Der Berliner Mietendeckel und die Zweifel.
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Am gestrigen Sonntag ist nun in Berlin das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung und damit auch das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoGBln) in Kraft getreten, https://stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/mietendeckel/ .
Das Gesetz wirft eine Vielzahl von Fragen auf, die von ordnungspolitischen bis hin zu verfassungsrechtlichen Aspekten reichen. Offen ist bekanntlich nach wie vor die formelle Verfassungsmäßigkeit der Norm (Länderkompetenz?), aber auch die Frage der personellen und sachlichen Umsetzung angesichts der Vielzahl der notwendigen Stellen in den Ämtern ist ungeklärt. Bezeichnenderweise wird auch die enorme Zusatzbelastung der Berliner Justiz durch die zahlreichen zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren jedenfalls bei der Berechnung der personellen Folgen nicht einmal erwähnt. Hier droht das Chaos auf personalwirtschaftlicher Ebene, von den sachlichen Ressourcen ganz zu schweigen.
In der Diskussion zu kurz geraten ist, dass das Gesetz nicht nach Wohnflächengrößen differenziert, sondern ausschließlich auf die Quadratmeterfläche einer Wohnung bei jeweils gleich hohem Quadratmeterpreis abstellt. So sollen die Werte gem. § 3 III bzw. § 6 des Gesetzes (5,02 Euro pro qm bzw. bei den Obergrenzen 6,45 Euro pro qm usw) fix und nicht von der Wohnungsgröße abhängig sein.
In der Regel kosten jedoch kleinere Wohnungen deutlich mehr pro qm als größere. Auch der Berliner Mietenspiegel geht von dieser Tatsache im Regelfall aus (so z.B. der Mittelwert bei bis 1918 errichteten Altbauten, gute Wohnlage bis 40 qm 11,44 Euro pro qm - bei gleichen Altbauten in guter Wohnlage über 90 qm aber nur 7,33 Euro pro qm). Dies entspricht den Erfahrungssätzen von Gerichtssachverständigen, wonach kleinere Wohnungen pro qm im Regelfall deutlich teurer sind als größere - Abweichungen können bis zu 30% betragen.
Diesem Umstand trägt das Gesetz nicht Rechnung. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Man mag Vereinfachungskriterien für diese "glatte" Vorgehensweise anführen, indes: ohne Weiteres wäre es möglich gewesen, bei Anwendung des Mietenspiegels eine entsprechende Quotelung je nach Flächengröße vorzunehmen. Offenbar ist dies nicht einmal angedacht gewesen. Hier stellt sich die Frage, ob die Norm nicht schon gegen Art. 3 I GG verstößt.
Auf der anderen Seite gibt es auch zu Unrecht kritische Ansätze. In blogs kursieren Ideen, ggf. bestimmte Teile des Gesetzes zu unterlaufen. So wird diskutiert, ob nicht ein außerhalb von Berlin geschlossener Mietvertrag, der den "Mietendeckel" missachtet, keinen Bußgeldtatbestand erfüllt. § 11 MietenWoGBln regelt die möglichen Ordnungswidrigkeiten wie etwa das Fordern oder Entgegennehmen einer höheren als der zulässigen Miete. Da die "Tathandlung", die Unterschriftsleistung nebst Entgegennahme der Miete, aber außerhalb Berlins erfolge, könne das Gesetz nicht greifen - vgl. https://ikb-law.blog/2020/02/22/mietenwog-der-gesetzestext/ .
Dieser Ansatz greift m.E. zu kurz, da § 7 I OWiG auch auf den zum Tatbestand "gehörenden Erfolg" abstellt - und dieser, nämlich die Zahlung der überhöhten Miete mit der entsprechenden Leistungshandlung des Mieters dazu findet in Berlin statt. Verfehlt wäre es insofern, nur auf den Ort der Tathandlung abzustellen.
Klagen sind allerorten angekündigt - dies wundert nicht, da eine Vielzahl von rechtlichen Fragen ungeklärt sind, aber auch dogmatische Welten aufeinanderprallen. Ob dieses Gesetz im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum wirklich quasi das letzte Mittel war, um die nach oben driftenden Mieten in Berlin und Wohnungsnöte aufzufangen, kann offenbleiben. Die Umsetzung des gesetzgeberischen Willens in diese Norm indes zeigt nicht überall wirklich handwerkliches Geschick.