Das "CoronaG" - der Entwurf der Bundesregierung zum Mieterschutz. Überzeugend ist das nicht.
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Die Bundesregierung hat auf die Coronakrise reagiert und einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der in Art. 5 eine Änderung des EGBGB vorsieht. Die mietrechtlichen Regelungen finden sich dort in § 2 wieder: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Corona-Pandemie.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Wenn ich das richtig verstehe, erhalten Mieter ein Leistungsverweigerungsrecht für die Mietzahlungen bis zum 30.6.2020 (abzuwarten bleibt, ob dies noch verlängert wird). Voraussetzung ist, dass der Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Nichtleistung "glaubhaft zu machen ist".
Diese Regelung weicht von meiner Idee zum Nachteil eigentlich aller ab:
1. Die Mieter werden vorläufig geschützt - bis zum 30.6.2020 bzw. noch später. Nur: was soll nach Ende des Moratoriums gelten? Momentan scheint vielleicht - s. aber nächster Absatz - vorgesehen, dass die Mieter dass die rückständigen Mieten ab dem 1.7. auf einen Schlag zahlen sollen. Das dürfte für viele Mieter, egal ob Wohnraum oder Gewerbe, wirtschaftlich schwierig sein. Zudem ist die Rechtsprechung des BGH zu bedenken, wonach umgehend nach dem Ende des Leistungsverweigerungsrechts der Rückstand auszugleichen ist - dann gibt es keine Schonfrist mehr (BGH BeckRS 2014, 18459) (!).
Die Regelung in § 2 IV sieht vor, dass die Regeln bis zum 30.6.2022 anzuwenden sind. Offenbar wird hier versucht, das Leistungsverweigerungsrecht bis zu diesem Zeitpunkt auszudehnen. Der Wortlaut der Norm ist angesichts angesichts der Dogmatik (Leistungsverweigerungsrecht, keine Stundung) unklar. Die Gesetzesbegründung indes lautet dahingehend, dass Kündigungen wegen eines Rückstands während der "Sperrzeit" erst nach dem 30.6.2022 zulässig sein sollen. Das aber bedeutet, dass Zahlungsklagen von Vermietern wegen des Rückstands auch zuvor zulässig sind - wenn es sich nur um eine "Kündigungssperre" handelt?
2. Die Vermieter - auch die "kleinen" Vermieter - werden gar nicht geschützt. Sie erhalten für jedenfalls vier Monate, ggf. länger, keine Einnahmen. Die Vermieter, die damit z.B. ihre Rente finanzieren, sollen offenbar damit mit diesem Umstand leben müssen.
3. Der Wortlaut des Gesetzes bezieht sich offenbar auf die vollständige Nichtleistung der Miete. Man wird die Norm wohl dahingehend auslegen müssen, dass sie sich auch auf Teilleistungen erstreckt. Geregelt ist es nicht.
4. Der Mieter muss den Grund für die Nichtzahlung und hier den Zusammenhang mit der Pandemie "glaubhaft machen". Dieses Institut der Glaubhaftmachung ist ein deutliches Minus zum Vollbeweis - es genügt bekanntlich schon die eidesstattliche Versicherung gem. § 294 ZPO. Dieses Beweismaß ist den Hauptsacheklagen in Erkenntnisverfahren bislang relativ fremd - es ist bekannt aus Eilverfahren (einstweilige Verfügungen usw). Vorliegend aber soll eine eidesstattliche Versicherung eines Mieters genügen, um die wesentliche Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Miete, seine Hauptleistungspflicht, außer Kraft zu setzen. Hier dürften bloße Behauptungen, in die Form einer eidesstattlichen Versicherung "gepackt", genügen. Sicher: sind sie falsch, so kann ein Mieter sich ggf. strafbar gemacht haben. Das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung allerdings erscheint gerade in diesen Zeiten eher gering, zudem kann ein Mieter sich hier mit Irrtümern über die Zahlungsmöglichkeiten durchaus später herausreden.
5. Dogmatisch schließlich: die Konstruktion eines "gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts" harmoniert nicht wirklich mit der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zur "Deckelung" des Leistungsverweigerungsrechts (vgl. BGH NZM 2015, 618; NJW 2019, 2308), wonach maximal drei bis vier Monate Kürzung auf Null maximal zulässig sind. Sollte also der Zeitraum noch über Ende Juni hinaus ausgedehnt werden, so kommen es hier zu Kollisionslagen jedenfalls zwischen dem Willen des Gesetzgebers und der Linie des VIII. Zivilsenats.
Insgesamt erscheint diese Lösung daher wenig durchdacht, dogmatisch schief und wird Rechtsstreitigkeiten provozieren. Damit ist noch nicht einmal der Umstand berücksichtigt, dass unklar ist, ob das Beschleunigungsgebot des § 272 IV ZPO eigentlich auch in "Coronazeiten" gilt oder ob Räumungsklagen nach einer Verteidigungsanzeige des Mieters ggf. in den nächsten Wochen gar nicht terminiert werden...