Warnschussarrest - der falsche Weg
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die Berliner Regierungskoalition hat in ihrer Sitzung Anfang März beschlossen, den schon im Koalitionsvertrag vereinbarten Warnschussarrest auf den Weg zu bringen (Meldung auf tagesschau.de). Dabei geht es um die in der Rechtspolitik seit längerem (als "Einstiegsarrest") diskutierte Möglichkeit, die bisher nach § 8 Abs.2 JGG ausgeschlossene Kombination von Jugendstrafe und Jugendarrest bei einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe zuzulassen: Der zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe Verurteilte soll zu Beginn seiner Bewährungszeit mit einem (bis zu) vierwöchigen Arrest schon einmal mit den Realitäten des Gefängnisalltags "geschockt" werden. Dies soll dann zur Einsicht führen und ermuntern, die Bewährungszeit ohne weitere Straftaten zu überstehen. Ein nur auf den ersten Blick schlüssig erscheinendes Konzept. Aber die vom Schusswaffeneinsatz her bekannte Ausdrucksweise spricht schon Bände. Von manchen wird die Idee noch angereichert um eine Analogie aus dem Fußballsport: Verniedlichend spricht man von "gelber Karte", obwohl es sich - um im Bild zu bleiben - um eine rote Karte mit Sperre für vier Spieltage handelt.
Grund für diese Neuregelung ist es wohl. dass von vielen Menschen, unterstützt durch Medienberichte, eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe nicht als echte Sanktion angesehen wird und man dem Vergeltungsgedanken nachgeben will, der sich v.a. bei öffentlich diskutierten Einzeltaten Jugendlicher rührt. Seit Jahren wird in den Medien, zum Teil auch von Politikern, der falsche Eindruck einer steigenden Jugendkriminaliät/Jugendgewalt erzeugt, dem man durch entsprechende "härtere" Maßnahmen begegnen müsse. Die "pädagogischen Erklärungen" (siehe oben) sind nur vorgeschoben, es geht um Vergeltung.
Der Warnschussrarrest wird von den meisten Experten des Jugenstrafrechts abgelehnt (hier die Pressemitteilung des DVJJ e.V.), und dies zu Recht:
Der Jugendarrest ist - neben der vollstreckten Jugendstrafe - das am wenigsten erfolgreiche Mittel, um Rückfälle zu verhindern. Auch wenn sich einzelne Arrestanstalten große pädagogische Mühe geben , muss man leider eine im allg. nicht nützliche, ja eher schädliche erzieherische Wirkung feststellen: der Arrest scheint Rückfälle zu produzieren statt zu verhindern.
Die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe (verbunden mit pädagogisch begleiteter und beaufsichtigter Bewährungszeit, in der Weisungen und Auflagen zu erfüllen sind) hat eine wesentlich bessere erzieherische Bilanz. Warum sollte man diese durch einen vorangestellten Arrest gefährden?
Die zu einer Jugendstrafe verurteilten Jugendlichen haben in ihrer großen Mehrheit ohnehin bereits einen Jugendarrest hinter sich, so dass der erzieherische Effekt eines "ersten Warnschusses" offenbar nicht eingetreten ist - warum sollte er dies nun tun?
Der Gewöhnungseffekt einer Einsperrung ist derart, das man mit diesem Mittel äußerst vorsichtig umgehen sollte. Der von den Koalitionären beschworene Abschreckungseffekt durch reale Einsperrung existiert nicht - wenn überhaupt ist die Abschreckung durch drohende / potentielle Einsperrung größer.
Ausdrücklich lade ich auch Praktiker zur Diskussion ein, wie schon vor zwei Jahren.
Damals wurde als Argument für die Gesetzesänderung aus der Praxis angeführt, diese erlaube den Richtern eine größere Flexibilität und ein Einstiegsarrest könne zumindest bei einigen (wenigen) Fällen eine durchaus sinnvolle Sanktion sein.