BAG: Sachgrundlose Befristung nach 22 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung zulässig
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Eine sachgrundlose Befristung ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG nur zulässig, wenn nicht mit mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das BVerfG (NZA 2018, 774) hatte bekanntlich im letzten Jahr die Korrektur des Gesetzes durch das BAG beanstandet, wonach das sog. Vorbeschäftigungsverbot nur drei Jahre zurückreiche. Richterliche Rechtsfortbildung dürfe den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen, mahnte das BVerfG. Auf der anderen Seite führte das BVerfG aus, die Fachgerichte könnten und müssten den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch verfassungskonforme Auslegung einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das liege nahe, "wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist".
Das BAG (NZA 2019, 700) hat in einem ersten Urteil diese Position übernommen und sich an die Konkretisierung dieser Anforderungen begeben. Es kam zu dem Ergebnis, dass ein acht Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis kein sehr langer Zeitraum in diesem Sinne sei.
Ein zweites Urteil (BAG, Urteil vom 21. August 2019 - 7 AZR 452/17, PM 29/19) beschreibt nun erstmals einen echten Ausnahmefall. Der Sachverhalt lag wie folgt: Die Klägerin war in der Zeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 bei der Beklagten als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Mit Wirkung zum 15. Oktober 2014 stellte die Beklagte die Klägerin als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut ein. Das zunächst bis zum 30. Juni 2015 sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis wurde später bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30. Juni 2016 geendet hat. Das BAG gab beklagten Arbeitgeberin recht. Die Befristung des Arbeitsvertrags sei ohne Sachgrund wirksam. Die Vorbeschäftigung liege hier mit 22 Jahren sehr lange zurück. Besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, lägen nicht vor. Die Pressemitteilung formuliert sogar einen Obersatz: „Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, gelangt das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift regelmäßig nicht zur Anwendung.“ Näheres müssen die Entscheidungsgründe ergeben. Aus der Pressemitteilung ergibt sich nur, dass 22 Jahre Abstand im Allgemeinen genügen. Ob auch weniger Jahre ausreichen, bleibt offen. Es steht auch nicht zu erwarten, dass die Entscheidungsgründe hier für Klarheit sorgen werden. Das BAG wird sich hüten, starre Grenzen vorzugeben. Es liegt nach alledem vor allem am Gesetzgeber, hier für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Die im Koalitionsvertrag ohnehin geplanten Eingriffe in das Recht der sachgrundlosen Befristung, mir deren Umsetzung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode zu rechnen sind, böte hierzu eine gute Gelegenheit.