Reform des § 238 StGB - "Stalking", eine gute Idee?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Der erst 2007 ins StGB eingefügte Tatbestand der Nachstellung, § 238 StGB, soll nun, wie schon in der GroKo-Koalitionsabrede vereinbart, verschärft werden. Der vorgestern veröffentlichte Referentenentwurf des BMJV geht auf Anregungen der Gesetzesanträge der Länder Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen (Bundesratsdrucksache 193/14 und 193/1/14) zurück. Die nun eingebrachte Reform ist aber auch angestoßen bzw. beschleunigt worden durch eine Petition der Bloggerin/Autorin Mary Scherpe, die ihre eigene Geschichte als Opfer eines Stalkers in einem Buch (Mary Scherpe: An jedem einzelnen Tag. Mein Leben mit einem Stalker ISBN 978-3-404-60829-4), öffentlich machte.
§ 238 Abs.1 StGB soll nun so lauten:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich
1. die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a) Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b) Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen, oder
4. diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst oder einer ihr nahestehenden Person bedroht.“
Bisher verlangt der Tatbestand, dass der Täter durch sein Verhalten die Lebensgestaltung seines Opfers tatsächlich schwerwiegend beeinträchtigt. Dieser vom Tatbestand vorausgesetzte Erfolg ist in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen. Mangels anderer Nachweismöglichkeiten wird eine aus dem Stalkingverhalten resultierende Erkrankung oder Aktivität (Umzug, Geheimhaltung von Kommunikationsdaten etc.) verlangt. In der Folge ist die Erfüllung des Tatbestandes von der Sensibilität bzw. Robustheit des Opfers abhängig.
Zwar hat § 238 StGB bewirkt, dass ansonsten tatbestandsloses Stalking inzwischen zumindest überhaupt strafrechtlich verfolgt werden kann, doch die genannte Erfolgsbedingung hat Anklage bzw. Verurteilung häufig verhindert. Das Delikt soll aus diesem Grunde in ein Eignungsdelikt umgestaltet werden, d.h. es kommt für die Verurteilung dann nur noch auf die objektive Eignung zur scherwiegenden Lebensbeeinträchtigung an, nicht mehr darauf, dass das Opfer tatsächlich (schon) schwerwiegend beeinträchtigt worden ist.
Als zu Beginn der großen Koalition eine Verschärfung des § 238 StGB vereinbart wurde, habe ich mich hier im Blog sehr skeptisch dazu geäußert.
Soweit berichtet wird, dass hartnäckige Stalker eine Verfahrenseinstellung bzw. einen Freispruch quasi als Aufforderung verstehen, ihr Verhalten fortzusetzen, kann ich allerdings die Umstellung zum Eignungsdelikt durchaus befürworten, zumal die objektiven Kriterien weiterhin Bestand haben sollen.
Weiterhin kritisch: Jens Ferner, Detlef Burhoff