Kommt Mollath bald frei?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 24.07.2013

Seit letztem November 2012 stelle ich mir diese Frage und habe sie bislang - prognostisch falsch - immer gedanklich mit Ja beantwortet. Dass Herr Mollath auch nach über einem halben Jahr immer noch in der Forensischen Psychiatrie in  Bayreuth untergebracht ist, erschien mir nach Aktenlage vor einigen Monaten kaum vorstellbar. Auch ohne erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren hat es seither genug Gelegenheiten für Gerichte gegeben, den schwersten Grundrechtseingriff in einem Rechtsstaat zu beenden. Leider ist dies, obwohl überfällig und inzwischen sogar von der Regierungspolitik (jedenfalls in ihren öffentlichen Äußerungen) herbeigewünscht, immer noch  nicht eingetreten.

Nun steht aber die für Herrn Mollath wichtigste Gerichtsentscheidung offenbar unmittelbar bevor und damit stellt sich die Frage der (nächsten) Woche: Est-ce qu`il y a des juges à Ratisbonne? (Hintergrund zum geflügelten Wort "Il y a des juges à Berlin")

Die 7. Strafkammer des LG Regensburg hat seit einigen Monaten zwei Wiederaufnahmeanträge mit (nach meiner Zählung) insgesamt mind. 14 Wiederaufnahmegründen vorliegen (V12 ist kein WA-Grund, V9 und S4 sind identisch, in einem Schriftsatz der Verteidigung sollen allerdings noch weitere Gründe genannt worden sein) und hatte angekündigt, zumindest zur Zulässigkeit der Anträge bis vergangenen Freitag zu entscheiden. Wie bekannt, wurde dieser Termin verschoben, da einer der Richter dieser Strafkammer (es soll ausgerechnet der Berichterstatter sein) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Bis über diese Ablehnung entschieden wurde, war dieser Richter an der Mitwirkung an der Entscheidung gehindert. Die Befangenheitsablehnung wurde von der Strafkammer als unbegründet zurückgewiesen, die Beschwerde durch das OLG Nürnberg vorgestern als unzulässig verworfen.

Kurz zum Hintergrund: Die Richter des  OLG-Senats wenden die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 S.2 StPO auf das Wiederaufnahmeverfahren entsprechend an, eine Frage, die seit einigen Jahren unter den deutschen OLG umstritten ist (vgl. hier). Da es weder eine planwidrige Regelungslücke gibt noch eine vergleichbare Interessenlage, ist aber eine Analogie kaum juristisch sauber herzuleiten.

In der Pressemitteilung heißt es zur Begründung:

"Die gesetzliche Regelung dient nicht zuletzt der Beschleunigung des Verfahrens. Nach übereinstimmender Rechtsprechung beider Strafsenate des Oberlandesgerichts ist § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nicht nur im Urteilsverfahren anzuwenden, sondern entsprechend auch in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen, zum Beispiel im Strafvollstreckungsverfahren. Der hinter der Vorschrift stehende Rechtsgedanke trifft nach Auffassung des Senats auch auf das Wiederaufnahmeverfahren zu."

Die Argumentation ist verfehlt - "Rechtsgedanken" aus einer Ausnahmevorschrift können eben nicht einfach auf "vergleichbare" Verfahrenskonstellationen übertragen werden, jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz den Sachverhalt eindeutig regelt (§ 28 Abs.2 S.1 StPO). Gerichte dürfen sich nicht über das Gesetz stellen. Auch wenn es hier nur um ein verfahrensrechtliches Detail geht, ist zu bemerken, dass die bayerische Justiz - hier jetzt das OLG Nürnberg - wiederum zu Lasten Herrn Mollaths eine fragwürdige Entscheidung getroffen hat. Sie reiht sich fast nahtlos ein in die seit Beginn des Verfahrens vor zehn Jahren ergangenen fehlerhaften und fragwürdigen Verfügungen,  Beschlüsse, Fehlentscheidungen, fehlerhaften Gutachten, dem Urteil, die bis auf wenige Ausnahmen alle zu Lasten Herrn Mollaths gingen, noch nicht eingerechnet die Fälle, in denen Richter Beschwerden nicht bearbeiteten bzw. nicht an das Beschwerdegericht weiterleiteten. Interessant wäre gewesen, ob nach Ansicht des OLG Nürnberg die Mitwirkung des betr. Richters an einer (krass) fehlerhaften Entscheidung, bei der es um eines der jetzt zu bewertenden Wiederaufnahmevorbringen ging (vgl. Verteidigerschriftsatz), eine berechtigte "Besorgnis" der Befangenheit Herrn Mollaths  im Wiederaufnahmeverfahren auslöst oder nicht.

Schon vergangene Woche hatte das OLG Bamberg die Entscheidung der StVK des LG Bayreuth aufgehoben, lt. der bei Herrn Mollath nach wie vor die Voraussetzungen der Unterbringung bejaht worden waren. Die Entscheidungsbegründung des OLG war teilweise für Herrn Mollath durchaus  positiv: Bemerkenswert immerhin, dass der Senat zumindest die fehlerhafte Bewertung des Komplexes "Dr. Wörthmüller"- siehe Wiederaufnahmegründe V9 und S4) auch im Rahmen des § 67e StGB beachtet haben will (S. 11 des Beschlusses). Ebenso bemerkenswert ist, dass das OLG Bamberg auf die Äußerungen von Prof. Kröber in einem Interview, mit der er seine Gefährlichkeitseinschätzung von 2008 relativierte, Bezug nimmt. Dennoch ist auch diese Entscheidung OLG Bamberg nicht durchweg positiv: Das Beschwerdegericht hat grds. selbst zu entscheiden und kann dazu auch selbst Tatsachen ermitteln; eine Aufhebung und Zurückverweisung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 309 Abs. 2 StPO). Ohnehin wäre die Frage der (Un-)verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung Herrn Mollaths  längst entscheidungsreif.

Trotz der Signale, die man insgesamt als eher negativ deuten kann und auch trotz der bislang ausgebliebenen Entscheidung der 7. Strafkammer des LG Regensburg, die Vollstreckung der Maßregel gegen Herrn Mollath nach § 360 Abs.2 StPO zu unterbrechen (dazu siehe hier), und trotz meiner bisherigen Falschprognosen bleibe ich optimistisch: Jeden einzelnen der 14 (+X) vorgetragenen Wiederaufnahmegründe als unzulässig einzustufen, wäre kaum vertretbar zu begründen.

Die Frage der Woche wird also nach meiner besten Hoffnung demnächst mit Ja zu beantworten sein:

"Oui, il y a des juges à Ratisbonne".

Update 24.07.2013

Meine Hoffnung von gestern Nacht war nicht berechtigt: Die Wiederaufnahme wurde abgelehnt. Mehr dazu später.

Hier der Beschluss.

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229 Kommentare

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kanndassein schrieb:

@Bille Nr.34:

Ihre Argumentation zur Irrelevanz des "i.V." kann ich nicht so ganz  nachvollziehen:
Wie soll denn ein laut Briefkopf und Stempel Einzelpraxisinhaber sich selbst vertreten oder warum sollte er einen i.V.-Zusatz überhaupt verwenden? Wenn er schizophren ist oder gerade Mr. Hyde?

 

@psychofan:

Ich denke, dass Sie zwei Dinge durcheinanderwerfen, was zu Unklarheiten führt: Wann darf ein Vertragsarzt Leistungen bei der KV abrechnen (sozialversicherungsrechtliche Frage und ggf. betrugsrelevant, falls die Anforderungen an die Abrechnung nicht erfüllt sind) und wann ist ein Arzt ein Arzt im Sinne des § 256 StPO, was zur Verlesbarkeit des Attestes führt. Im Übrigen : hätte man Sohnemann Reichel als behandelnden Arzt vor dem LG Nürnberg als Zeugen vernommen, wäre das ja auch verwertbar gewesen, die sozialversicherungsrechtliche Abrechnungsfähigkeit der Leistung spielt da auch keine Rolle.

 

Die Frage hab ich ja gestellt. Ein Attest, also eine Urkunde zur Vorlage bei zuständigen Stellen (und nicht für P.Ms Fotoalbum)

 

Briefkopf: Dr. Madeleine Reichel

Stempel: Dr. Madeleine Reichel

Getippt: Madeleine Reichel (Warum, wenn jemand anders erstellt hat)

handschriftlich: i.V. Reichel

Pervers. Vorsätzlich oder aus Dummheit irreführend?.

Auf keinen Fall ist dadurch ein anderer als Madeleine Reichel als Aussteller erkennbar. Also unecht.

Ein einfaches M. im getippten Namen hätte gereicht....aber man wollte wohl nicht erkennbar sein.

Eine Unterschrift i.V. Reichel vom Sohn würde bedeuten, er vertritt sich selber....da er ja untersucht, das Attest erstellt haben will.

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@Bille
Liegt es an der Hitze?
Von nicht angestellten forensischen Untersuchungen zu diesen "Reichel-Papieren" abgesehen: was kann die nachträgliche Aussage des Herrn Reichel daran ändern, dass das im Prozess als Gutachten von Madeleine Reichel verwendete Papier 2002 ein unechtes Dokument gewesen war? Und ein Urteil, das sich u.a. auf solch ein Dokument stützt, fällt der WA anheim.Seit wann hat ein Beteiligter das Recht, seine Beiträge rückwirkend wirksam heute zu qualifizieren? Das bleibt also ein unechtes Dokument.
Zum weiteren Punkt, der Bewertung der Aussage Braun und deren Bezug zum Prozessergebnis sage ich nichts mehr. Eine eidesstattliche Versicherung gegen - nichts. Da stockt dann die Sprache.

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Wie ist das eigentlich mit der rechtmässigen Einladung von MdL Frau Pauli an Herrn Mollath zu ihrer Begleitung zum Empfang der bayrischen Staatsregierung weitergegangen? Das müsste doch längst entschieden sein, nach Meinung der Ärzte des BKH Bayreuths. Oder gibt es da keine Meinung von den Ärzten oder gar von den Chefärzten?

siehe:
http://www.ein-buch-lesen.de/2013/07/gustl-mollath-einladung-von-mdl-dr....

5

Aus dem heutigen Beschluss:

"Deshalb beugt nach ständiger Rechtsprechung
derjenige, der nur mit der Möglichkeit
einer rechtlich (bloß) nicht mehr vertretbaren
Entscheidung rechnet und
sich damit abfindet, das Recht nicht..."

Ich bin kein Jurist, nur ein interessierter Bürger, aber dieser Beschluss heute ist wohl das peinlichste was die Justiz jemals abgeliefert hat.

Es fehlt jede Ethik und Moral.

Für mich klingt der Satz ebenso, wenn ein Mörder nur mit der Möglichkeit des Todes seines Opfers rechnet und sich (bloß)damit abfindet, dass sein Opfer auch stirbt, begeht er keine Straftat.

"Eine Rechtsanwendung kann
somit keinesfalls Rechtsbeugung sein, wenn die Auffassung des Richters mindestens
noch vertretbar erscheint. Selbst die bloße objektive Unvertretbarkeit einer
Entscheidung begründet aber noch keine Rechtsbeugung."

