Koalitionsabrede - Jugendstrafrecht wird verschärft

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 15.10.2009

Nach Angaben der Netzeitung (hier) soll das Jugendstrafrecht demnächst verschärft werden. Verabredet seien folgende Änderungen:

1. Anhebung der Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre (bisher 10 Jahre).

Dies ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, betrifft aber nur wenige Fälle. Vernünftig ist es nicht. Es wird deshalb keinen Mord weniger geben.

2. Einführung eines "Warnschussarrests" neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe.

Dieser zweite Punkt ist äußerst kritisch zu betrachten:

der "Warnschussarrest"  (der Name impliziert, die im JGG vorgesehene Jugendstrafe sei als "gezielter Schuss" auf den Straftäter anzusehen, m. E. eine decouvrierende Sprachnutzung der Politik)  - er  ist als "Einstiegsarrest" in der jugendstrafrechtlichen Diskussion ein Dauerthema -

und die Aussetzung zur Bewährung widersprechen sich in Ihrem erzieherischen Ansatz. Wer zu einer Jugendstrafe verurteilt wird und geeignet ist für die Bewährung, sollte gerade nicht erst einmal vier Wochen in den Arrest. Nach allem was wir wissen, ist der Arrest erzieherisch für die meisten Jugendlichen schädlich. Es ist sehr fraglich, ob die - verhältnismäßig günstige - Rückfallquote bei der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe nicht erheblich leidet. Die Maßnahme könnte man nur dann günstig einschätzen, wenn dadurch weniger Jugendstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung  verhängt werden.

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12 Kommentare

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Eine sinnvolle Massnahme wäre eine schnellere Bearbeitung der Fälle. Dass also ein mutmasslicher Täter nicht nach 6 Monaten, sondern nach ein paar Tagen vor Gericht kommt und verurteilt bzw. freigesprochen wird. Das aber würde Geld kosten (mehr Richter, mehr Staatsanwälte). Also macht man lieber PR-Massnahmen. Traurig.

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Sehr geehrter Herr Tilmann,

es ist wohl genau so wie Sie sagen: Mit höheren Strafen signalisiert man auf kostengünstige Weise, man tue etwas gegen Jugendgewalt. Was wirklich helefn könnte, ist leider teuer.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Die Strafschärfung halte ich den Umständen nach wirklich für reines PR.

Der Warnschussarrest oder auch Schockstrafe genannt, ist meiner Ansicht nach eine sinnvolle Institution die einen erheblich größeren Erziehungscharakter hat als eine Bewährungsstrafe. Es muss grade genug sein um die Welt in der sich der Jugendlich befindet und sich sicher genug fühlt das Gesetz zu brechen einstürzen zu lassen und ihm zu vermitteln "Wir meinen es ernst!".

Zum anderen würde eine solche Schockstrafe endlich die Zweckentfremdung der U-Haft in solchen Fällen beenden.

genau, ide Kuschelpädagogik hat nicht funktioniert bei den lieben Intensivtätern. Wird Zeit, dass man mal etwas anderes ausprobiert. Irgendjemand findet sich immer, der das "äußerst kritisch" betrachtet. Gar nichts ändern und es so lassen wie es ist (oder noch mehr Streicheleinheiten) betrachte ich als prekär kritisch.

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Ein fröhliches "Hallo" in den Elfenbeinturm? Waren Sie mal einen Tag beim Jugendrichter als Praktikant?

Gelegentlich hat man es mit Kunden zu tun, die, Achtung, Sarrzazin-Effekt, in ihrer prekären Dumpfheit nur mit einem kurzen Freiheitsentzug erzieherisch erreicht werden können, insbesondere, wenn Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld verhängt wird.

Beim ersten gebrochenen Kiefer Arrest, beim zweiten gebrochenen Kiefer, Jugendstrafe ohne Bewährung und ein paar Stunden...Naja.

Schlimm ist, dass die Diskussion seit Jahren von DVJJ-Propaganda einerseits und primitiv-politischer Law-and-Order Sprüchen andererseits bestimmt wird. Jede Flexibilisierung ist wünschenswert, im Übrigen sind Jugendrichter nicht blöd und einsperrgeil.

