Und die Justiz feiert weiterhin Corona-Parties?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Wir alle sind aufgefordert, in dieser Situation soziale Kontakte zu meiden und nur noch für die allernötigsten Besorgungen außer Haus zu gehen. Mitarbeiter werden in Home-Office geschickt, alle Büroarbeiten sollen, wenn irgend möglich, digital erledigt werden. Die Universitäten und Schulen sind ohnehin längst geschlossen, der Unterricht soll ins Netz verlegt werden, Besprechungen und Teamsitzungen werden telefonisch oder per Skype abgewickelt.
Doch einige Menschen sind offenbar so gedankenlos und dreist, dass sie weiterhin trotz aller Aufforderungen, ihr Recht wahrnehmen sich zu versammeln und etwa in Parks gemeinsam zu feiern oder vor den leeren Stadien zu Hunderten zu treffen, um ihre Choreos aufzuführen und Pyros abzubrennen; Höhepunkt der Unvernunft: Man lädt zu "Corona-Parties" ein. Politik und Behörden sind auch deshalb kurz davor, Ausgangssperren anzuordnen, wie sie in den Nachbarländern zum Teil schon gelten, weil die Aufforderungen zu freiwilliger Zurückhaltung offenbar bei manchen nicht fruchten.
Und die Justiz – zumindest einige Richter? Als seien Gerichtssäle, in denen sich für einige Stunden Personen aus ganz unterschiedlichen sozialen und geografischen Kreisen begegnen, von vornherein immun gegen Infektionsübertragung, gehen einige Richter – offenbar unbeeindruckt von den Nachrichten – vor, als sei alles „normal“: Statt auch die mündlichen Verhandlungen auf die nötigsten Fälle zu reduzieren, wird teilweise weiterhin ungerührt zu Terminen geladen, zu denen dann u.a. Verteidiger bundesweit anreisen sollen, wie mir aus dem Bekanntenkreis in dieser Woche berichtet wird.
Hier schreibt Martin Huff zur (bisher schläfrigen) Reaktion der Justiz. :
Nur die Justiz führt bisher ihren Geschäftsbetrieb fast normal weiter. Erst mit dem heutigen Montag gibt es die ersten Äußerungen dazu, wie es weiter gehen soll. Doch die Justiz und auch die Richterschaft sollten sich sehr schnell überlegen, ob die Corona-Krise nicht ganz andere Maßnahmen erfordert.
Huff gibt in dem Artikel durchaus Hinweise, wie man es organisieren könnte, ohne auf die Bearbeitung und Entscheidung dringender Sachen zu verzichten. Aber zu befürchten ist, dass die Justiz länger braucht als derzeit notwendig wäre, um solche Lösungen umzusetzen.
Heute schreibt mir ein Kollege, der selbst zur Risikogruppe gehört und deshalb als Verteidiger um Terminverlegung (in einer Nichthaftsache) bat, der Vorsitzende habe ernsthaft von ihm Glaubhaftmachung seines Risikostatus verlangt.
Bin ich mit meiner Empörung auf dem falschen Dampfer? Ich bitte um Kommentierung.
Update: Ich bin von Lesern (siehe unten) auf diesen Münchener Fall hingewiesen worden. Den hatte ich tatsächlich bislang übersehen
Update (24.03.): Inzwischen bekomme ich von überall die Nachricht, dass die Justiz inzwischen alle nicht unbedingt notwendigen Verhandlungen abgesagt und den öffentlichen Betrieb insgesamt stark heruntergefahren habe. Mein obiger Beitrag entspricht also nicht mehr der aktuellen Lage.
Update (09.04.): Bekomme immer noch bzw. wieder Meldungen, dass größere Hauptverhandlungen (gemessen an der Teilnehmerzahl) noch stattfinden, obwohl sie nicht einmal, wie der Loveparade-Prozess, kurz vor der absoluten Verjährung stehen. Zuletzt gemeldet aus Leipzig und Potsdam. Ich kann da nur den Kopf schütteln.