Wenn man den 2. Satz liest, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass es gar keine Rechtsbeugung gibt und nie eine geben kann, faktisch ein Freifahrtschein.

"Diese gesetzlich normierten strengen Voraussetzungen
sind Folge des Instituts der Rechtskraft, das
erforderlich ist, um Rechtssicherheit dahin gehend
zu gewährleisten,
dass dieselbe Entscheidung nicht dauerhaft
abänderbar bleibt."

Ich weiss nicht, wie man der Meinung sein kann Rechtssicherheit zu gewährleisten, indem man Unrecht begeht.

Dies kann man nur predigen, wenn man frei von Moral und Gewissen ist.

Für mich ist das Rechtsunsicherheit und offensichtlich Alltag der Justiz.

 

Ganz am Anfang hat Prof. Müller einmal erklärt, dass er versucht habe sich in Herrn Mollath hineinzuversetzen.

Ich versuche gerade mich in Prof. Müller "hineinzuversetzen" und kann mir eigentlich nicht vorstellen, was in Ihm vorgehen muss, wenn er Juristen ausbildet und solche "Urteile" dann zustande kommen.

Man muss doch denken, dass sein ganzes tun und handeln sinnlos sind, wenn man die Ergebnisse sieht.

 

Genau so muss sich Mollath jetzt auch fühlen, selbst mit einem der renomiertesten Strafverteidiger ist es nicht möglich von der deutschen Justiz Gerechtigkeit zu erfahren.

Man läuft einfach gegen eine Wand, die sich keinen Milimeter rührt.

Dieser Beschluss ist für mich als Laien eine erneute Rechtsbeugung im Falle Mollath.

Ich weiss gar nicht, ob es genug freie Zellen gäbe um alle Schuldigen einzusperren.

 

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Es existiert eine Pressemitteilung des Bayerischen Richtervereins, Verein der Richter und Staatsanwälte in Bayern, vom 30.11.2012. Darin heißt es, es sei „völlig unangebracht“, den Vorwurf zu erheben, es sei Rechtsbeugung oder Freiheitsberaubung im Amt verübt worden. In der Pressemitteilung wurde zudem vor einer Beschädigung des Rechtsstaats gewarnt, http://www.bayrv.de

Bemerkenswert ist erstens, dass es auch und insbesondere (frühere) deutsche Richter und / oder Staatsanwälte waren, die von Rechtsbeugung oder Freiheitsberaubung sprachen oder schrieben:

- In dem Entwurf des Wiederaufnahmeantragsführte der Staatsanwalt Meindl bekanntlich auf 54 Seiten insgesamt fünf Rechtsbeugungen auf und ließ, so berichtete die Süddeutsche Zeitung, keinen Zweifel daran, dass er von diesen überzeugt sei, http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-merkwuerdiger-entwurf-bel...

- Der frühere Richter und Staatsanwalt in Bayern Prof. Dr. Heribert Prantl sagte, das fragliche Urteil trage den Stempel der Rechtsbeugung, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2181903/

- Und es war auch der frühere Richter und Staatsanwalt Prof. Dr. Heribert Prantl, der den Vorwurf der „Freiheitsberaubung“ erhob, http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-freiheitsberaubung-durch-...

- Die ehemalige Oberstaatsanwältin Gabrielle Wolff schrieb: wenn das keine Rechtsbeugung ist, dann gibt es keine. http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/06/20/der-fall-mollath-eine-hang...

Das sind einige Beispiele. Wie weit es mit der Fähigkeit zur Selbstkritik bei der Justiz in Bayern bestellt ist, kann hier nicht beantwortet werden. Was jedoch zweitens die in der Pressemitteilung des Bayerischen Richtervereins angesprochene Gefahr der Beschädigung des Rechtsstaats angeht, stellt sich heute mehr als jemals zuvor die Frage, woher die Gefahr der Beschädigung des Rechtsstaats eigentlich rührt. Von den Kritikern der Justiz oder von dem Umgang der Justiz mit Mollath? Die Justizministerin ist jedenfalls selbst der Ansicht, dass die Justiz unheimlich an Vertrauen verloren hat, http://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/Ich-bin-keine-eiserne-Lady;....

Fakt ist, dass viele Bürger, in deren Namen das fragliche Urteil gesprochen wurde, nicht mehr verstehen, das so etwas wie der Fall Mollath in Deutschland passieren kann. Abgesehen davon, dass die Bedeutung und Tragweite des Falles Mollaths für die Akzeptanz der Justiz offensichtlich unterschätzt wird, haben es der Rechtsstaat Deutschland und viele hervorragende Richter und Staatsanwälte in Deutschland nicht verdient, was im Fall Mollath angerichtet wurde. Man kann nur hoffen, dass – im Interesse des Rechtsstaats und des Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat – über eine Beschwerde zeitnah entschieden wird. Denn es geht um nicht weniger als um das Vertrauen in den Rechtsstaat, http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-gefahr-fuer-das-ansehen-d....

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man fragt sich nach wie vor: Warum darf die rechtmässig parteilose, MdL, Gabriele Pauli nicht mit ihrem rechtmässig eingeladenen Begleiter Gustl Mollath heute auf der Regierungsveranstaltung in Bayreuth erscheinen? Der Antrag wurde nach rechtmässiger Einladung sofort am 21.7. von Gustl Mollath beim BKH Bayreuths eingereicht. Was ist daraus geworden, was sind dort für "Ärzte?"

Angenommen? Abgelehnt? Wie auch immer: wo ist die Begründung!

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Ich versuche als Nichtjurist, die Diskussion um die unechte Urkunde besser zu verstehen:

1. Es geht doch in Wahrheit um zwei Urkunden: erstens das Attest vom 3. Juni 2002 ("Zweitschrift"), das dem Landgericht Nürnberg während der Verhandlung (wohl nur als Kopie?) vorlag. Zweitens das Attest vom 14. August 2001 ("Urschrift"), das im Wiederaufnahmeverfahren von der Staatsanwaltschaft eingeführt worden ist.

2. Wenn ich das LG Regensburg richtig verstanden habe, sind nach seiner Auffassung für die Gültigkeit einer Urkunde hier zwei Kriterien ausschlaggebend: Vertretungswille und Vertretungsbefugnis. Der Vertretungswille auf seiten von Frau Dr. Reichel erschließt sich dem Gericht aus der Tatsache, dass sie ihren Sohn als Weiterbildungsassistenten und dann als Facharzt beschäftigt hat. Die Vertretungsbefugnis erschließt sich dem Gericht aus der Tatsache, dass der Sohn zum Zeitpunkt der Erstellung der Urschrift sich bereits im fünften Jahr seiner Tätigkeit als Weiterbildungsassistent befand und zum Zeitpunkt der Abfassung der Zweitschrift Facharzt war.

3. Jetzt ist es sicherlich sachdienlich, die Situation im Jahr 2001 und im Jahr 2002 getrennt voneinander zu betrachten. Der Diskussion hier entnehme ich, dass ein Vertretungswille für das Jahr 2001 auf seiten von Frau Dr. Reichel vielleicht als rechtswidrig gelten muss, wenn nämlich ein Weiterbildungsassistent ohne Überprüfung durch den Vertragsarzt untersucht und attestiert. Oberflächliches Googlen hat mir allerdings gezeigt, dass Weiterbildungsassistent unter bestimmten Bedingungen in einer Kassenpraxis vertreten können (etwa wenn der ausbildende Arzt im Urlaub ist). Hier würde es also nach meinem naiven Verständnis darauf ankommen zu klären, ob tatsächlich eine entsprechende Vertretung angezeigt worden ist. Die Nutzung eines Vertragsarztstempels ist, wenn ich wiederum die Diskussion hier zugrundelege, sonst aber unausweichlich ("höchstpersönlich"?) an den Inhaber oder die Inhaberin des Kassensitzes gebunden. Es wäre also wohl u. U. möglich gewesen, ein Attest durch den Sohn "i. V." zeichnen zu lassen, wenn die Mutter untersucht und geschrieben hätte, aber an der Unterzeichnung gehindert gewesen wäre. Und es wäre vielleicht auch möglich gewesen, "i. V." zu zeichnen, wenn der Sohn die Mutter im entsprechenden Zeitraum tatsächlich im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Aber es ist ja wohl zumindest fraglich, ob der Sohn im Jahr 2001 auch "i. V." untersuchen und attestieren durfte, wenn er die Mutter nicht im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Wenn der Sohn dies nicht durfte, wäre die Annahme des LG Regensburg, der Sohn habe attestieren dürfen, irrig: es gab also keine Vertretungsbefugnis. Und überdies würde zumindest der Mutter ein rechtswidriger Vertretungswille unterstellt (wenn wir einmal annehmen, dass Weiterbildungsassistenten über Arztvertragsrecht nicht im Detail Bescheid wissen müssen).

4. Damit ergibt sich für das Jahr 2001 die Frage, ob die Echtheit einer Urkunde auch dann unterstellt werden darf, wenn dafür ein rechtswidriger Vertretungswille der Beteiligten angenommen werden muss. Dieser Wille ist wohl nur dann nicht rechtswidrig gewesen, wenn der Sohn berechtigt war, unter Verwendung des Kassenarztstempels ein Attest "i. V." zu zeichnen. Das müsste aber dann wohl die Kassenärztliche Vereinigung beantworten: wenn die Frau Mutter zum Zeitpunkt der Abfassung des Attests bspw. auf den Malediven weilte und dies der Kassenärztlichen Vereinigung ordnungsgemäß angezeigt worden ist, besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Sohn zu Untersuchung und Attestierung im Jahr 2001 berechtigt war. Die Frage, ob auf der Urschrift aus dem Jahr 2001 das "i. V." lesbar war oder nicht, spielt hierfür jedenfalls nach meinem naiven Verständnis keine Rolle.

5. Damit kommen wir zum Jahr 2002, in dem die "Zweitschrift" abgefasst wurde, die dem LG Nürnberg während der Verhandlung vorlag. Hier soll bei genauer Betrachtung das "i. V." ebenfalls lesbar gewesen sein. Das zugestanden ergibt sich aber die Frage, warum eine Zeichnung "i. V." noch erforderlich gewesen sein soll. Schließlich war der Sohn als Facharzt zum eigenständigen Zeichnen von Attesten berechtigt. Wiederum ist es ja zumindest denkmöglich, dass auch zu diesem Zeitpunkt der Sohn die Mutter im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Dann wäre eine Zeichnung "i. V." wohl unproblematisch. Wenn das nicht der Fall war und die Beschäftigung des Sohnes in der Praxis der Mutter rechtswidrig war, stellt sich wiederum die Frage, ob ein rechtswidriger Vertretungswillen eine echte Urkunde veranlassen kann. Oder das Gericht ging davon aus, dass der Facharzt Markus Reichel in Vertretung des Weiterbildungsassistenten Markus Reichel gezeichnet hat.

6. Aus diesen Überlegungen ergeben sich für mich die folgenden Fragen:

a) Kann ein rechtswidriger Vertretungswillen dennoch zu einer im strafrechtlichen Sinne echten Urkunde führen?

b) Welche Folgen ergeben sich im Rechtsverkehr aus der Verwendung des Kassenarztstempels hinsichtlich der Urheberrschaft einer von einem Arzt gezeichneten Urkunde?

c) Hat der Sohn in den in Frage stehenden Zeiträumen die Mutter in einem kassenärztlich zulässigen Sinne vertreten?