Also, nicht dicke Bretter an der Uni bohren, sondern Praktikum machen...

Gruß aus der Praxis.

P.S.: Die Idee mit den 15 Jahren ist hirnrissig. Ärgerlich auch der DRB, der dem Sanktionsausspruch unter Haushaltsvorbehalt das Wort redet ("zu wenig Arrestplätze").

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@ Praktiker, Peter, stud. iur.

 

Leider verkennen sie, dass man bei der Mehrzahl der wirklichen "hard cases" schwerstkrimineller Jugendlicher mit keiner wie auch immer gearteten Strafandrohung eine wirkliche Verhaltensänderung bewirkt.

Das, verehrter "Praktiker", sagen v.a. die Praktiker, die in den Gefängnissen mit schwerst gewaltkriminellen jungen Menschen zu tun haben. Diese jungen Menschen sind meist so krank, dass ihnen jedes gesunde Empathieempfinden und jede Kontrolle über das eigene Verhalten fehlt.

Diese Gewaltkriminellen haben schlichtweg nicht die Hemmschwellen, die man braucht, um eine zivilisierten Gesellschaft allgemeinverträglich Konflikte zu lösen.

Statt über die Ursachen - verrohende Lebensumstände, in denen viele Kinder und Jugendliche leider aufwachsen müssen - nachzudenken, schwingen die Neuregierenden nun die Repressionskeule. Damit ist keinem gedient.

 

Besser nachdenken: www.nachdenkseiten.de

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Sehr geehrter Praktiker,

als Referendar habe ich drei Monate bei einem Jugendgericht "Praktikum" gemacht. Ist schon ne Weile her, aber die Probleme in Berlin waren schon ganz ähnlich. 

Die Zwecke, die mit dem Einstiegsarrest verfolgt werden sollen (den Jugendlichen mit Freiheitsentzug schocken), werden mit dem Arrest nicht erreicht, weil der Arrest leider die meisten nicht schockt, auf die er angewendet wird. Und die anderen, die vielleicht geschockt werden könnten, haben den Schock durch Arrest nicht nötig. Die Zwecke des Einstiegsarrests versucht die Praxis, wie schon Herr Gladow angedeutet hat, teilweise mit der U-Haft zu erreichen. Die "Erfolge" auch dieser Praxis sind mäßig. Wenn diese (zum Teil rechtswidrige) U-Haft-Praxis mit dem Einstiegsarrest beseitigt würde, wäre dies ja grds. zu begrüßen. Indes, ich glaube es nicht, weil der Arrest viel später käme, nämlich erst nach dem Urteil, das, wie Sie wissen, oft (zu) lange auf sich warten lässt.

Außerdem: Ein Argument des DRB (also: nicht aus dem Elfenbeinturm) gegen den Einstiegsarrest haben Sie nicht genannt:  "Die meisten Straftäter haben vor einer Bewährungsstrafe schon einen normalen Arrest verbüßt und hatten damit bereits einen Warnschuss", sagte Caspari (Deutscher Richterbund (Quelle)

Wendet man dieses Argument um, dann wird ein Schuh daraus: In den Fällen, in denen heute (nur) JA verhängt wird, wird künftig möglicherweise dann zusätzlich gleich die Jugendstrafe auf Bew. verhängt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

....es geht in der Sache nicht um "schocken". Das ist Blödsinn, meine Baby-Gangsta schocke ich nicht, da ist Haft eine Auszeichnung und die Eintrittskarte in die nächste Stufe der Gang-Hierarchie.

 

Ich habe aber Fälle erlebt, in denen die Schuld wegen einer "gefährlichen Körperverletzung" eine Jugendstrafe gebietet, der Unwertgehalt (mindest. Freiheitsstrafe) dem Herw./Jug. aber nur durch einen kurzen Freiheitsentzug - auch Freizeitarrest - verdeutlicht werden kann. 

