig nicht im Dienst. Unklar ist, ob er krank oder im Urlaub ist.

 

Nach NDR.de (unter Berufung auf dpa) soll er  seit Wochenbeginn krankgeschrieben sein.

http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Generalstaatsanwalt-Luettig-nicht-im-Dienst,luettig118.html

 

Wie NDR.de weiter berichtet, prüfe das niedersächsische Justizministerium derzeit mögliche disziplinarische Maßnahmen wie die Abordnung an eine andere Dienststelle oder sogar eine Suspendierung. 

 

Jetzt ist bekannt geworden, dass der Generalstaatsanwalt sich für mehrere Wochen dienstunfähig gemeldet hat und sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen demnächst äußern will:

http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Generalstaatsanwalt-Frank-Luettig-will-reden

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