Die Grenzen der Fiktion
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Wer einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, hat alles nur Erdenkliche zu tun, um zumindest den Mindestunterhalt sicherzustellen. Den Unterhaltspflichtigen trifft gemäß § 1603 II 1 BGB eine verschärfte Unterhaltspflicht.
Hinsichtlich des Mindestunterhalts muss dabei nicht das Kind die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, sondern umgekehrt der Verpflichtete seine Leistungsunfähigkeit beweisen.
Bei Arbeitslosigkeit des Verpflichteten ist zu fragen, was er bei gehöriger Anstrengung zu verdienen wäre, aufgrund dieses fiktiven Einkommens wird dann der Unterhalt berechnet.
Die Grenzen dieses Fiktion hat das BVerfG jetzt den Familiengereichten (erneut) aufgezeigt (BVerfG Beschluss vom 15.2.2010 – 1 BvR 2236/09):
- Wird im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines barunterhaltspflichtigen Elternteils aufgrund der in § 1603 I, II S. 1 BGB geregelten gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber einem minderjährigen Kind ein fiktives Einkommen angenommen, hat das Gericht zunächst festzustellen, dass subjektiv gebotene Erwerbsbemühungen fehlen.
- Wird dies festgestellt, muss ferner geprüft werden, ob der Unterhaltsschuldner aufgrund objektiv feststellbarer Voraussetzungen überhaupt in der Lage ist, ein Einkommen zu erzielen, mit dem er nicht nur den eigenen notwendigen Selbstbehalt, sondern auch darüber hinaus ein Einkommen erzielen kann, mit dem er ganz oder teilweise den Unterhaltsbedarf des Kindes decken kann.
Für ein 3-jähriges und ein 6-jähriges Kind sind nach der Düsseldorfer Tabelle unter Abzug des hälftigen Kindergeldes derzeit 225 und 272 €, zusammen also 497 €, zu zahlen. Zusammen mit dem Selbstbehalt von 900 € müsste der Unterhaltspflichtige also über ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.397 € verfügen. Das sind brutto - je nach Steuerklasse - mehr als 2.200 €. Ein solches fiktives Einkommen dürfte z.B. bei einem Ungelernten kaum zu unterstellen sein.