Gibt es ein „Supergrundrecht“ auf Gesundheitsschutz?
Gespeichert von Dr. iur. Fiete Kalscheuer am
Die Tage eingeschränkten öffentlichen Lebens ziehen ins Land. Bundesfinanzminister Olaf Scholz kann dabei die Frage nach einer Interessenabwägung zwischen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und den Belangen der Wirtschaft „nicht akzeptieren“; – das „allerwichtigste“ sei „die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger“.
Verfassungsrechtlich stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage: Gibt es ein „Supergrundrecht“ auf Gesundheitsschutz? – Die Antwort hierauf ist eindeutig: Nein! Das Grundgesetz kennt nur ein „Supergrundrecht“, die Menschenwürde. Dieses Grundrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das einzige, das keiner Abwägung zugänglich ist; bei allen anderen Grundrechten ist dies anders. Es greift in den Fällen, die nicht die Menschenwürde des Einzelnen berühren, das vom Rechtsphilosophen Robert Alexy so bezeichnete „Abwägungsgesetz“: Je höher die Beeinträchtigung des einen Grundrechts ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.
Was folgt aus diesem verfassungsrechtlichen Befund für die „Corona-Krise“? – Das Zurückschrauben des öffentlichen Lebens ist solange verfassungsrechtlich geboten, bis gewährleistet ist, dass das Abflachen der Infektionskurve eine medizinische Versorgung der Betroffenen ermöglicht, die nicht deren Menschenwürde antastet. Sobald eine menschenwürdige medizinische Behandlung aber gewährleistet ist, betreten wir das Feld der Abwägung.