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crusius schrieb:

Der Diskussion hier entnehme ich, dass ein Vertretungswille für das Jahr 2001 auf seiten von Frau Dr. Reichel vielleicht als rechtswidrig gelten muss, wenn nämlich ein Weiterbildungsassistent ohne Überprüfung durch den Vertragsarzt untersucht und attestiert. Oberflächliches Googlen hat mir allerdings gezeigt, dass Weiterbildungsassistent unter bestimmten Bedingungen in einer Kassenpraxis vertreten können (etwa wenn der ausbildende Arzt im Urlaub ist). Hier würde es also nach meinem naiven Verständnis darauf ankommen zu klären, ob tatsächlich eine entsprechende Vertretung angezeigt worden ist.

Wesentliche Voraussetzung für eine Vertretung ist, dass der Vertreter diesselben Qualifikationen aufweist wie der Vertretene. Ein Facharzt kann nur durch einen (fertigen) Facharzt vertreten werden, alles andere ist unzulässig.

Weitere wesentliche Voraussetzung ist, dass der Vertretene tatsächlich abwesend ist. Die gleichzeitige Tätigkeit von Vertretenem und Vertreter ist absolut unzulässig. Ein "i.V", obwohl Frau Reichel an diesem Tag anwesend war, geht also nicht.

Zur Qualifikation gibt es eine einzige Ausnahme: Wenn die Praxisvertretung wegen plötzlicher, nicht vorhersehbarer schwerer Krankheit notwendig wird, darf auch ein fortgeschrittener Weiterbildungsassistent für einige wenige Tage vertreten, bis ein richtiger qualifizierter Vertreter gefunden wurde.

Eine Meldung an die KV ist übrigens erst nach 1 Woche notwendig.

 

crusius schrieb:

Die Nutzung eines Vertragsarztstempels ist, wenn ich wiederum die Diskussion hier zugrundelege, sonst aber unausweichlich ("höchstpersönlich"?) an den Inhaber oder die Inhaberin des Kassensitzes gebunden. Es wäre also wohl u. U. möglich gewesen, ein Attest durch den Sohn "i. V." zeichnen zu lassen, wenn die Mutter untersucht und geschrieben hätte, aber an der Unterzeichnung gehindert gewesen wäre. Und es wäre vielleicht auch möglich gewesen, "i. V." zu zeichnen, wenn der Sohn die Mutter im entsprechenden Zeitraum tatsächlich im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Aber es ist ja wohl zumindest fraglich, ob der Sohn im Jahr 2001 auch "i. V." untersuchen und attestieren durfte, wenn er die Mutter nicht im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Wenn der Sohn dies nicht durfte, wäre die Annahme des LG Regensburg, der Sohn habe attestieren dürfen, irrig: es gab also keine Vertretungsbefugnis.

So ist es. Es gab keine Vertretungsbefugnis, weil ich nicht von einer plötzlichen schweren Erkrankung der Mutter ausgehe. Ich gehe vielmehr davon aus, dass beide munter nebeneinander gearbeitet haben, der Sohnemann aber trotz Anwesenheit der Mutter "vertreten" hat.

 

crusius schrieb:

Und überdies würde zumindest der Mutter ein rechtswidriger Vertretungswille unterstellt (wenn wir einmal annehmen, dass Weiterbildungsassistenten über Arztvertragsrecht nicht im Detail Bescheid wissen müssen). 4. Damit ergibt sich für das Jahr 2001 die Frage, ob die Echtheit einer Urkunde auch dann unterstellt werden darf, wenn dafür ein rechtswidriger Vertretungswille der Beteiligten angenommen werden muss. Dieser Wille ist wohl nur dann nicht rechtswidrig gewesen, wenn der Sohn berechtigt war, unter Verwendung des Kassenarztstempels ein Attest "i. V." zu zeichnen. Das müsste aber dann wohl die Kassenärztliche Vereinigung beantworten: wenn die Frau Mutter zum Zeitpunkt der Abfassung des Attests bspw. auf den Malediven weilte und dies der Kassenärztlichen Vereinigung ordnungsgemäß angezeigt worden ist, besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Sohn zu Untersuchung und Attestierung im Jahr 2001 berechtigt war.

 

 

Nein, weil nur Fachärzte vertreten dürfen. Aber wenn die Mutter plötzlich schwer erkrankt war, dann wäre es zulässig gewesen.

 

crusius schrieb:

 

5. Damit kommen wir zum Jahr 2002, in dem die "Zweitschrift" abgefasst wurde, die dem LG Nürnberg während der Verhandlung vorlag. Hier soll bei genauer Betrachtung das "i. V." ebenfalls lesbar gewesen sein. Das zugestanden ergibt sich aber die Frage, warum eine Zeichnung "i. V." noch erforderlich gewesen sein soll. Schließlich war der Sohn als Facharzt zum eigenständigen Zeichnen von Attesten berechtigt.

Ja, als Facharzt konnte er eigenständig zeichnen. Aber bitte schön in seiner eigenen Praxis, auf seinen eigenen Briefbögen. Es ist nicht zulässig, mal so einfach bei der Mutter mitzuarbeiten (schon wegen der Zulassungssperren und der möglichen Vergrößerung der Praxisumfanges durch illegal mitarbeitende Ärzte). Wäre er Partner in einer Gemeinschaftspraxis oder auch genehmigter angestellter Arzt gewesen, so hätte man dies auf dem Briefbogen erkannt.

 

crusius schrieb:

 

Wiederum ist es ja zumindest denkmöglich, dass auch zu diesem Zeitpunkt der Sohn die Mutter im kassenärztlichen Sinne vertreten hat. Dann wäre eine Zeichnung "i. V." wohl unproblematisch. Wenn das nicht der Fall war und die Beschäftigung des Sohnes in der Praxis der Mutter rechtswidrig war, stellt sich wiederum die Frage, ob ein rechtswidriger Vertretungswillen eine echte Urkunde veranlassen kann. Oder das Gericht ging davon aus, dass der Facharzt Markus Reichel in Vertretung des Weiterbildungsassistenten Markus Reichel gezeichnet hat. 6. Aus diesen Überlegungen ergeben sich für mich die folgenden Fragen: a) Kann ein rechtswidriger Vertretungswillen dennoch zu einer im strafrechtlichen Sinne echten Urkunde führen? b) Welche Folgen ergeben sich im Rechtsverkehr aus der Verwendung des Kassenarztstempels hinsichtlich der Urheberrschaft einer von einem Arzt gezeichneten Urkunde? c) Hat der Sohn in den in Frage stehenden Zeiträumen die Mutter in einem kassenärztlich zulässigen Sinne vertreten?

 

Alles zutreffende Fragen. Im übrigen: selbst wenn man zum Schluss käme, dass das Attest keine unechte Urkunde ist, so ist die Tatsache, dass ein Lehrling das Attest ausgestellt hat, eine neue Tatsache. Wenn man weiß, dass ein relativ unerfahrener Arzt Aussteller ist, so hätte dieser beispielsweise zwingend dazu befragt werden müssen, ob aus dem Befund auf eine einfache oder eine schwere Körperverletzung zu schließen ist. Bei Hinweis auf eine schwere Körperverletzung darf das Attest ohnehin nicht nach § 256 StPO verlesen werden. Richter Brixner hat es dennoch getan, weil er von einer erfahrenen Fachärztin ausgegangen ist.

5

Da das Gericht alle Wiederaufnahmebegründungen nicht als relevant angesehen hat, würde mich einmal interessieren, welche Gründe bei anderen Wiederaufnahmeverfahren als stichhaltig angesehen wurden.

Müßten hier nicht Nachbesserungen des Gesetzgebers oder des obersten Gerichtes stattfinden, was relevante Wiederaufnahmebegründungen sind ?

Ich glaube, dass viele Juristen auch nicht wissen was relevante Wiederaufnahmebegründungen die zwingend für ein Wiederaufnahmeverfahren sind.

Und normale Bürger bevor teuere Rechtsanwälte eingeschaltet werden, das auch wissen sollten.

 

 

4

Das Schlimme an diesem Fall - abgesehen von der Situation des Herrn Mollath - ist der Schaden den das Ansehen der Justiz davon trägt. Dafür sind sicher zu einem gewissen Teil etwas gespürlose Entscheidungen der Gericht verantwortlich, zu anderen wird aber auch viel Unrichtiges geschrieben.

Ich war selbst sehr enttäuscht vom Beschluss des LG Regensburg. Man hätte das sicher juristisch vertretbar auch anders entscheiden können. Man muss aber, zumindest mal versuchen, die Gründe nachzuvollziehen:

Ich beziehe mich auf die guten Fragen im Kommentar von V. Korte:

V. Korte schrieb:
Für mich klingt der Satz ebenso, wenn ein Mörder nur mit der Möglichkeit des Todes seines Opfers rechnet und sich (bloß)damit abfindet, dass sein Opfer auch stirbt, begeht er keine Straftat.

Nein, so ist es nicht zu verstehen. Es gibt 3 Stufen des Vorsatzes. Für Manche Straftatbestände genügen alle 3 Stufen (wie Mord), manche Straftatbestände kann man nur mit der höchsten Stufe erfüllen. Bei Rechtsbeugung sagt der BGH im Ergebnis, dass die dritte Stufe (bedingter Vorsatz) nicht ausreicht. Das kann man durchaus kritisieren, ist aber nicht Sache des LG Regensburg gewesen, dass hier schlicht die Vorgabe des BGH zitiert. Grundsätzlich sind aber Einschränkungen der Vorsatzform etwas völlig Normales.

V. Korte schrieb:
 "Selbst die bloße objektive Unvertretbarkeit einer
Entscheidung begründet aber noch keine Rechtsbeugung."

Wenn man den 2. Satz liest, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass es gar keine Rechtsbeugung gibt und nie eine geben kann, faktisch ein Freifahrtschein.

Zu jeder Straftat gehört eine subjektive Tatseite. Sie sind kein Dieb, nur weil sie objektiv eine fremde Sache mit nach Hause genommen haben. Sie müssen es auch subjektiv wissen. Wenn Sie zum Beispiel ein Fahrrad verwechseln und dann in der Meinung, es gehöre Ihnen, damit nach Hause fahren, begehen Sie keinen Diebstahl. Was das LG hier schreibt: Für die Rechtsbeugung genügt es nicht, dass die Entscheidung objektiv falsch ist, wenn der Richter sie irrtümlich für richtig hält. Deswegen wird die Entscheidung natürlich noch lange nicht richtig, genausowenig wie Sie Eigentümer des mitgenommenen Fahrrads werden. Man wird aber weder Sie noch den Richter dafür bestrafen. 

 

V. Korte schrieb:
Ich weiss nicht, wie man der Meinung sein kann Rechtssicherheit zu gewährleisten, indem man Unrecht begeht.

