Wirksame Befristung trotz vorheriger Arbeitsaufnahme?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Das kann vor allem in größeren Unternehmen schnell passieren: Der Arbeitgeber (vertreten durch ein Mitglied der Personalabteilung) will den Arbeitnehmer nur befristet einstellen. Noch bevor der den Arbeitsvertrag gegengezeichnet zurückgeschickt hat, fängt er schon zu arbeiten an. Dann kann durch die bloße Arbeitsaufnahme konkludent ein (unbefristeter) Arbeitsvertrag zustande gekommen sein, nicht aber ein befristeter, weil die dafür nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderliche Schriftform nicht gewahrt wurde. Diesen unbefristeten Vertrag dann nachträglich noch zu befristen, ist kompliziert und jedenfalls nicht ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 TzBfG) möglich.
Teilnahme an Schuljahreskonferenz durch eine Lehrerin noch vor Unterrichtsbeginn
Die Klägerin, die die Ausbildung zur Lehrerin nicht abgeschlossen hat (kein zweites Staatsexamen), war aufgrund mehrerer befristeter Verträge bereits seit zweieinhalb Jahren für das Land NRW tätig. Ihr Vertrag sollte am 29.8.2013 auslaufen. Am 6.8.2013 übersandte die zuständige Bezirksregierung ihr einen arbeitgeberseitig bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag für das Schuljahr 2013/14 (30.8.2013 bis 19.8.2014), als Elternzeit-Vertretung befristet nach § 21 BEEG. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag zunächst nicht, sondern nahm am 2.9.2013 an der einleitenden Schuljahreskonferenz teil. Erst vor Aufnahme ihrer ersten Unterrichtstätigkeit in diesem Schuljahr am 5.9.2013 unterzeichnete sie den Vertrag. Sie macht die Unwirksamkeit der Befristung geltend und ist der Auffassung, dass bereits mit ihrer Teilnahme an der Konferenz ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die nachfolgende Unterzeichnung des befristeten Vertrages wandele das bereits bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis nicht in ein befristetes um. Hierfür fehle es an einem darauf gerichteten rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien. Demgegenüber macht das beklagte Land geltend, die Teilnahme an der Lehrerkonferenz sei zum einen noch gar keine Arbeitsaufnahme und zum anderen vor dem Hintergrund des beiden Seiten bewussten Schriftlichkeitserfordernisses unerheblich gewesen. Schließlich fehle dem Schulleiter, der die Klägerin an der Konferenz habe teilnehmen lassen, die erforderliche Vertretungsbefugnis für das beklagte Land. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
LAG Düsseldorf: Kein unbefristetes Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Landes
Die Berufung des Landes NRW hatte vor dem LAG Düsseldorf Erfolg:
Nimmt der Arbeitnehmer in diesen Fällen vor Unterzeichnung der Vertragsurkunde die Arbeit auf, besteht zwischen den Parteien nur ein faktisches Arbeitsverhältnis, weil es an der Abgabe der zum Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen fehlt. Dabei kann dahinstehen, ob in der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gesehen werden kann. Denn jedenfalls fehlte es an der Annahme durch den Arbeitgeber. Hat der Arbeitgeber durch sein vor der Arbeitsaufnahme liegendes Verhalten verdeutlicht, dass er den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformgebots des § 14 Abs. 4 TzBfG abhängig machen will, liegt in der bloßen Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers regelmäßig keine Annahme eines vermeintlichen Vertragsangebots des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann das schriftliche Angebot des Arbeitgebers dann noch nach der Arbeitsaufnahme durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags annehmen.
Die Revision wurde zugelassen.
LAG Düsseldorf, Urt. vom 23.9.2015 - 4 Sa 1287/14, BeckRS 2015, 73262