 

Diese Fälle sind (zum Glück) selten, aber wegen der ideologisch geprägten Diskussion de lege lata nicht fassbar. Übrigens sind des die Ideologen (nein, nicht der blaue Praktiker-Kommentar), die statt "Widerruf der Strafaussetzung", mal eben als milderes Mittel einen "Warnschussarrest" empfehlen.

 

Richtig ist:

In den Arrestanstalten ist meist das falsche Publikum, weil arrestungeignet i.S.d. Gesetzes.

Es wird gespart: Lieber eine neue Bank im Stadtpark als 50 AGT-Plätze ;-(

 

Wünschen würde ich mir eine Betrachtung des Themas durch einen anderen Blickwinkel, ohne Denkverbote. Weg von der gesetzesumgestaltenden Pädagogikdiskussion der letzten Jahre, zurück zum Gesetz (Jugend_strafrecht_), unter Berücksichtigung (nicht kritiklose Hinnahme) neuerer Erkenntnisse der (Entwicklungs-)Psychologie von jungen Männern (z.B. Wolfgang Bergmann, notfalls auch Bueb und ein Hauch von *Trolling* Sarrazin): Das Jugendstrafrecht ist von einer Erziehungswissenschaftler- und Kriminologengeneration geprägt, die Glaubenssätzen und fragwürdigen statistischen Erhebungen anhängt und die Psychologie vernachlässigt. Ausnahmen gibt es freilich,z.B. Kerner. Dazu kommt die Geiselhaft durch die Politik (Stichwort: 15 Jahre)...

 

Ach übrigens, wenn wir dabei sind: "Heilbronner Modell" - Jugendstrafrecht über die FeV - das Modell ist ja bestens erprobt über die Bekämpfung der Btm-Kleinstmengenkriminalität durch die Führerscheinstellen. Auch wieder nur Ideologie: Politik unter frecher Umgehung des Strafrechts, statt vernüftiger Änderungen durch den Gesetzgeber dort, bei gleichzeitiger Desavouierung des Fahrerlaubnisrechts. Dabei, es muss gesagt werden, habe ich derart unbeherrschte Gewaltigel als Kunden...im Straßenverkehr möchte ich denen, bei der Grundeinstellung zu Leib und Leben anderen und soviel Männlichkeit und Ehre nicht begegnen....

 

So Polemik *aus*, der Vorsitzende geht ins Wochendende...

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@"Mike Kevin"

Haben Sie die Praxis denn selbst erlebt, wenn Sie "Praktiker" so kritisieren? Ich kann sagen dass ich vor einiger Zeit ein paar Sitzungsvertretungen in Jugendsachen für die StA machen durfte. Es hat sich dabei nicht einmal um die von Ihnen angeführten "hard cases" gehandelt, sondern um ganz "normale" Jugendliche mit dem vielzitierten "prekären" Hintergrund. Die meisten hatten bereits eine gewisse (klein)kriminelle Karriere hinter sich und waren dementsprechend "cool" in den Verfahren. Ich hatte dort schon den Eindruck, dass diese Coolness und zur Schau gestellte Abgebrühtheit zu einem guten Teil an der Erfahrung liegt, dass erst mal "nichts passiert" und die Justiz "zahnlos" ist.  Es ist allerdings nicht so, dass auch im jetzigen System alles verloren wäre. Ich persönlich hatte schon den Eindruck, dass man etwas bei den meisten Jugendlichen erreichen kann, die nicht zu den "hard cases" gehören, die m.E. sowieso nur einen kleinen Anteil der jugendlichen Straftätern ausmachen. Erforderlich dazu waren aber sehr erfahrene Jugendrichter, die sich nicht provozieren ließen und eine gute Menschenkenntnis hatten. Dazu kommt ein glaubwürdiges, entschlossenes Auftreten von Richtern und der StA, damit auch deutlich wird, dass das ganze keine Spaßveranstaltung ist. Und das hat nun wahrlich nichts mit der von Ihnen angeführten "Repressionskeule" zu tun. Aber mal ganz ehrlich: Nur über die Ursachen nachdenken wie von Ihnen vorgeschlagen, kann ja wohl auch nicht die alleinige Antwort auf kriminelles Verhalten sein, oder?

