Herr Gurlitt, wir müssen uns entschuldigen
von , veröffentlicht am 09.11.2017Ein bedrohter, verfolgter, alter Mann fährt im Zug von Zürich nach München im September 2010. Er sieht sich von allen gebrandmarkt. Er habe Kunstwerke gesammelt und dabei hauptsächlich Raubkunst zusammengerafft. Mehr als 1500 Werke der bildenden Kunst werden beschlagnahmt und dem alten Herrn entzogen. Seine Kunstsammlung ist damit weg und der Ruf ruiniert. Frustriert und verarmt stirbt er bald.
Nach Jahren erst stellt sich heraus, dass unter den 1500 Werken wohl nur bislang sechs Objekte der Raubkunst zu finden sind. Selbst die Kulturstaatsministerin Monika Grütters muss zugeben, dass Gurlitt jetzt weit weniger Raubkunst gesammelt hatte als ursprünglich vermutet. Ein solches Ergebnis der eilends zusammengerufenen „Taskforce“ dürfte eine beispiellose Blamage sein. Die bayerischen Behörden haben 2012 bei der Aufklärung des Falls vollständig überreagiert. Ohne irgend einen Rechtsgrund wurde dem alten Herrn schlichtweg seine gesamte Kunstsammlung weggenommen. Im Gegenzug hielt er eine Entschädigung von banalen 9000 €.
Und heute noch ist der Name Gurlitt gleichbedeutend mit Raubkunst. Der Ruf von Gurlitt muss meines Erachtens rehabilitiert werden. Die damalige Krekeler wie Frau Grütters und andere müssten sich posthum öffentlich entschuldigen. Oder?
https://www.stern.de/kultur/kunst/nazi-raubkunst--warum-der-fall-gurlitt...
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20 Kommentare
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Der Fall Gurlitt ist ein Musterbeispiel für jede Art von Hysterie, insbes. Medienhysterie. Medienhysterie ist das Gegenteil von und übernimmt bzw. ersetzt zunehmend immer mehr die "sine ira et studio"-Prüfung durch berufene Behörden/Institutionen. "#metoo" scheint gerade schon wieder einmal ein ähnlicher Fall zu werden.
DieterG kommentiert am Permanenter Link
Keinstenfalls bedarf es einer (öffentlichen) Entschuldigung.
Fakt ist, dass Raubkunst gefunden wurde und sich der Anfangsverdacht bestätigt hat.
Man stelle ich vor es wären 1.500 Bilder und davon wären "nur" 6 nach §184b strafbar. Bei Edathy hat sich meines Wissens niemand entschuldigt.
Im Fall Gurlit hat sich die kriminalistische Erfahrung bestätigt.
Gerade am 9. November eine Entschuldigung für einen solchen Nazisohn zu fordern finde ich widerlich.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Die Meinungen über das, was "widerlich" ist, gehen doch sehr auseinander. Ich z.B. finde Ihre polemische Meinung über Nazisöhne "widerlich". Vielleicht waren Ihr Vater und Ihr Großvater auch Nazis? Jedenfalls möchte ich nicht zusammen mit Menschen in einer Gesellschaft leben, die ihre Mitmenschen als "Nazisöhne" beschimpft.
Im übrigen: Bei 1500 Kunstwerken wird wohl in jeder Stichprobe auch das eine oder andere Raubkunstwerk zu finden sein - ein ganz normaler Schnitt. Man hat m.W. Herrn Gurlit nicht nachgewiesen, dass er diese 6 Werke gezielt und wissentlich erworben hat. Also wird man die 6 Werke zurückgeben und gut ist es.
GR kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Thomas Hoeren, als notorischer und einschlägig bekannter "Besserwisser" muß man einen solchen schlechten Ruf natürlich auch unter allen Umständen verteidigen, deshalb nehme ich diesen, Ihren Satz dazu als willkommenen Anlaß:
"Ein solches Ergebnis der eilends zusammengerufenen „Taskforce“ dürfte eine beispiellose Blamage sein."
In dieser Klasse sehr ich aber noch die "Hitler-Tagebücher" des STERN unter Henri Nannen und seinem "Star-Reporter" Gerd Heidemann als bisher noch ungeschlagen bei den Medien im Nachkriegs-Deutschland an.
Beste Grüße nach Münster
GR
GR kommentiert am Permanenter Link
"Gerade am 9. November eine Entschuldigung für einen solchen Nazisohn zu fordern finde ich widerlich."
Für den "Nazisohn" kann der Verstorbene ja nichts, und was ist ihm denn wegen der 6 Bilder an bisher festgestellter Raubkunst persönlich an Schuld und Versäumnis zuzurechnen?
Was lagert noch davon unentdeckt in den Magazinen und Depots öffentlicher Museen und anderer Sammlungen?
GR kommentiert am Permanenter Link
Übrigens lohnt es sich, über den Vater Hildebrand Gurlitt mal noch genauer nachzulesen.
Zum Beispiel in der Wikipedia. Da steht, daß er sich für "Entartete Kunst" eingesetzt hatte und selber auch kein Nationalsozialist m.W. war, aber als "Nazi-Kunsthändler" bezeichnet wird.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Wenn man sich mit einem bis dahin unbekannten Thema seriös beschäftigen möchte, empfiehlt es sich, zunächst den einschlägigen Wikipedia-Artikel zu dem betreffenden Thema aufmerksam zu studieren, hier also der Wikipedia-Artikel Schwabinger Kunstfund:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwabinger_Kunstfund
Aber der Wikipedia-Artikel ist nur der Einstieg. Zumal, wenn es sich, wie hier, um eine sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht äußerst verwickelte Materie handelt. Von dem Wikipedia-Artikel ausgehend kann man sich weiter in das Thema einlesen. Man kann z.B. in vorliegendem Fall den neunzig Fußnoten, die der Artikel Schwabinger Kunstfund als Belege anführt, nachgehen. Hat man diese notwendige Vorarbeit erledigt, kann man sich sinnvoll und qualifiziert in der Öffentlichkeit zu dem betreffenden Thema äußern.
