Neues Urteil zur Mietzahlungspflicht trotz Corona-bedingter Schließung einer Verkaufsstätte
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Riehm am
Nach dem Landgericht Heidelberg (s. dazu diesen Blogbeitrag mit Nachweisen zum Literaturstand) hat sich nunmehr auch das LG Frankfurt a.M. mit der Frage befasst, ob der Mieter eines Einzelhandelsgeschäfts von der Verpflichtung zur Mietzahlung befreit wird, wenn infolge der Corona-Pandemie eine behördliche Anordnung ergeht, wonach die Verkaufsstätte des Mieters geschlossen werden muss (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 2.10.2020 - 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613). Im Anschluss an das LG Heidelberg kommt auch das LG Frankfurt zu dem Ergebnis, dass weder ein Fall der Unmöglichkeit noch ein Mietmangel vorliege, und lehnt auch eine Reduktion der Mietzahlungspflicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ab.
Der amtliche Leitsatz des Gerichts lautet:
Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätte wegen COVID-19 ist weder ein Mietmangel, noch Teil der Unmöglichkeit. Solange der Mieter das Risiko trägt, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, führen befristete Schließungen nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Gegenstand des Mietvertrags war die Überlassung von Geschäftsräumen zur „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Die Mieterin betrieb darin ein entsprechendes Einzelhandelsgeschäft. Die Beklagte verzeichnete unternehmensweit gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzrückgang um 54% und im April 2020 einen solchen von 41%. Die Schließung der Filialien führte zu einer erheblichen Liquiditätslücke, so dass ihr die Mietzinszahlung im April 2020 nicht möglich war.
Unter Berufung auf die "Rauchverbot"-Rechtsprechung des BGH lehnte das LG einen Mietmangel ab, weil die Schließungsanordnung nicht mit der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts im Zusammenhang standen, sondern allein die Geschäftstätigkeit des Mieters betroffen war, die in dessen Risikobereich falle (Verwendungsrisiko). Aus dem gleichen Grund sei die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht des Vermieters auch nicht vorübergehend unmöglich geworden.
Anders als das LG Heidelberg befand sich in dem streitgegenständlichen Mietvertrag allerdings keine Klausel, wonach die Miethöhe Umsatz abhängig sein sollte; hierauf hatte das LG Heidelberg seine Annahme gestützt, der Mieter habe das Risiko von Einnahmeausfällen vertraglich übernommen und könne sich daher nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Stattdessen steht das LG Frankfurt ausschließlich darauf ab, dass die vorübergehende Schließung der Verkaufsstätte des Mieters während ca. fünf Wochen keine existenzgefährdenden Auswirkungen hatte und daher das Festhalten am Vertrag für den Mieter zumutbar erscheinen ließ. Bereits die allgemeine Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Mieter - auch ohne besondere vertragliche Abrede - genüge als vorrangige gesetzliche Risikozuweisung, die eine Berufung auf eine Vertragsanpassung § 313 BGB nur noch im extremen Ausnahmefall existenziell bedeutsamer Folgen für den Mieter zulasse.