Höchststrafe für Anders Behring Breivik - aber Fragen bleiben
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Dass ein zur Höchststrafe von 21 Jahren Haft plus Sicherungsverwahrung Verurteilter ein solches Urteil mit einem Lächeln entgegennimmt (Video bei SPIEGEL ONLINE), es sogar als große Genugtuung empfindet und deshalb kein Rechtsmittel einlegen will, ist die bisher letzte große Besonderheit im Zusammenhang mit dem schwersten Verbrechen in Norwegen seit 1945.
Der Rechtsstaat hat gewonnen, verloren aber hat die Rechtspsychiatrie, nachdem die zwei vom Gericht in Auftrag gegebenen psychiatrischen Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Das eine diagnostizierte eine Psychose (paranoide Schizophrenie; dem schloss sich die Staatsanwaltschaft an), das andere nicht (dem hat sich das Gericht angeschlossen). Der Gutachterstreit (hier zur im beck-blog bereits im Vorfeld des Urteils geführten Diskussion ) im Vorfeld des Prozesses hat in Norwegen Zweifel an der Praxis geschürt, zentrale Entscheidungen im Strafprozess in die Hände von Psychiatern zulegen. Im Zusammenhang mit dem Breivik-Urteil wird diese bei uns schon früher einmal heftig geführte Diskussion vermutlich alsbald wieder hochkommen.
Ungeklärt ist nach wie vor, wie sich Breivik im Internet derart radikalisieren konnte. Unbeantwortet bleibt die Frage, wie weit der Hass auf den Islam in Europa in der Gesellschaft bereits angekommen ist? Schließlich: Wie kann es einen „homegrown terrorism“ in einer der offensten und liberalsten Gesellschaften wie Norwegen geben?
Breivik mit seinen abstoßenden Posen und einem letzten Wort, das die Richerin ihm abschnitt (bei uns bislang nicht vorstellbar), kann man für immer wegschließen, nicht aber seine kruden Botschaften. Ein Schlussstrich kann so gesehen noch lange nicht gezogen werden. Die 77 toten Opfer nehmen uns alle gegen die Gegner von Freiheit und Demokratie in die Verantwortung.