BVerwG: Kein Anspruch auf ein Betäubungsmittel für eine Selbsttötung ohne krankheitsbedingte Notlage
Gespeichert von Prof. Dr. Jörn Patzak am
Das BVerwG hat heute entschieden, dass Bürger keinen Anspruch auf den Erhalt einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG zum Erwerb eines Betäubungsmittels haben, um sich hiermit selbst zu töten, ohne dass eine krankheitsbedingte Notlage vorliegt (Urt. v. 28.5.2019, 3 C 6.17). Begehrt hat eine solche Erlaubnis ein Ehepaar, dass das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der gemeinsamen Selbsttötung erwerben wollte, um das Leben noch zu einem Zeitpunkt zu beenden, in dem es noch handlungsfähig und von schweren Krankheiten verschont geblieben ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat dies bereits im Jahr 2014 versagt. Zu Recht, wie das BVerwG den Vorinstanzen folgend nun bestätigte: § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG schließe die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich aus, weil sie mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen, nicht vereinbar ist. Daher sei es aus verfassungsrechtlicher Sicht gerechtfertigt, den Zugang zu einem Betäubungsmittel zu verbieten (s. die Presseerklärung des BVerwG).
Anders sieht das BVerwG den Fall allerdings dann, wenn der Erwerb des Betäubungsmittels zum Suizid einer Person mit einer schweren und unheilbaren Erkrankung erfolgen soll. Hier bejaht das BVerwG einen Anspruch auf eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels nach § 3 Abs. 1 BtMG. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sei nämlich in diesem Fall dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet (BVerwGE 158, 142 = NJW 2017, 2215; a.A. der ehemalige Verfassungsrichter Di Fabio, der in einem Rechtsgutachten zu dem Ergebnis kommt, dass diese Entscheidung verfassungsrechtlich nicht haltbar sei).
Hintergrundinformationen zu Natrium-Pentobarbital: Natrium-Pentobarbital ist ein hoch wirksames, schnell anflutendes Barbiturat, das nach Anl. III als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel eingestuft ist. Es kommt bei niedrigeren Dosierungen als Schlafmittel, Brechmittel und Antidepressivum zur Anwendung. In hohen Dosierungen kann es tödlich wirken, weshalb Natrium-Pentobarbital als Freitodhilfe eingesetzt wird.