BAG zum Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Seit der Entscheidung des BVerfG (6.6.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774) zum sog. Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung richten sich die Blicke wieder auf das BAG. Wie wird das BAG die Vorgaben des BVerfG umsetzen? Wird es der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung gelingen, Maßstäbe zu formulieren, die der Praxis einen verlässlichen Rahmen bieten? Zur Erinnerung: Das BVerfG hatte die Auslegung § 14 II 2 TzBfG durch BAG, wonach generell Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, einer neuerlichen sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehen sollen, als unzulässige Rechtsfortbildung verworfen. Allerdings hat das BVerfG hervorgehoben, dass Fälle vorstellbar seien, in denen die Gefahr von Kettenbefristungen nicht bestehe, so dass es des vom Vorbeschäftigungsverbot intendierten Schutzes nicht bedürfe. Das sei dann gegeben, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Dazu könne es etwa kommen bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht. In einer solchen Konstellation müssten die Gerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 II 2 TzBfG einschränken.
Nunmehr hatte das BAG (Urteil vom 23. Januar 2019 - 7 AZR 733/16 – PM 3/19) im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG erstmals Gelegenheit, seine Rechtsprechung neu zu justieren. Der Fall lag wie folgt: Der Kläger war vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28. Februar 2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.
Das BAG schwenkt erwartungsgemäß auf die Linie des BVerfG ein und gibt dem klagenden Arbeitnehmer recht. In der Pressemitteilung wird die Quintessenz wie folgt formuliert: „Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 II 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Im Anschluss an das BVerfG greift das BAG die vom BVerfG angedeutete Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung in Ausnahmefällen auf. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung – so das BAG - kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend jedoch nicht, insbesondere habe das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurückgelegen.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des BAG vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.
Die wesentliche Aussage der Entscheidung liegt in der Versagung des Vertrauensschutzes. Ansonsten handelt es sich um einen klaren Fall. Weitere Entscheidungen werden zeigen, wann tatsächlich eine verfassungskonforme Auslegung geboten ist. Bis dahin kann der Praxis nicht empfohlen werden, einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits schon mal in einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber stand.