Berücksichtigung der Konfession bei der Einstellung? BAG ruft den EuGH an!
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Das AGG verbietet die Benachteiligung aufgrund der Religionszugehörigkeit, sieht aber in § 9 eine erleichterte Rechtfertigungsmöglichkeit vor. Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen kirchliche Arbeitgeber im Einstellungsverfahren eine bestimmte Konfession des Bewerbers voraussetzen und dann auch danach fragen dürfen. Diese Fragestellung hat eine europäische Dimension, da das AGG u.a. der Umsetzung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG dient. In einem jetzt vor das BAG (Beschluss vom 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 (A), PM 15/16) gelangten Fall, ging es um eine Einrichtung der Evangelischen Kirche. Ausgeschrieben war eine befristete Referentenstelle für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“. Die Ausschreibung enthielt ua. folgende Angabe: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“ Die konfessionslose Klägerin, deren Bewerbung nach einer ersten Bewerbungssichtung des Beklagten noch im Auswahlverfahren verblieben war, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie verlangt mit ihrer Klage von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens 9.788,65 Euro. Sie ist der Auffassung, sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Dies sei jedenfalls bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht mit dem Diskriminierungsverbot des AGG vereinbar. Das BAG nimmt diesen Fall zum Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Folgende Fragen hat das BAG dem EuGH vorgelegt:
1. Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, wie der Beklagte im vorliegenden Verfahren, bzw. die Kirche für ihn - verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt?
2. Sofern die erste Frage verneint wird:
Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts wie hier § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, in einem Rechtsstreit wie hier unangewendet bleiben?
3. Sofern die erste Frage verneint wird, zudem:
Welche Anforderungen sind an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu stellen?
Die Antwort des EuGH dürfte hierzulande mit Spannung erwartet werden. M.E. bestehen gute Aussichten, dass die erste Frage vom EuGH bejaht wird. Denn immerhin bestimmt Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie ausdrücklich: „Die Union hat in der (…) Erklärung Nr. 11 (…) ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiösen Vereinigungen (…) in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt (…) Die Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzungen für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können”. Auch Art. 17 Abs. 1 AEUV zielt in diese Richtung. Er lautet: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“