Das ist ein zentraler Punkt in dieser Diskussion und sollte wirklich besser erklärt werden. Danke, dass Sie es ansprechen. Das Problem ist: Rechtssicherheit (vielleicht besser Rechtsfrieden) kann es nur geben, wenn mit dem Streiten irgendwann mal Schluss ist. Vor Gericht beharren oft alle Beteiligten über Jahre auf ihren Positionen. Aber irgendwann sagt der Rechtsstaat dann mal: "So jetzt ist Schluss. Jetzt ist es so wie entschieden. Ende der Diskussion." Dabei kann kein Mensch in keinem Verfahren mit absoluter Sicherheit sagen, dass diese Entscheidung nicht falsch ist. Aber das müssen wir hinnehmen, weil wir uns sonst heute noch über Ladendiebstähle und Scheidungen von 1985 streiten würden; in der 17. Instanz. Wir können uns also eigentlich relativ sicher sein, dass es 1986 irgendwo Fehlurteile über Diebstähle von 1985 gegeben hat. Aber wir sind uns auch sicher, dass es mit dem Rechtsfrieden unverträglich wäre, diese wieder aufzurollen. Rechtsfriede kann also durchaus auch durch ein falsches Urteil hergestellt werden. 

Natürlich ist das nicht der Idealzustand. Aber überall wo Menschen am Werk sind, passieren Fehler. Für ganz krasse Ausnahmefälle haben wir das Wiederaufnahmeverfahren. Das soll aber gerade nicht schon dann greifen, wenn das Urteil falsch war. Da muss schon viel zusammenkommen. 

 

V. Korte schrieb:
Dieser Beschluss ist für mich als Laien eine erneute Rechtsbeugung im Falle Mollath.

Viele Juristen sind der Meinung, dass in diesem Fall genug zusammengekommen ist, um eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen. Ich finde das auch. Ich kann aber durchaus auch nachvollziehen, dass man das anders sehen kann, gerade unter dem Aspekt, dass das Urteil für Mollath damals ein Freispruch war (die aktuelle Unterbringung ist mehr eine Frage der jährlich stattfindenden Vollstreckungsentscheidungen als des Wiederaufnahmeverfahrens). Die Entscheidung des LG Regensburg wäre anders sicher auch vertretbar gewesen und insofern finde ich es bedauerlich. Sie ist aber sicher weit entfernt von einer Rechtsbeugung. 

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Markus schrieb:

.....

Viele Juristen sind der Meinung, dass in diesem Fall genug zusammengekommen ist, um eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen. Ich finde das auch. Ich kann aber durchaus auch nachvollziehen, dass man das anders sehen kann, gerade unter dem Aspekt, dass das Urteil für Mollath damals ein Freispruch war (die aktuelle Unterbringung ist mehr eine Frage der jährlich stattfindenden Vollstreckungsentscheidungen als des Wiederaufnahmeverfahrens). Die Entscheidung des LG Regensburg wäre anders sicher auch vertretbar gewesen und insofern finde ich es bedauerlich. Sie ist aber sicher weit entfernt von einer Rechtsbeugung. 

Man kann das so sehen. 

Allerdings wird es dann Aufgabe des Gesetzgebers sein, die Kriterien für das Vorliegen von Rechtsbeugung so eng zu fassen, daß Richter zur Verantwortung für ihr Tun gezogen werden können.

Das ist in jedem anderen Beruf so, warum sollte das für Richter nicht gelten?

Die Justiz-Juristen haben immer noch die falsche Vorstellung von ihrem Job.

Sie sind Dienstleister für die Bevölkerung bei der Anwendung von Gesetzen, nicht mehr und nicht weniger, und diese Dienstleistung sollen sie ordungsgemäß erbringen. 

 

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Markus schrieb:

Zu jeder Straftat gehört eine subjektive Tatseite. Sie sind kein Dieb, nur weil sie objektiv eine fremde Sache mit nach Hause genommen haben. Sie müssen es auch subjektiv wissen. Wenn Sie zum Beispiel ein Fahrrad verwechseln und dann in der Meinung, es gehöre Ihnen, damit nach Hause fahren, begehen Sie keinen Diebstahl. Was das LG hier schreibt: Für die Rechtsbeugung genügt es nicht, dass die Entscheidung objektiv falsch ist, wenn der Richter sie irrtümlich für richtig hält. Deswegen wird die Entscheidung natürlich noch lange nicht richtig, genausowenig wie Sie Eigentümer des mitgenommenen Fahrrads werden. Man wird aber weder Sie noch den Richter dafür bestrafen. 

 

Die Justiz würde sich einen großen Gefallen tun, wenn sie ähnlich verständlich argumentierte wie Sie. Danke dafür.

 

Das Beispiel mit dem versehentlich mitgenommenen Fahrrad gefällt mir. Im vorliegenden Falle würde es besser passen, wenn man es dahingehend erweiterte, dass derjenige, dem das Fahrrad abhanden gekommen ist, sich danach ein neues kauft. Dieses Fahrrad wird dann von demselben Verwechsler wieder irrtümlich mit nach Hause genommen. Dieser Vorgang wiederholt sich dann noch 5 -10 mal. Immernoch fehlender Vorsatz ?

 

Zudem finde ich es befremdlich, dass die Justiz - letztlich in Gestalt der BGH Entscheidung - sich selbst den Maßstab setzen kann, ab wann ihr Handeln den Tatbestand des Verbrechens erfüllt. Umsomehr als dieser Maßstab deutlich großzügiger erscheint, als der Maßstab den die Justiz anlegt, um anderer Leute Handeln zum Verbrechen zu erklären.

5

...man scheint hier in der Ablehnung der Wiederaufnahmeanträge vergessen zu haben, dass VR Brixner selbst unter Zeugen und Schöffen (zB. Herrn  Westenrieder) Herr Westenrieder berichtet davon, dass Brixner gegenüber den Richtern von seiner eigenen Befangenheit gesprochen habe. Er dürfe jetzt nicht von seiner Bekanntschaft zu Maske sprechen, sonst würde er für befangen erklärt, so Brixner damals  im Richterzimmer. Also wenn das dann kein bewiesener Vorsatz ist, den Prozess dann trotzdem zu führen?

Wieder kein Vorsatz und wieder keine Rechtsbeugung!

 

http://www.schattenblick.de/infopool/parl/land/bay-3568.html

 

 

Ole schrieb:

Markus schrieb:

Zu jeder Straftat gehört eine subjektive Tatseite. Sie sind kein Dieb, nur weil sie objektiv eine fremde Sache mit nach Hause genommen haben. Sie müssen es auch subjektiv wissen. Wenn Sie zum Beispiel ein Fahrrad verwechseln und dann in der Meinung, es gehöre Ihnen, damit nach Hause fahren, begehen Sie keinen Diebstahl. Was das LG hier schreibt: Für die Rechtsbeugung genügt es nicht, dass die Entscheidung objektiv falsch ist, wenn der Richter sie irrtümlich für richtig hält. Deswegen wird die Entscheidung natürlich noch lange nicht richtig, genausowenig wie Sie Eigentümer des mitgenommenen Fahrrads werden. Man wird aber weder Sie noch den Richter dafür bestrafen. 

 

Die Justiz würde sich einen großen Gefallen tun, wenn sie ähnlich verständlich argumentierte wie Sie. Danke dafür.

 

Das Beispiel mit dem versehentlich mitgenommenen Fahrrad gefällt mir. Im vorliegenden Falle würde es besser passen, wenn man es dahingehend erweiterte, dass derjenige, dem das Fahrrad abhanden gekommen ist, sich danach ein neues kauft. Dieses Fahrrad wird dann von demselben Verwechsler wieder irrtümlich mit nach Hause genommen. Dieser Vorgang wiederholt sich dann noch 5 -10 mal. Immernoch fehlender Vorsatz ?

 

Zudem finde ich es befremdlich, dass die Justiz - letztlich in Gestalt der BGH Entscheidung - sich selbst den Maßstab setzen kann, ab wann ihr Handeln den Tatbestand des Verbrechens erfüllt. Umsomehr als dieser Maßstab deutlich großzügiger erscheint, als der Maßstab den die Justiz anlegt, um anderer Leute Handeln zum Verbrechen zu erklären.

Das Beispiel mit dem verwechselten Fahrrad gefällt mir auch.

Welcher Richter würde mir denn meine Story mit der Verwechslung abnehmen, wenn ich gar kein Fahrrad besitze oder meines vollkommen anders aussieht, so daß eine "Verwechslung" bei gesundem Menschenverstand unwahrscheinlich bzw. gar nicht möglich wäre ?

Oder anders gefragt: Wer glaubt z. B. ernsthaft, daß Herr Brixner unter "sofortiger Vorführung beim zuständigen Richter" die 24-Stunden Frist irrtümlich mit 24-tägigen Frist verwechselt hat ?

Und von dieser Sorte Entscheidungen gab es noch eine ganze Reihe weiterer. 15 mal das Fahrrad verwechselt???

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Jo Jo schrieb:

Das Beispiel mit dem verwechselten Fahrrad gefällt mir auch. Welcher Richter würde mir denn meine Story mit der Verwechslung abnehmen, wenn ich gar kein Fahrrad besitze oder meines vollkommen anders aussieht, so daß eine "Verwechslung" bei gesundem Menschenverstand unwahrscheinlich bzw. gar nicht möglich wäre ? Oder anders gefragt: Wer glaubt z. B. ernsthaft, daß Herr Brixner unter "sofortiger Vorführung beim zuständigen Richter" die 24-Stunden Frist irrtümlich mit 24-tägigen Frist verwechselt hat ? Und von dieser Sorte Entscheidungen gab es noch eine ganze Reihe weiterer. 15 mal das Fahrrad verwechselt???

 

Mir gefällt das Beispiel mit der Verwechslung auch. Wenn ich als Chirurg dem Herrn Peter Müller ein Bein amputiere und später feststellen muss, dass es eine Verwechslung war und eigentlich dem ANDEREN Peter Müller ein Bein amputiert werden sollte, haben die Richter wenig Verständnis. Mangelnde Erfüllung der Sorgfaltspflichten, vermeidbare Fehler, mangelnde Kontrolle, Organisationsverschulden u.v.m. heißt es dann.

 

5

Jo Jo schrieb:
Ole schrieb:

Das Beispiel mit dem versehentlich mitgenommenen Fahrrad gefällt mir. Im vorliegenden Falle würde es besser passen, wenn man es dahingehend erweiterte, dass derjenige, dem das Fahrrad abhanden gekommen ist, sich danach ein neues kauft. Dieses Fahrrad wird dann von demselben Verwechsler wieder irrtümlich mit nach Hause genommen. Dieser Vorgang wiederholt sich dann noch 5 -10 mal. Immernoch fehlender Vorsatz ?

Das Beispiel mit dem verwechselten Fahrrad gefällt mir auch. Wer glaubt z. B. ernsthaft, daß Herr Brixner unter "sofortiger Vorführung beim zuständigen Richter" die 24-Stunden Frist irrtümlich mit 24-tägigen Frist verwechselt hat ? Und von dieser Sorte Entscheidungen gab es noch eine ganze Reihe weiterer. 15 mal das Fahrrad verwechselt???