Herr Professor Hoeren zog es demgegenüber vor, auf der Grundlage der Lektüre eines Artikels des Stern eine öffentliche Entschuldigung von Frau Grütters einzufordern.
Carsten Krumme kommentiert am Permanenter Link
Herr Hoeren hat sich intensiv mit dem Fall Gullit und der Raubkunst beschäftigt, wie ich aus seinen Vorlesungen im Bereich Kunstrecht an der Kunstakademie als früherer Student weiß. Auch aus diesem Grund unterstütze ich Herrn Hoeren völlig
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Herr Professor Hoeren schreibt von "Krekeler wie Frau Grütters". Womöglich könnte Herr Professor Hoeren Krakeeler https://de.wiktionary.org/wiki/Krakeeler gemeint haben.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Herr Professor Hoeren, eine Frage bitte: Haben Sie sich mit Frau Grütters in irgendeiner Weise in Verbindung gesetzt, bevor Sie Ihren Text veröffentlicht haben?
GR kommentiert am Permanenter Link
Im März 2016 jedenfalls schrieb auch DIE WELT schon mal über diese Sache:
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article153291952/Ein-Kunstha...
und im November 2017 die SUEDDEUTSCHE ZEITUNG:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/ausstellung-ueber-gurlitt-nachlass-was...
GR kommentiert am Permanenter Link
Wie die großen Zeitungen uber diese Sache berichten, das ist ja auch wieder sehr interessant:
Die FR am 03.11.2017 (Zitat):
Quelle: http://www.fr.de/politik/gurlitt-sammlung-beigeschmack-einer-entruempelu...
Aha, "guter Wille", so die FR, "rechtfertigt" also "möglicherweise" einen "staatlichen Rechtsbruch" ........
Und wo bleibt der Rechtsstaat dabei?
GR kommentiert am Permanenter Link
DER SPIEGEL am 02.11.2017 in einem Interview mit dem Kurator Rein Wolfs:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gurlitt-ausstellung-in-bonn-ra...
Ulrich Andryk kommentiert am Permanenter Link
Prof. Hoeren hat Recht! Die Sache war von Anfang an erkennbar rechtswidrig. Bisher ist aber wohl niemand zur Rechenschaft gezogen worden, nicht einmal die Richterin, die den Durchsuchungsbeschluss erlassen hat! Und selbst wenn es sich um illegal erworbene 6 Werke handeln sollte, so war doch von Anfang an klar, dass das Eigentum nach Ablauf von 30 Jahren wegen Ersitzung nicht mehr herausverlangt werden kann. Der Fall ist und bleibt ein Skandal! Die "Schuldigen" sollten daher auch belangt werden, und zwar auch wegen der Millionen Euro, die auf Kosten der Allgemeinheit für diesen Unsinn ausgegeben wurden.
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Andryk
Prof. Dr. Thomas Hoeren kommentiert am Permanenter Link
Man soll nicht nur über den Fall reden. Es erschien mir nach längerem Überlegen wichtig, auch etwas in der Sache zu tun. Ich habe heute einen Kranz für das Gurlitt-Grab am Nordfriedhof in Düsseldorf bestellt. Auf dem Grabkranz wird stehen „Wir entschuldigen uns. Für viele Professor Dr. Thomas Hoeren „.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Nur bei Mord gibt es ja keine Verjährung mehr, im Zivilrecht aber schon noch ähnlich als "Ersitzung" gemäß BGB § 937, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen m.W., und bei anderen strafrechtlichen Delikten außerhalb des Mords bleibt es (noch) bei der Verjährung gemäß dem StGB.
Recht und Moral sind eben zwei Dinge.
Prof. Dr. Thomas Hoeren kommentiert am Permanenter Link
Seit Samstag findet sich mein Kranz auf dem Nordfriedhof Düsseldorf. "Wir entschuldigen uns. Für viele TH"
Anonymus kommentiert am Permanenter Link
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Eine der nobelsten wahrnehmbaren Erklärungen, die des Herrn Prof. Hoeren. Im übrigen ist mir bei der seinerzeitigen "Debatte", genauer Skandalisierung, nie klar geworden: Was denn ist "Raubkunst"? Und auf welcher Rechtsgrundlage wäre derartiges 2012 bei Herrn Gurlitt jr. rechtens strafprozessual zu beschlagnahmen gewesen?
bmheinemann kommentiert am Permanenter Link
Es gibt keinen "Fall Gurlitt", sondern allein übergriffiges, teilweise rechtswidriges, Verhalten vieler Staatsbediensteter - vor allem der Juristen. Es gab keinen begründeten Anfangsverdacht für die Beschlagnahmen, es gab keinen Grund für die jahrelange Vorenthaltung der Besitzgüter und des Eigentums des Herrn Gurlitt. Es gab die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, dem offensichtlich hilflosen alten Mann einen Beistand zur Seite zu stellen.
Das Ergebnis (6 mal Raubkunst von 1800 Werken!) dürfte weit besser sein als die Überprüfung fast jedes Museumsbestandes ergeben würde.