Wahnsinnige randalieren im Bundestag: Die Verleger und ihr Leistungsschutzrecht
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Hoeren am
Man liest oft von den verrückten parlamentarischen Debatten in Südkorea oder der Ukraine. Nun könnte es auch den BUndestag treffen. Die Verleger mußten ihren Schock über das Urteil des BGH in Sachen VG Wort betrauern (Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13 – Verlegeranteil) . Dort hatten sie erfahren, dass die langjährige Verteilungspraxis der VG Wort im Hinblick auf die Beteiligung der Verleger an den Ausschüttungen für wissenschaftliche Literatur eindeutig (von drei Instanzen bekräftigt) rechtswidrig war. Verleger sind eben im Urheberrechtsgesetz nicht mit eigenen Rechten als Leistungsschutzberechtigte vorgesehen und können daher auch nicht einfach das den Autoren zustehende Geld vereinnahmen.
Die Lösung wäre einfach gewesen: Die Verleger bekommen ähnlich wie die Tonträgerghersteller oder Filmproduzenten ein Leistungsschutzrecht. Doch dieser naheliegende Gedanke war nicht in das Hirn der Verlagslobbyisten zu bekommen. Und so wurden wieder die alten Bande zu Vertretern des Parlaments geschmiedet, jede offene Diskussion für unerwünscht abgetan und im Eiltempo folgender Entwurf einer Änderung des UrhG/VGG lanciert, der zur Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion hier im Volltext wiedergegeben sei. Es geht um ein ein Papier von VG WORT und GEMA, auf dessen Basis das BMJV demnächst einen Referentenentwurf vorliegen will. Unter dem Druck der Verleger und der Verwertungsgesellschaften mit Verlegerbeteiligung soll jetzt unter Verstoß gegen das Unionsrecht alles rückgängig gemacht werden, was der BGH und der EuGH (Urteil vom 12. November 2015 - C-572/13 - Reprobel) entschieden hatten. Wirrer geht es nimmer!
"Regelungsvorschläge zur Verlegerbeteiligung
I. Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG)
§ 27 Abs. 2 und 3 VGG-neu:
(2) Der Verteilungsplan einer Verwertungsgesellschaft, die Rechte für Urheber und Verleger gemeinsam wahrnimmt und an deren Entscheidungen die Urheber mindestens gleichberechtigt mit den Verlegern mitwirken, kann vorsehen, dass die Einnahmen aus den Rechten für verlegte Werke unabhängig davon, ob der Urheber oder der Verleger der Verwertungsgesellschaft die Rechte zur Wahrnehmung eingeräumt hat, nach angemessenen Beteiligungssätzen an die Urheber und Verleger verteilt werden. Die anteilige Verteilung bedarf der Zustimmung des Urhebers und des Verlegers. Die Zustimmung kann gegenüber der Verwertungsgesellschaft oder im Verlagsvertrag erklärt werden.
(3) Einnahmen aufgrund von gesetzlichen Vergütungsansprüchen können nur dann nach Abs. 2 verteilt werden, wenn der Verleger sie gemäß § 63a Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes der Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung abgetreten oder der Urheber der Beteiligung des Verlegers an dem Auszahlungsanspruch gegen die Verwertungsgesellschaft nach Schöpfung des Werkes zugestimmt hat.
II. Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)
§ 63a UrhG-neu:
(1) Auf gesetzliche Vergütungsansprüche nach diesem Abschnitt kann der Urheber im Voraus nicht verzichten. Sie können im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden.
(2) Gesetzliche Vergütungsansprüche können nach Schöpfung des Werkes an einen Verleger abgetreten werden, wenn dieser sie von einer Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt, die Rechte für Urheber und Verleger gemeinsam wahrnimmt.