 

Ich möchte nochmal klarstellen, dass es mir nicht darum ging, ob Brixner Vorsatz hatte oder nicht. Ich habe lediglich sagen wollen, was das LG Regensburg meint, wenn es sagt, die objektive Rechtswidrigkeit des Urteils genügt nicht. Ob Brixner damals (direkten) Vorsatz hatte, wissen wir alle nicht. Möglich ist, dass er die Verstrickungen um die Bank der Frau und ihren Lebensgefährten kannte und tatsächlich absichtlich falsch entschied. Möglich ist aber auch, dass ihn 20 bis 30 Jahre als Strafrichter einfach zu einem schlampig arbeitenden, selbstgefälligen Menschen haben werden lassen, dem das alles ziemlich egal war. Beides wäre schlimm genug, hat für die Wiederaufnahme aber unterschiedliche Konsequenzen.

Ole schrieb:
Die Justiz würde sich einen großen Gefallen tun, wenn sie ähnlich verständlich argumentierte wie Sie. Danke dafür.

In der Juristerei hat sich wie in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft eine gewisse Fachsprache entwickelt. Wenn ich eine biologische Abhandung lese verstehe ich auch wenig. Bei einem Urteil hat das natürlich eine andere Tragweite, weil es gerade auch dafür gedacht ist, von dem Betroffenen gelesen zu werden. Andererseits muss die Justiz in gewissen Rahmen juristisch formulieren, weil sonst der Beschluss statt 100 Seiten 2000 Seiten gehabt hätte. Es ist nicht immer leicht, hier das richige Mittelmaß zu treffen. Gerade wenn die Rechtsfragen umstritten werden und mit Druck von allen Seiten gearbeitet wird, zieht man sich als Jurist lieber auf die bekannten und bewährten Formulierungen zurück, um Missverständnisse zu vermeiden und präzise arbeiten zu können. 

Quote:
Im Grunde sind es die (Ober)Präsidenten gepaart mit jenen Kammer- und Senatszuständigkeiten, die politisch-erheblich erscheinende Fälle durch ihre Vorsitzenden  auf "politisch-korrekte" Linie bringen und "abgreifen", die den Auftrag der "christlich-sozialen Justizhoheit" exekutieren - immer "IM NAMEN DES VOLKES".

Das halte ich, gelinde gesagt, für ziemlichen Unsinn. Wenn man schon mit Verschwörungstheorien durch die Lande zieht, sollten diese wenigstens plausibel sein. In der CSU Parteizentrale wurde ein solcher Beschluss als worst-case Szenario gehandelt. Nichts wäre Seehofer und Merk lieber gewesen, als dass kurz vor der Landtagswahl ein wenig Druck aus der Sache kommt und man sich ggf. sogar als Retter inszenieren kann. So sitzt man jetzt vor einem Scherbenhaufen: Merks Wiederaufnahmeantrag wurde zurückgewiesen, Seehofers Wutausbruch haben die Gerichte mit einem "Kümmer dich um deinen eigenen Scheiss" quittiert, die CSU-Gegner haben immer noch ein tolles Vehikel um Menschen auf die Straßen zu bringen und Schlötterer werden seine Anti-CSU-Bücher aus der Hand gerissen. 

Man kann es wohl so formulieren: Wenn man als Richter irgendwie der CSU hätte schaden wollen, dann wäre diese Entscheidung genau die richtige.

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Markus schrieb:

Zu jeder Straftat gehört eine subjektive Tatseite. Sie sind kein Dieb, nur weil sie objektiv eine fremde Sache mit nach Hause genommen haben. Sie müssen es auch subjektiv wissen. Wenn Sie zum Beispiel ein Fahrrad verwechseln und dann in der Meinung, es gehöre Ihnen, damit nach Hause fahren, begehen Sie keinen Diebstahl. Was das LG hier schreibt: Für die Rechtsbeugung genügt es nicht, dass die Entscheidung objektiv falsch ist, wenn der Richter sie irrtümlich für richtig hält. Deswegen wird die Entscheidung natürlich noch lange nicht richtig, genausowenig wie Sie Eigentümer des mitgenommenen Fahrrads werden. Man wird aber weder Sie noch den Richter dafür bestrafen.

 

Ich bin Nichtjurist, glaube aber über einen gesunden Menschenverstand zu verfügen.

 

Wenn derjenige das Rad mit nach Hause nimmt Fahrradhändler ist, dann kann er nicht behaupten, er habe das Rad verwechselt.

Wenn ein Richter der gesetzlich zur Sorgfalt verpflichtet ist, sagt, er habe die Verteidigungsschrift des Angeklagten nicht gelesen, weil er dazu keine Zeit hatte, dann aber ein Urteil fällt, dann ist das keine harmlose Unterlassung mehr, sondern Rechtbeugung.

 

Zum Glück gibt es noch das Bundesverfassungsgericht wo dieser Fall zweifellos landen wird. Ich nehme nicht an, dass das OLG Nürnberg der sofortigen Beschwerde statt gibt.

 

Ich bin gespannt, ob sie dann immer noch behaupten, das alles seine Ordnung hat.

 

Robert Stegmann

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Eine Frage an alle juristisch gebildeten Menschen, die hier mitlesen, also nicht dem inkompetenten Mob angehören, der zu unserer Verzweiflung sog. shitstorms anrichtet, die nicht mal von der ZEIT oder von Frau Lakotta korrigiert werden können:
http://bayernspd-landtag.de/presse/details.cfm?ID=16001&aktiv=1#.UdbmTG1...
"Dem Untersuchungsausschuss zum „Fall Mollath“ liegt inzwischen die von der SPD angeforderte Stellungnahme von Heinz Westenrieder vor. Darin bestätigt der damalige Schöffe seine Angaben in „Report Mainz“, wonach Richter Brixner wegen der Bekanntschaft mit Martin Maske von seiner eigenen Befangenheit sprach sowie dass Dr. Wörtmüller, ein lange wegen Befangenheit ausgeschiedener Gutachter, mit Richter Brixner während einer Verhandlungspause sprach. Der Richter soll daraufhin über Mollath gesagt haben: „Dem Mann schaut ja der Wahnsinn aus den Augen.“
Wie kann man einem Nichtjuristen erklären, dass und warum Herr Brixner nicht befangen war? Wenn ein Richter sich nachweislich vor und während der Verhandlung schon ein Urteil gebildet hatte, er die Verhandlung dennoch weiterführt und ein Urteil spricht: wie kann ein solches Urteil Bestand haben? Das versteht ein "Normalmensch" nicht. Und wenn es "der Justiz" nicht gelingt und klarer Sprache und nachprüfbarer Logik das verständlich zu machen ist sie eine Art abgehobener Priesterkaste, die mit Gewalt verlangt ihr Geheimwissen zu befolgen, zu verehren, zumindest ihm nicht zu widersprechen.
Ich gehe natürlich davon aus dass die Darstellung von Herrn Westenrieder stimmt.

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Angst vor Königsthronen? -  Parteisoldaten in Schlüsselpositionen der Justiz?

 

Vorstehend wurde trefflich ausgeführt, warum die Regensburger SO und nicht ANDERS entschieden haben.

 

Es hat - das lehrt die Praxis und die gemachte Erfahrung - auch mit WOLLEN und DÜRFEN zu tun. Mit - fehlender?- Zvilcourage. Damit, dass die "Angst vor Königsthronen" justament in Bayern doch noch sehr ausgeprägt erscheint ... ach ja.

 

Im Grunde sind es die (Ober)Präsidenten gepaart mit jenen Kammer- und Senatszuständigkeiten, die politisch-erheblich erscheinende Fälle durch ihre Vorsitzenden  auf "politisch-korrekte" Linie bringen und "abgreifen", die den Auftrag der "christlich-sozialen Justizhoheit" exekutieren - immer "IM NAMEN DES VOLKES".

 

Der Kurz-Slogan auf der Großdemo in Nürnberg am Samstag kann daher nur lauten mit Blick auf die Landtagswahl und die durchzuführende Justizreform:

 

FREIHEIT oder CHRISTLICH SOZIALE UNION

 

Der Kollege Strate hat heute vormittag (10-12 Uhr auf SWR 1 kurz vor 12 Uhr in seinem Schlusswort) sinngemäß zum Ausdruck gebracht:

Er hoffe auf eine baldige Entscheidung des BVerfG.

 

In der Zwischenzeit muss auch eine gesellschaftliche Diskussion vertieft werden, die sich mit den Verhältnissen in der Justiz, die der Fall GM aufscheinen lässt, stringent  auseinandersetzt.

 

Vom Volksbegehren "Stärkung der Unabhängigkeit der RichterInnen" bis zur Neuen Juristenvereinigung, die seit ca 10 Jahren mit ihrer berechtigen Forderung auf Installieren einer Selbstverwaltung der Justiz nicht weiter kommt - und dazu wohl eine wach gerüttelte Öffentlichkeit benötigt.

 

Hinweis auf Artikel 85 BV und auf Einrichtung eines Richterwahlgremiums usw usf. unter

http://aktionboss.de/zur-notwendigkeit-einer-justizreform

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Das Verfahren im Fall Mollath wird nicht neu aufgerollt – so die überraschende Entscheidung des Landgerichts Regensburg. Zum Problem wird das für Justizministerin Merk. Sie hatte dafür gekämpft.

 

Der altgediente Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl versucht seit Minuten verzweifelt, in seine Brezel zu beißen, doch sein Telefon steht nicht still. Der Fall Gustl Mollath brachte Meindl bereits um seine Weihnachtsferien, als er einen in Bayern einmaligen Antrag formulierte und Urteile von Richterkollegen sezierte.

 

http://www.welt.de/politik/deutschland/article118352884/Fall-Mollath-wird-zum-Problem-fuer-Ministerin-Merk.html

 

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"Irgendwann muss Schluss sein, irgendwann müssen die Akten geschlossen werden, muss das Vergeben und Vergessen beginnen. Diesen Schlusspunkt nennen die Juristen Rechtskraft. Erst ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft, dann sprechen Richter ein Urteil, das andere Richter womöglich in Berufung und Revision überprüfen. Und irgendwann ist der Weg durch die Instanzen zu Ende, ein Urteil wird rechtskräftig."

 

Das Opfern oder Opferangehörigen das restliche Leben zum Problem wird, also das Leben nicht mehr lebenswert ist, interessiert die Justiz nicht.

  

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@ gelegentlich

Ich denke, hier ist weniger juristischer Sachverstand gefragt, sondern vielmehr eine vernünftige, offene Herangehensweise und Verwertung der bekannten Informationen.

