AGG beim Amtsgericht (I)
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Nicht nur die Gerichte für Arbeitssachen, sondern auch die ordentlichen Gerichte verhandeln hin und wieder Entschädigungsklagen nach dem AGG. Beginnen wir heute im Süden der Republik, nämlich in der bayerischen Landeshauptstadt (morgen dann ein Fall aus Hamburg):
Die Beklagte ist eine Agentur für Sportmarketing. Mit einer Anzeige in einem Münchener Wochenblatt suchte sie im März 2016 eine "Nette weibl. Telefonstimme (...) Akquise f. Sport Marketingagentur auf Provisionsbasis/Home Office". Der 43-jährige Kläger rief bei der Beklagten an und bat um die E-Mail-Adresse, da sich eine Freundin von ihm bewerben wolle. Am 31.3.2016 bewarb er sich dann selbst per E-Mail auf die Stelle. Die Beklagte sagte ihm ab. Sie habe die Stelle bereits mit einem anderen - männlichen ! - Bewerber besetzt. Der Kläger verlangt Entschädigung in Höhe von 1.600 Euro aus § 15 Abs. 2 AGG. Die Beklagte tritt dem entgegen. Die Bewerbung sei nicht ernst gemeint gewesen. Der Kläger sei offenkundig überqualifiziert und ein AGG-Hopper.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestünden angesichts der erkennbaren Überqualifikation des gelernten Bankkaufmanns allerdings erhebliche Zweifel, ob er für die angebotene Stelle überhaupt objektiv geeignet sei. Dies könne aber letztlich dahinstehen. Jedenfalls fehle es an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Bei der E-Mail handele es sich um eine Art Rundschreiben, das allenfalls ansatzweise einen konkreten Bezug zur angebotenen Stelle enthalte und den Eindruck erwecke, aus unstrukturiert aneinander gereihten Textbausteinen zu bestehen. Zudem sei der Kläger in München gerichtsbekannt. Er habe bereits zahlreiche AGG-Klagen angestrengt, auch an anderen Gerichten. Besonders hebt das Gericht ein "möglicherweise versehentlich im Rahmen eines Anlagenkonvoluts" bei Gericht eingereichtes Schreiben des Klägers ab. In diesem Konvolut befinde sich eine E-Mail des Klägers an Herrn Rüdiger N, in der es heißt, er habe mit seinen "AGG-Klagen insgesamt 1.010 Euro" verdient und könne unter anderem davon gut leben. In einer Gesamtschau ergebe sich, dass der Kläger gewerbsmäßig missbräuchliche AGG-Klagen anstrenge, um damit zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
Die Begründung des Amtsgerichts mutet angesichts der jüngsten Rechtsprechung des BAG etwas antiquiert an. Allerdings stammt das erst jetzt veröffentlichte Urteil schon vom November 2016.
Das Urteil ist rechtskräftig. Das Landgericht München I hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 4.5.2017 zurückgewiesen.
Amtsgericht München, Urt. vom 24.11.2016 - 173 C 8860/16, FD-ArbR 2017, 393390