 

Herrn Prof. Müller muss ich hier übrigens in Schutz nehmen. Auch wenn der Besuch seiner Vorlesungen jetzt schon einige Zeit zurückliegt muss ich sagen dass sie immer sehr gut fand und "nah an der Wirklichkeit". Von Elfenbeinturm keine Spur ;-)

 

Ze'ev

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Sehr geehrter Herr Praktiker,

über das "Schocken" sind wir uns einig, aber das Wort wird nun mal regelmäßig zur Legitimation des Einstiegsarrests angeführt. Wenn Sie sagen, es müsse in einigen Fällen den Jugendlichen etwas durch Freiheitsentzug "verdeutlicht" werden, ist das in der Sache auch nicht so ganz etwas anderes. Ich sehe die Lücke, die Sie anführen, auch: In den Fällen, in denen Jugendstrafe wegen (ausschließlich) Schwere der Schuld notwendig wird, ist nach der jetzigen Gesetzesregelung der JA ausgeschlossen (es sind nicht viele Fälle, aber es kommt vor). Ich vermute allerdings, dass die neue Gesetzesregelung den Einstiegsarrest nicht auf diese Fälle beschränkt und auch die Praxis im Allgemeinen (Sie persönlich ausgenommen)  ihn nicht auf diesen Fall beschränken wird.

In einigen anderen Punkten sind wir durchaus einer Auffassung.

Es erscheint mir aber wenig zielführend, wenn man andere Auffassungen relativ pauschal als "ideologisch" bezeichnet (und dann den Stammtisch a la Sarrazin unter die unideologischen Entwicklungspsychologie rechnet, wenn auch, das habe ich schon verstanden, mit einem Augenzwinkern).  Mit einer "Debatte ohne Denkverbote" bin ich voll einverstanden, wenn sich nach Ihrer Ansicht neben Praktikern daran auch andere beteiligen dürfen. Von einem Denkverbot habe ich auch noch nichts bemerkt, vielmehr wird ja im Gegenteil gerade nicht mehr nur gedacht, sondern sogar das Gesetz geändert, also gehandelt. Und da wird sich die Politik schon kritisieren lassen müssen.

Schöne Grüße fürs Wochenende

Henning Ernst Müller

Nachtrag: Hier der Text der entsprechenden Passage aus dem Koalitionsvertrag:

"Jugendgewalt und Jugendkriminalität
Wir wollen Jugendkriminalität mit wirksamen Maßnahmen begegnen und alle Anstrengungen unternehmen, um ihren Ursachen entgegenzuwirken. Dazu wollen wir Präventionskonzepte stärken und ausbauen, unter Einbeziehung aller Verantwortlichen erzieherische Ansätze verbessern sowie Vollzugsdefizite bei der konsequenten Durchsetzung des geltenden Jugendstrafrechts abbauen. Wir erkennen den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts als besonders wichtig an. Zur Erweiterung und Verbesserung der pädagogischen Reaktionsmöglichkeiten bei Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender werden wir den Warnschussarrest neben der Aussetzung der Verhängung oder der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung einführen. Junge Straftäter erhalten damit bereits zu Beginn der Bewährungszeit deutlich die Konsequenzen weiterer Gesetzesverstöße vor Augen geführt und zugleich eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung. Im Jugendstrafrecht erhöhen wir die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre Jugendstrafe." (Quelle)

hallo,Jugendrecht,ist ein freibrief für die täter.

mein sohn wurde von 5 jugendlichen zusammen getreten und wurde 2 mal operiert mit 3 wöchigen krankenhaus aufenthalt.

ich habe dadurch nur anwaltkosten und gutachterkosten und bleibe auf den kosten sitzen.

armes deutschland,die täter sind besser geschützt als das opfer.

da kann man nur auf das jugendrecht verzichten,

es ist echt schei........................

man hat nur kosten und die täter lachen sich einen und machen munter weiter.

gruss anmdy

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