Auch ich gehe davon aus, dass Herrn Westenrieders Darstellung stimmt, allerdings würde ich ihm als unmittelbar Beteiligtem noch einige Fragen stellen, wenn ich Gelegenheit dazu hätte. Auf jeden Fall würde ich mir das Interview noch einmal genau anhören und darauf achten, was er tatsächlich gesagt hat, dann erst würde ich mich fragen, wie ich das einzuordnen habe. Die stark verkürzende Interpretion der SPD fördert m.E. nicht das Verständnis der Gesamtsituation. Wenn Sie sich die Mühe machen wollen und die PMs der SPD durchsehen, werden Sie auf die Äußerung von Frau Aures stoßen, Brixner habe sogar zwei HVB-Leute gekannt. Spätestens hier sollte man sich fragen, welche Bedeutung diese Bekanntschaften überhaupt haben. Leider ist es schon längst ein anscheinend unhinterfragbarer Glaubenssatz, dass das (enge?) Verhältnis zu Maske die Rechtsbeugungsabsicht motiviert habe. Aber warum nur würde ein Richter, der mit langer Vorlaufzeit und mit unvorstellbarem Aufwand ein Verfahren manipuliert hat, den Erfolg dieser Manipulation durch solche Äußerungen gefährden? Dazu habe ich auch schon diverse psychologisierende Erklärungen gelesen, aber sie überzeugen mich nicht: allein deshalb schon nicht, weil Alternativüberlegungen nicht angestellt werden. Ich kann auch keine schlüssige Begründung erkennen, dass Wörthmüller im Auftrag von Brixner die Schöffen „eingenordet“ haben soll. Was, wenn er selbst auch „eingenordet“ worden wäre und seine viel zitierte Äußerung über den Wahnsinn und die Augen nichts anderes wäre als eine äußerst unprofessionelle, natürlich höchst problematische Bestätigung von Vorurteilen? Im Ergebnis wäre der Richter natürlich auch befangen, es könnte nur eben schwierig werden, ihm Vorsatz vorzuwerfen und ein strafbares Verhalten zu erkennen.

Um zu einer validen Einschätzung zu kommen und Ihre Frage seriös beantworten zu können, wären weitere Informationen notwendig, die leider nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind: die Zeugenaussage Brixners bei der Regensburger Staatsanwaltschaft, die vom Untersuchungsausschuss erbetene schriftliche Zeugenaussage der Berichterstatterin, Äußerungen der Schöffin Herzog sind ebenfalls nicht bekannt. Ein Wiederaufnahme-Verfahren wird es möglicherweise nicht geben, so werden die gravierenden Rechtsverletzungen und die Entstehungsbedingungen des Urteils auch nicht mehr thematisiert werden.

Obwohl die Rechtsbeugungsvorwürfe in ihrer Qualität und Quantität erdrückend sind, hat es das LG verweigert, ihnen nachzugehen. Verweigert wurde aber auch die Berücksichtigung der anderen WA-Gründe und die Betrachtung der Gründe in ihrer Gesamtheit. Und unter dem Eindruck der gestrigen Nachricht frage ich mich, welche WA-Gründe das LG Regensburg nicht wegargumentiert hätte.

Den Vergleich der Justiz mit der „abgehobenen Priesterkaste“ finde ich übrigens sehr treffend und ich glaube nicht, dass sie durch ihr Wirken in der sog. Causa Mollath bis in die Gegenwart an Akzeptanz und Legitimität gewinnt.

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Entscheidung des Verfassungsgerichts “in den kommenden Wochen”?

Zwar hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg die Fortdauer-Entscheidung des Landgerichts Bayreuth für das Jahr 2011 bestätigt, aber Mollaths Anwalt Michael Kleine-Cosack hat im Januar 2012 dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben. Nach Informationen der taz will das Bundesverfassungsgericht hierüber voraussichtlich in den kommenden Wochen entscheiden.
http://www.taz.de/Massregelvollzug-fuer-Gustl-Mollath/!120580/

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@ Robert Stegmann

 

„Wenn ein Richter der gesetzlich zur Sorgfalt verpflichtet ist, sagt, er habe die Verteidigungsschrift des Angeklagten nicht gelesen, weil er dazu keine Zeit hatte, dann aber ein Urteil fällt, dann ist das keine harmlose Unterlassung mehr, sondern Rechtbeugung.“

Ist das wirklich schon Rechtsbeugung?

Ich wundere mich ein wenig, dass dieser Vorwurf so häufig erhoben wird, während von der Abwesenheit einer qualifizierten, engagierten Verteidigung vergleichsweise selten die Rede ist.

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Meines Erachtens ist das Kind im Ausgangsverfahren in den Brunnen gefallen. Dort hätte GM über seinen Verteidiger durch Beweisanträge weitere Sachaufklärung erzwingen müssen und, falls dies erfolglos bleibt, in der Revision entsprechende Rügen zur Sachaufklärung und etwaigen Verfahrensfehlern anbringen müssen. Der Verteidiger, der ebenso wie Mollath, von diesem Amt entbunden werden wollte, weil das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben war, hat das alles aber nicht gemacht, so dass das Urteil letzten Endes rechtskräftig wurde. Das Urteil über das Wiederaufnahmeverfahren reparieren zu wollen, ist angesichts der engen Gründe für ein Wiederaufnahmeverfahren, äußerst schwierig wie sich zeigt. Grundsätzlich ist es, wie schon geschrieben wurde, richtig, dass es strenge Voraussetzungen für ein Wiederaufnahmeverfahren gibt, weil die Rechtskraft ein hohes Gut ist. Der Gesetzgeber dachte allerdings daran, dass sowohl Verteidiger als auch Gericht ihren Job sorgsam und gewissenhaft ausüben...

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Gast99 schrieb:

Grundsätzlich ist es, wie schon geschrieben wurde, richtig, dass es strenge Voraussetzungen für ein Wiederaufnahmeverfahren gibt, weil die Rechtskraft ein hohes Gut ist. Der Gesetzgeber dachte allerdings daran, dass sowohl Verteidiger als auch Gericht ihren Job sorgsam und gewissenhaft ausüben...

Der Witz dabei ist: würden die Richter ihre Arbeit ordentlich machen, bräuchte es keine hohen Hürden für eine Wiederaufnahme, da die Fehlerquellen wie im Fall Mollath, wie unechtes Attest oder Glaubwürdigkeit der Zeugin, etc. schon im Prozess geprüft worden wären...

Insofern scheint das Argument "Rechtsfrieden" lediglich als Rechtfertigung entsprechender Defizite zu dienen.

Der Aufwand für den "Erhalt des Rechtsfriedens" ist außerdem nach der heutigen Maxime unverhältnismäßig. Die Wiederholung des Prozesses würde max. 1 Tag dauern. An der "Abwehr der WA-Anträge" haben 3 Richter über 5 Monate gebrütet und es ist noch nicht vorbei!

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@ Xaerdys #15

Sie schreiben:

"Mit Verlaub, Herr Professor Müller.

Im Grunde kann man ein Urteil nicht bewerten, ohne Akte und Hauptverhandlung zu kennen."

und später

"Der Beschluss des LG Regensburg scheint mir rechtlich gesehen jedenfalls völlig korrekt."

 

Daraus schließe ich, dass Sie Akte und Hauptverhandlung kennen. Ist das richtig? Oder habe ich jetzt einen Widerspruch aufgedeckt?

Aber Ihnen scheint ja auch nur .....

 

Ich vertraue darauf, dass Herr Prof. Müller und auch Herr Dr. Strate sich die 115 Seiten der Zurückweisung genauer anschauen und begründen, und nicht am Schluss lediglich schreiben, was ihnen scheint ...

 

Können Sie mir verraten, wie eine Revision angenommen oder abgewiesen wird, wenn das Revisionsgericht die Hauptverhandlung nicht kennt?

5
Mollaths leidenschaftliche Unterstützer Während Gustl Mollath noch den Beschluss der Strafkammer verdauen muss, schäumen viele seiner Unterstützer vor Wut und beschimpfen die Richter. Die einstige CSU-Rebellin Pauli will Mollath für die Eröffnung der Bayreuther Festspiele herausholen.

 

 

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/politik/artikel/mollaths-leidenschaftliche-unterstuetzer/942694/mollaths-leidenschaftliche-unterstuetzer.html

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Quote:
Markus schrieb:
Dann hab ich wirklich lieber eine streng formalistische Justiz, die ohne Gefühlsregung Entscheidungen trifft.

Das sehe ich auch so. Eine Justiz, die unechte Atteste als unechte Atteste behandelt, die einen befangenen Richter erkennt und daraus die richtigen Schlußfolgerungen zieht, die verlangt, dass Vorwürfe (Reifenstechereien) bewiesen werden müssen und und und...
So etwas wie "Mollathfraktion" trifft für sehr viele Menschen nicht zu. Auch für mich nicht. Ich kenne Herrn Mollath nicht. Auf der Basis der öffentlich zugänglichen Dokumente ist hier massives Unrecht geschehen, das Ansehen der Justiz hat enorm gelitten, die Reputation einiger Journalisen und früher angesehener Psychiater ist in den Keller gerauscht - und die Hintergründe der Affäre sind bei Weitem nicht aufgeklärt. Und als Staatsbürger lasse ich mich nicht gerne für dumm verkaufen.

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Von dem Fanatismus, der immer wieder den Kritikern der bayerischen Justiz unterstellt wird, kann ich beim besten Willen nichts erkennen. 

 

Im Gegenteil: fast schon zwanghaft wird hier versucht zu dämonisieren - das beste Beispiel der Versuch, G. Mollath mittels des SAT1-Beitrages anzudichten, er, Zitat: drehe "voll in den Hassmodus"....ist das Wahn oder Wunschdenken? 

 

Die bayerische Justiz ist kritikwürdig! 

 

Für mich ist es überaus beruhigend - als ehem. Polizist und als Justizopfer - dass sich die Bürger nicht mehr alles gefallen lassen, dass sie Zivilcourage zeigen und dass sie sich von der Obrigkeits-Hörigkeit und auch den Manipulationen (unsäglich Otto Braun, Nordb.Kurier) der Hofschreiber emanzipieren. 

 

Das lässt für die Wahl im September gutes ahnen....denn diese Justiz ist ein Produkt der CSU: zwei Monate vor der Wahl wird der ehemalige Stolz von Bayern nun- zumindest nach außen - wie ein Schmuddelkind behandelt. Das lässt tief blicken. 

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@Johannes Nachname
Sie parasitieren hier schamlos an der Tatsache, dass das wirkliche Leben Geschichten schreibt, die sich kein Drehbuchautor aufzuschreiben getrauen würde - aus Angst, der Kolportage verdächtigt zu werden.

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Nur mal am Rande:

 

Gemäß § 256 StPO können ärztliche Atteste über Körperverletzungen, die nicht zu den schweren gehören, verlesen werden.

Das Attest wurde verlesen.

Brixner selbst schreibt in seinem Urteil, dass Mollath eine schwere Körperverletzung begangen habe (Seite 19 unten).

 

Eigentlich dürfte das Attest doch überhaupt nicht verlesen werden. Das Attest ist völlig wertlos, egal ob i.V. oder von Frau Reichel oder Herrn Reichel ausgestellt, denn laut Brixners Urteil geht es um schwere Körperverletzung. Bei schweren Körperverletzungen dürfen keine Atteste verwendet (verlesen) werden, vielmehr muss der Arzt als Sachverständiger aussagen.

 

Meine Schlussfolgerung:

es muss ein medizinischer Sachverständige heran. Dieser muss die Qualität des verlesenen Attestes analysieren, auf etwaige Mängel abklopfen (gibt es genug), überprüfen ob Würgen und schwere Körperverletzung damit belegt ist (nein, kein Nachweis von Petechien, keine Augenhintergrunduntersuchung etc., somit allenfalls blaue Flecken belegt)  und dann im Rahmen der Wiederaufnahme als neues Beweismittel /neuer Zeuge benannt werden.

