Öffentlichkeit im Mollath-Prozess: Windhundrennen am Faxgerät
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Wochenlang stritt man vor Beginn der Hauptverhandlung zum NSU-Prozess darum, wer die begrenzten reservierten Presseplätze im Gerichtssaal einnehmen kann. Das Gericht hatte dafür das Windhund-Verfahren vorgesehen: wer zuerst (durch)kommt mit seiner E-Mail, der bekommt einen Platz. Ergebnis: nach Eil-Intervention des BVerfG (!) wegen der Nichtberücksichtigung der ausländischen Presse wurde die Vergabe der Plätze, diesmal im Losverfahren mit einzelnen Töpfen (für regionale, überregionale, internationale Presse, Rundfunk, TV etc.) wiederholt. Mit dem Ergebnis dieses Losverfahrens waren allerdings auch längst nicht alle zufrieden (Diskussion siehe hier). Wäre man gleich so vorgegangen, hätte man sich aber wohl viel Ärger erspart.
Der Fall Mollath hat in den vergangenen Jahren zumindest auf nationalem Niveau großes Aufsehen erregt. Es geht zwar nicht um neonazistisch/rassistisch motivierte Morde, sondern nur um den Vorwurf der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung, aber es geht eben auch um wichtige rechtsstaatliche Grundsätze und um das durch den Fall angekratzte öffentliche Vertrauen in die bayerische Justiz: Durch eine diesmal faire und transparente Hauptverhandlung könnte das LG Regensburg etwas von dem wiedergutmachen, was das LG Nürnberg 2006 versäumt hat. In der Aufarbeitung des Mollath-Falls wird die im Sommer anstehende Hauptverhandlung ein öffentliches Kernstück sein. Es ist absehbar, dass diese Hauptverhandlung ein relativ großes nationales öffentliches Interesse hervorruft. Nichts leichter als die Erfahrungen aus dem NSU-Verfahren zu nutzen. Nichts leichter als alle Journalisten aufzufordern, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu melden und dann die Reservierungen im Lostopfverfahren zu vergeben wie es das OLG München im zweiten Anlauf auch getan hat.
Aber Fehler müssen immer zweimal gemacht werden, so hat man den Eindruck. Es gibt diesmal zwar Töpfe für unterschiedliche Medienbereiche (wobei Internetportale wie dieses hier allerdings ausgespart blieben und nur im Resttopf landen). Aber die reservierten Plätze werden wieder im Windhundverfahren - nach Reihenfolge des Eingangs per Fax vergeben. Heute morgen um 9.00 Uhr (also vor gut einer Stunde) passierte dann das, was man schon vorhersehen konnte: Alle am Verfahren interessierten Journalisten/Presseorgane (einschließlich meines Büros) haben gleichzeitig den Startknopf auf ihrem Faxgerät gedrückt. Folge: Seit einer Stunde ist kein Durchkommen per Fax. "Keine Verbindung" meldet das Gerät in schöner Wiederholung.
Um es gleich zu sagen: Ich bin selbst betroffen, weil ich für den Beck-Blog auch eine Akkreditierung beantrage und natürlich auch an einem reservierten Platz interessiert bin. Ich würde mich auch keineswegs beschweren, wenn ich bei einem fairen Losverfahren keinen reservierten Platz bekäme und würde mich dann eben in die Warteschlange am Eingang einreihen. Ohnehin wird sich der ganz große Ansturm erfahrungsgemäß auf die ersten Prozesstage beschränken. Im Moment hoffe ich aber noch, dass die Leitung irgendwann mein Fax durchlässt und es noch klappt.
Update: Um 11.30 Uhr meldet das Faxgerät einen Sende-Erfolg.
Update (20.05.): Das Rennen hat sich doch gelohnt. Heute erhielt ich die Nachricht, dass Beck-Online einen reservierten Sitzplatz einnehmen kann.