III. Begründung
Zu I.:
Die deutschen – und viele ausländische – Verwertungsgesellschaften nehmen seit jeher Rechte für Urheber und Verleger gemeinsam wahr. Zuletzt hatte sich deshalb der Deutsche Bundestag in seiner Entschließung vom 28. April 2016 dafür ausgesprochen, alle verfügbaren Maßnahmen zu nutzen, um die gemeinsame Rechtewahrnehmung auch in Zukunft zu ermöglichen (BT-Drucksache 18/8268). Diese traditionelle Form der kollektiven Rechtewahrnehmung wird durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2016 (I ZR 198/13 – Verlegeranteil) unmittelbar in Frage gestellt. Eine gemeinsame Rechtewahrnehmung ist – jedenfalls auf der Grundlage von abgetretenen Rechten – nur möglich, wenn es keine Rolle spielt, ob Urheber oder Verleger das Recht bei der Verwertungsgesellschaft eingebracht hat. Andernfalls könnte nur alternativ der Urheber oder der Verleger an den Ausschüttungen beteiligt werden. Es bedarf deshalb einer entsprechenden gesetzlichen Klarstellung, die in vergleichbarer Weise kürzlich in Österreich in das dortige Verwertungsgesellschaftengesetz aufgenommen worden ist; sie steht im Einklang mit Erwägungsgrund 20 und Art. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2014/26/EU zur kollektiven Rechtewahrnehmung, wonach Verleger vertraglich oder gesetzlich einen Anspruch auf einen Anteil an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft aus den Rechten haben können.
Bei gesetzlichen Vergütungsansprüchen bedarf es einer Sonderregelung, die der oben erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2016 Rechnung trägt. Bei der Verteilung der Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen ist eine Beteiligung des Verlegers nur dann vorgesehen, wenn sich dieser entweder gemäß § 63a Abs. 2 UrhG-neu (vgl. dazu unten) bereits entstandene Vergütungsansprüche vom Urheber hat abtreten lassen oder aber der Urheber einer Beteiligung des Verlegers an seinem Ausschüttungsanspruch gegen die Verwertungsgesellschaft nach Schöpfung des Werkes (vgl. dazu unten) zustimmt.
Zu II:
Die bisherige Regelung des § 63a Satz 2 UrhG verfolgte den Zweck, eine pauschale Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften zu ermöglichen (vgl. BT-Drucksache 16/1828, S. 32). Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass die Bestimmung richtlinienkonform einschränkend dahingehend ausgelegt werden muss, dass sie allein den Fall erfasst, in dem der Verleger die ihm vom Urheber im Voraus abgetretenen Vergütungsansprüche im (alleinigen) Interesse des Urhebers von der Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt (BGH, a.a.O., Rn. 78). Dieser Auslegung widerspricht Sinn und Zweck des § 63a Satz 2 Alt. 2 UrhG; die Bestimmung kann deshalb gestrichen werden. Der Vorschlag zu § 63a Abs. 2 UrhG-neu ermöglicht – entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Abtretbarkeit bereits entstandener Vergütungsansprüche – unter bestimmten Voraussetzungen die Abtretung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen an Verleger nach der Schöpfung des betroffenen Werkes. Die Festlegung eines einheitlichen Zeitpunktes, ab dem die Vergütungsansprüche abgetreten werden können, ist aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit unerlässlich, weil nicht für alle Arten von gesetzlichen Vergütungsansprüchen abschließend geklärt ist, wann sie entstehen. Der hier gewählte Zeitpunkt der Werkschöpfung orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Entstehung von Ansprüchen nach § 54 Abs. 1 UrhG (vgl. BGH GRUR 2014, 974, Rn. 13 ff. – Porträtkunst). Aufgrund von § 27 Abs. 2 und Abs. 3 VGG-neu ist dabei sichergestellt, dass bei einer Einbringung der entstandenen gesetzlichen Vergütungsansprüche durch den Verleger stets auch der Urheber an den Einnahmen angemessen beteiligt werden kann. Im Übrigen ist es auch möglich, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche lediglich teilweise im Voraus vom Urheber an die Verwertungsgesellschaft abgetreten werden und anschließend der verbleibende Restanspruch – nach Schöpfung des Werkes – durch den Verleger eingebracht wird. Auch bei dieser rechtlichen Konstruktion sind die Einnahmen insgesamt stets an Urheber und Verleger nach angemessenen Beteiligungssätzen zu verteilen. "