Er ist auch ein überlegener Sachverständige, weil er erstens persönlich zur Verfügung stünde (im Gegensatz zur damaligen HV, bei der unzulässigerweise nur ein Attest verlesen wurde) und zweitens mal mindestens Universitätsprofessor ist (im Gegensatz zum Weiterbildungsarzt Markus Reichel).

 

 

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psychofan schrieb:

Nur mal am Rande:

 

Gemäß § 256 StPO können ärztliche Atteste über Körperverletzungen, die nicht zu den schweren gehören, verlesen werden.

Das Attest wurde verlesen.

Brixner selbst schreibt in seinem Urteil, dass Mollath eine schwere Körperverletzung begangen habe (Seite 19 unten).

 

Darüber war ich auch gestolpert. Das StGB macht aber einen Unterschied zwischen gefährlicher und schwerer Körperverletzung (§224 bzw §226 StGB). Bei ersterer erwächst die Strafverschärfung aus der Begehungsweise bei letzterer aus den Folgen. Mollath war der gefährlichen Körperverletzung angeklagt. Im Urteil steht soweit ich weiß nichts von schwerer Körperverletzung.

 

Man kann natürlich argumentieren, wenn für die Qualifikation einer Köperverletzung zu einer schweren Körperverletzung der Arzt persönlich in der Hauptverhandlung aussagen muss, dann muss beim Verlesen eines Attestes, welches die Qualifikation zur gefährlichen Körperverletzung stützen soll, zumindest die Identität und Qualifikation des Arztes erkennbar sein. Hier gelten strengere Anforderungen an die "Echtheit" einer Urkunde, als bei der Empfangsbestätigung für das Paket des Nachbarn.

 

Analogieschlüsse in der Juristerei gehen aber anders, wie man in der Beschwerde zum OLG gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags gesehen hat. Die dort angewandte Analogie geht wie folgt: Beschwerde ist immer möglich, nur in der Hauptverhandlung nicht. Der Richter darf aber je nach Gusto das komplette Wiederaufnahmeverfahren analog einer Hauptverhandlung sehen, obwohl es keine ist.

 

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Was für mich aktuell noch sehr interessant sein dürfte, das sind entsprechend öffentliche Stellungnahmen von Juristen zu diesem Urteil. Vielleicht in Zusammenfassung? Bis dato gibt es ja öffentlich in den Medien nur welche von Herrn Müller und natürlich Herrn Strate.

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Akula schrieb:

Was für mich aktuell noch sehr interessant sein dürfte, das sind entsprechend öffentliche Stellungnahmen von Juristen zu diesem Urteil. Vielleicht in Zusammenfassung? Bis dato gibt es ja öffentlich in den Medien nur welche von Herrn Müller und natürlich Herrn Strate.

http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/07/26/der-fall-mollath-die-letzt...

http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/mollath-wiederaufnahme-abgelehnt-psychiatrie-unterbringung/?googlenews=1&cHash=cbe38d8ea4e44df8747e4dd7d9b0419c

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Der Fall Mollath wird so oder so Rechtsgeschichte schreiben.

 

Das Grundproblem im vorliegenden Fall ist meiner Meinung nach die "juristische Wahrheit".

Würde ein Gericht regelkonform festellen, dass der Mond ein gründer Käse ist, dann wäre das juristisch wahr. Ansonsten ist es natürlich Käse. Trotzdem ist die Sache im allgemeinen nicht so offensichtlich und deshalb gibt es Regeln, wann eine Aussage vor Gericht "wahr" ist. Was im normalen Leben wie Aussage gegen Aussage aussieht, kann juristisch völlig anders aussehen. So macht es z.B. Sinn jemanden zu beschuldigen, da der Zeuge keinen Grund hat zu Lügen und deshalb seine Aussage zunächst einmal als "wahr" gilt. Objektiv muss dem nicht so sein (siehe z.B. den Fall Kaufmann, wo der Geliebte den Ehemann beschuldigte, es sich aber später herausstellte, dass der Geliebte gelogen hatte, weil selbst schuldig). Trotzdem genügt es dann eben nicht zu sagen ich war es nicht/ es war so nicht, jetzt gibt es eine Beweislast. Damit kann man zum einen juristisch ein Urteil erhalten, objektiv aber völlig falsch liegen.

Ein weiteres Problem ist die Beweiswürdigung. In jedem Verfahren gibt es widertreitende Aussagen/Details. Das Gericht hat diese zu prüfen und zu würdigen/bewerten. Diese Bewertung ist in gewisser Weise unanfechtbar. Sicher könnten andere Menschen zu anderen Ergebnissen kommen, dass ist aber irrelevant solange das Gericht die Dinge würdigt und dabei die gültigem Regeln einhält.

Deshalb ist dem Gericht/Prozessbeteiligten kein Vorwurf zu machen, wenn sie sich an die Regeln halten. Damit Urteile nicht ständig hinterfragt werden (Aufrechterhalten des Rechtsfriedens, was entschieden wurde gilt), gibt es sehr enge Regeln, die dazu führen können ein Urteil zu kippen, eine Wiederaufnahme zu erreichen.

Problematisch wird das Ganze, wenn die objektive Wahrheit plötzlich im Gegensatz zur juristischen Wahrheit steht bzw.

mit hoher Wahrscheinlichkeit steht. 

Dieser Fall führt regelmäßig zu widersinnigen Aktionen von Juristen, die versuchen den Rechtsfrieden zu verteidigen (Wir haben keine Fehler gemacht! Was in vielen Fällen ja durchaus stimmt. Aber muss deshalb ein Mensch im Gefängnis/Psychiatrie bleiben??) Die dem gesunden Menschenverstand völlig entgegenstehen und damit erst recht das Ansehen von Gerichten und auch des Rechtsstaats nachhaltig beschädigen.

Früher gab es das Recht der Begnadigung. Es wäre eine der sinnvollsten Aufgaben einen solchen Rechtskonflikt durch Begnadigung zu lösen. Rechtlich ist nichts mehr zu machen, aber das Unrecht kann durch einen Gnadenakt aufgelöst werden. Leider will niemand diesen Weg gehen. Der Betroffen nicht, weil ihm ja Unrecht geschehen ist. Die Justiz nicht, weil sie ja keine Fehler gemacht hat und sie es nicht ertragen kann, dass irgendjemand ihre Entscheidungen hinterfragt und sogar verändert. Der Bürger nicht, da ja der Rechtsstaat das Beste ist was es gibt und kein Einzelner das Recht hat "Willkürentscheidungen" zu treffen.

Wir werden sehen wie die Sache läuft. Es ist aber zu befürchten, dass es keine sinnvolle Lösung geben wird.

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Susi schrieb:

 

Wir werden sehen wie die Sache läuft. Es ist aber zu befürchten, dass es keine sinnvolle Lösung geben wird.

 

 

Oh doch. Eine Entscheidung durch das Bundesverfassungsgricht kann sehr wohl für eine sinnvolle Lösung sorgen.

 

Und wir dürfen nicht vergessen, Herr Mollath ist kein Einzelfall.

 

Das Grundgesetz wird ständig durch die Gerichte mißachtet, in dem sie §§ in ihren Fachgebieten deuten, wie sie weder der Gesetzgeber, noch das Bundesverassungsgericht jemals gesehen hat.

 

Robert Stegmann

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@psychofan
Vermutlich sind nicht mal unsere Gesetze schlecht. Vielleicht mit der Einschränkung, dass man dieser "forensischen Psychiatrie", die sich in diesem Fall als Quacksalber-Branche herausgestellt hat (mit Ausnahme der Gutachten, bei denen der Patient tatsächlich untersucht worden ist - aber die zählten dann nicht, unglaublicherweise!), niemals solch einen Stellenwert einräumen darf. Das wird ja hoffentlich jetzt geändert.
Das Problem hier scheint der Korpsgeist der bisher befaßten Richterschaft zu sein, die hier keinen Sophismus scheut, nur um den gefallenen "Engel" Brixner zu schützen. Einem Nichtjuristen ist einfach nicht zu vermitteln, dass ein Richter, der nach eigenem Eingeständnis (Zeugnis Westenrieder) sich schon ein Urteil über den Angeklagten gemacht hatte, dennoch diesen Prozeß weiter durchführt und Herrn Mollath ohne irgendeinen Beweis erhoben zu haben weggesperrt hat. Punkt.

Zurück zu weisen sind auch die mannigfachen kläglichen Winseleien der betroffenen Psychiater, ihrer Medienhelfer und eines Teils der Presse, Herr Mollath solle doch jetzt bitte ein Einsehen haben und sich von einem dieser Quacksalber untersuchen lassen. Dann könne er doch zeitnah freikommen. So wird dieser Skandal gerade nicht gelöst. Geht es doch um nichts Anderes als um die Annullierung von Unrecht, mit wohl erheblichen Folgen für dessen Verursacher.
Eine weitere Konsequenz ist ababdingbar sogleich umzusetzen. Die Justiz kann nur dann unabhängig werden, falls die Exekutive überhaupt kein Weisungsrecht mehr hat und auch keinerlei, nicht mal minimalsten Einfluss auf die Beförderungen. Man ist entsetzt darüber, dass die Staatsanwaltschaften nach den Details im Untersuchungsausschuss nicht schon längst mit Ermittlungen begonnen haben. Von sich aus. Rechtsbeugung mit der Folge der Freiheitsberaubung ist doch kein Pappenstiel.

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 Ach ja, LG Regensburg hat auch zur (unzulässigen) Verlesung des Attestes Stellung bezogen:

 

 

Soweit die Verteidigung des Untergebrachten zudem darauf abhebt, dass die Verlesung des Attestes nach § 256 StPO unzulässig gewesen sei, ist ein solcher Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 256 StPO grundsätzlich nicht geeignet, einen hier allenfalls nach § 359 Nr. 5 StPO denkbaren Wiederaufnahmegrund zubegründen (Meyer-Goßner a. a. O., Rz. 22 zu § 359 m. w. N.)
5

Vielleicht ist es hilfreich sich die Frage zu stellen, was an dem Verfahren überhaupt in Ordnung war, so dass sein Ergebnis Bestand haben kann?

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Auf diesem Wege möchte ich mal wieder meinen Dank aussprechen an:

Prof. Müller, OStA a.D. Wolff, RA Strate und Lorenz-Löblein... u.a. Sach- und Fachkundige, auch Journalisten, mit Gewissen.

Es wäre für uns aussenstehende Laien ohne Ihren ehrenwerten Einsatz und Ihre Veröffentlichungen und Richtigstellungen schlicht unmöglich, sich ein klares Bild von den eklatanten Missständen in diesem Fall zu machen, der aber auch offensichtlich auf viele weitere Fälle zeigt... Ohne Ihre Arbeit würde ich an eine Korrektur dieser Missstände schon lange nicht mehr glauben. Aber Sie geben uns Hoffnung. Bravo!

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Beobachter schrieb:
Auf diesem Wege möchte ich mal wieder meinen Dank aussprechen an: Prof. Müller, OStA a.D. Wolff, RA Strate und Lorenz-Löblein... u.a. Sach- und Fachkundige, auch Journalisten, mit Gewissen. Es wäre für uns aussenstehende Laien ohne Ihren ehrenwerten Einsatz und Ihre Veröffentlichungen und Richtigstellungen schlicht unmöglich, sich ein klares Bild von den eklatanten Missständen in diesem Fall zu machen, der aber auch offensichtlich auf viele weitere Fälle zeigt... Ohne Ihre Arbeit würde ich an eine Korrektur dieser Missstände schon lange nicht mehr glauben. Aber Sie geben uns Hoffnung. Bravo!

 

Ob es wirklich eklatante Misssstände sind ( die man also mit Verbrechen gleichstellen müßte ) , haben  bislang mehrere Richter nicht so nicht so gesehen.

 

Bleibt abzuwarten, wie die weiteren Gerichte entscheiden.

 

Viel Hoffnung habe ich nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

 

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Gast schrieb:

Beobachter schrieb:
Auf diesem Wege möchte ich mal wieder meinen Dank aussprechen an: Prof. Müller, OStA a.D. Wolff, RA Strate und Lorenz-Löblein... u.a. Sach- und Fachkundige, auch Journalisten, mit Gewissen. Es wäre für uns aussenstehende Laien ohne Ihren ehrenwerten Einsatz und Ihre Veröffentlichungen und Richtigstellungen schlicht unmöglich, sich ein klares Bild von den eklatanten Missständen in diesem Fall zu machen, der aber auch offensichtlich auf viele weitere Fälle zeigt... Ohne Ihre Arbeit würde ich an eine Korrektur dieser Missstände schon lange nicht mehr glauben. Aber Sie geben uns Hoffnung. Bravo!

 

Ob es wirklich eklatante Misssstände sind ( die man also mit Verbrechen gleichstellen müßte ) , haben  bislang mehrere Richter nicht so nicht so gesehen.

 

Bleibt abzuwarten, wie die weiteren Gerichte entscheiden.

 

Viel Hoffnung habe ich nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

 

Ich meinte ja nicht die gewaltige Richtergemeinschaft Bayerns. Ich meinte die demokratische Idee der Gewaltenteilung. Da sind doch Drei bis Vier Teile in der Verantwortung. Und, ausserhalb der von der "CSU" in Bayern seit fast 60 Jahren installierten Richterschaft gibt es auch noch Gerichte. Aber wie gesagt, es sind mindestens Vier unabhängige Bereiche an guter demokratischer Gewaltenteilung beteiligt, nicht nur bayrische Provinzrotarier (im Sinne von CSU-Merk eingestellten CSU-Staatsanwalts-Richter-Minister Rotationsprinzip, das jeder Gewaltenteilung Hohn gesprochen hat).

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Quote:

Ob es wirklich eklatante Misssstände sind ( die man also mit Verbrechen gleichstellen müßte ) , haben  bislang mehrere Richter nicht so nicht so gesehen.

Bleibt abzuwarten, wie die weiteren Gerichte entscheiden.

Viel Hoffnung habe ich nicht mehr.

Bisher waren nur Richter beteiligt, die vom CSU Justizministerium angegestellt, befördert und seiner Dienstaufsicht unterliegen. Ausserdem gilt das Staatsanwalt-Richter Rotationsprinzip.

Weder das Verfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof ist von der CSU ernannt.

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Es gibt hier im Blog doch auch einige Stimmen welche nicht "pro-Mollath" sind. Könnten die sich vielleicht einmal aufschwingen und hier prägnant formulieren, was eigentlich an diesem Brixner-Verfahren und dem Brixner-Urteil in Ordnung ist? Man liest doch nur eine endlose Reihe von Schlampereien und Dingen, die nicht geklappt haben, und dann den paradoxen Schluß, dass dieses Urteil Bestand haben solle.

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Dem Beschluss des LG Regensburg entnehme ich zunächst, dass Änderung einer Unterbringungsentscheidung denselben Regeln unterliegt wie eine Schuldspruchentscheidung. Das ist doch aber nicht selbstverständlich. Daran ändert nichts, dass in Rechtsliteratur und Rechtsprechung nichts zu unterschiedlichen Behandlungen von  Maßregeln und Schuldsprüchen im Wiederaufnahmeverfahren zu finden ist. Denn Schuldspruch und Maßregelanordnung unterscheiden sich nicht nur in dem ihnen zugrunde liegenden Sanktionscharakter grundlegend. Auch der zeitliche Bezug zu den festgestellten Tatsachen ist grundlegend verschieden. Die Maßregelanordnung ist in ihrem Kern eine Prognose.

Maßregeln der Besserung und Sicherung(§§ 61 ff. StGB) sind Sanktionen mit Anknüpfung an die Sozialgefährlichkeit des Täters. Strafen haben Vergeltungsgedanken, General- und  Spezialprävention zum Zweck. Der mit dem Strafen verfolgte Zweck setzt zwingend Schuldfähigkeit voraus, die Unterbringungsanordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus dagegen ihr Fehlen; die Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit.

Die gerichtliche Feststellung der Sozialgefährlichkeit ist eine Prognose, eine Vorhersage mit Blick in die Zukunft. Die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen betreffen dagegen ausschließlich die in der Vergangenheit liegenden, bereits abgeschlossenen Sachverhalte. Dass eine Prognoseentscheidung kraft Natur der Sache für Fehler anfälliger ist als eine Schuldspruchentscheidung, muss nicht noch erläutert werden. Die Voraussetzung für ihre Fehlerkorrektur können daher nicht gänzlich dieselben sein wie für eine Prognoseentscheidung.

Den Ausführungen des LG Regensburg zum Rechtsstaatsprinzip, Rechtssicherheit (geregeltes Verfahren zur Rechtsfindung und Verfahrensabschluss), Rechtskraft, Rechtsfrieden und Durchbrechung der Rechtskraft zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit kann ich problemlos folgen. Dieses Gedankengut ist aber ausschließlich in Zusammenhang mit Schuldspruchentscheidungen geprägt worden. Ihre Übertragung auf Maßregelentscheidungen, insbesondere auf Unterbringungsentscheidungen ist keinesfalls so unproblematisch, dass auf eine Auseinandersetzung verzichtet werden könnte.

Die Anordnung der Unterbringung ist keine "Ersatzfreiheitsstrafe" von ungewisser Dauer, dass man ihre Rechtskraftdurchbrechung wegen Fehleinweisung in der Wiederaufnahme wie eine Schuldspruchänderung behandeln dürfte!

@psychofan

Eine solche Farce von Prozess muss schon deshalb annuliert werden, weil er nicht den Mindestanforderungen eines fairen Verfahrens genügt. Da braucht es keine Wiederaufnahme und keine neuen Beweise.

Unsere Gesetze sind schlecht, weil sie offensichtlich solche Schauprozesse mit Pseudoverteidigung, die man sonst nur aus China o.ä. kennt, problemlos akzeptieren und unter "kleinere Schlampereien, die akzeptabel sind" subsumieren.

So sehe ich das auch.

Zu Markus:

Dann hab ich wirklich lieber eine streng formalistische Justiz, die ohne Gefühlsregung Entscheidungen trifft. 

Das hätte ein Mollath auch gerne gehabt, glauben Sie nicht? Auch jeder andere der in einem Verfahren verstrickt ist, aber genau das war im Falle Mollath, Rupp, Arnold, Peggy und unzähligen namenlosen..... niemals der Fall.

Ich habe sehr wohl meine Zweifel an der Unschuld von Mollath, aber bei all den Ungereimtheiten im Verfahren und im Verhalten der Justiz, fällt es mir immer schwerer dies aufrecht zu erhalten. Die Schuld oder Unschuld spielt gerade im Fall Mollath ja auch gar keine Rolle, da es nur darum geht, ob man ihn in der Forensik "verwahren" darf oder nicht.

Leipziger und Brixner meinen in die Zukunft sehen zu können, aber genau das können sie nicht, genau wie Sie oder ich.

Sie sagen selbst, das gericht hätte im WA-verfahren auch anders entscheiden können, aber es tat dies eben nicht!

Es gab sich große Mühe, jeden WA-Grund zu neutralisieren, obwohl es doch durchblicken lässt, dass es viele "Ungereimtheiten" gab.

WARUM???

Sind die Richter einfach schlechte Menschen?

Wurden Sie unter Druck gesetzt, wegen bevorstehender Wahlen oder wegen den Steuerhinterziehern?

Ist es nur einfaches Schwarmverhalten, um die Justiz fehlerfrei dastehen zu lassen?

Ich weiss es nicht, ich kann mich auch nicht in die Richter so hineinversetzen, dass ich deren Entscheidung verstehen oder nachvollziehen könnte.

 

 

  

 

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V. Korte schrieb:

Ich weiss es nicht, ich kann mich auch nicht in die Richter so hineinversetzen, dass ich deren Entscheidung verstehen oder nachvollziehen könnte.

Als Strafrichter muss man die ganze Zeit über menschliche Schicksale, die man nicht genau kennt, urteilen. Dabei haben Sie in der Regel 30 Minuten bis 2 Stunden, in denen irgendwelche Menschen, die Sie noch nie gesehen haben, meist wirr und unverständlich ihr Leben vor Ihnen ausbreiten. Und selbstverständlich sind alle unschuldig und sagen alle etwas völlig anderes. Der Angeklagte hat meistens ein langes Vorstrafenregister, aber selbstverständlich immer eine völlig plausible Erklärung, warum das alles garnicht so war. Dieses Informationschaos müssen Sie dann irgendwie in eine juristische Konsequenz pressen. Eigentlich völlig unmöglich, aber irgendjemand muss es machen, sonst würden alle Straftäter frei herumlaufen und das würde Ihnen als Bürger dann auch nicht gefallen.

Die einzige Lösung, die unserer Gesellschaft bislang eingefallen ist, ist dass wir Richter haben, die mit einer bestimmten formalisierten Denkweise, die ihnen über Jahre beigebracht wird, den Lebenssachverhalt in ihrem Kopf in kleine Einzelteile zerlegen und diese dann einzeln analysieren und bewerten. Die Schicksale, um die es da oft geht, sind hochemotional und mindestens so bewegend, wie das von Herrn Mollath. Trotzdem oder gerade deshalb muss sich der Richter abtrainieren, Mitleid, Wut oder anderes zu empfinden. Er soll einfach nur den Sachverhalt analysieren und dann eine juristische Konseuenz finden. Das ist für Außenstehende in der Tat nicht einfach zu verstehen und wirkt oft kalt, ist aber das einzige System, das funktioniert, und ist um Welten besser als ein Richter, der bei der Zeugenaussage des Opfers anfängt zu weinen und dann den Angeklagten beschimpft. 

Die Entscheidung des LG Regensburg ist für jemanden, der diesen Alltag kennt, menschlich sicher nicht schwierig zu verstehen; unabhängig davon, ob man sie fachlich für richtig oder falsch hält.

Suchen Sie sich doch einfach mal das nächste Amtsgericht in Ihrer Nähe und setzten sich mal ab und zu einen Tag lang in Strafverhandlungen. Am Eingang hängt normalerweise eine Liste der stattfindenden Verfahren und die Raumnummer. Die meisten sind öffentlich und sie müssen sich nicht mal anmelden.

Ich kann Ihnen versprechen: Sie sind sicher nicht der einzige Bürger, der die Gerichtspraxis kritisiert. Aber Sie werden feststellen, Sie werden der einzige sein, der hingeht und sich das mal selbst anschaut.

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