Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe - Ist § 217 StGB ein "schlechtes Gesetz"?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
„§ 217 StGB Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“
„Besser kein Gesetz als ein schlechtes“ – so das Fazit des Arztes und SPD-Gesundheitspolitikers Lauterbach am Ende seines Debattenbeitrags. (Quelle mit der Debatte auf Video)
Mit großer Mehrheit hat der Bundestag gestern für den von Lauterbach als schlecht bezeichneten Gesetzentwurf gestimmt. Befürworter kamen vor allem aus der Unionsfraktion, aber auch aus allen anderen Fraktionen gab es Zustimmung (Quelle mit Abstimmungsergebnis inkl. Namen der Abgeordneten).
Der Bevölkerung, die lt. in der Debatte von Künast genannten Umfragen zu mehr als 3/4 der Auffassung sein soll, der Staat solle sich (zumindest strafrechtlich) heraushalten, wird dieser Tatbestand wohl nicht gefallen.
Ebenso wenig den 141 Strafrechtslehrern, die im Frühjahr eine Resolution unterzeichnet haben (Hierzu schon mein früherer Beck-Blog Beitrag). Die Resolution endet mit diesem Appell:
„Menschen mit einem Sterbewunsch benötigen in besonderer Weise Fürsorge und Begleitung. Die Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid würde dagegen dazu führen, dass professionelle Hilfe, die gerade Ärzte und Ärztinnen leisten könnten, erschwert oder unmöglich wird, weil sich Beistehende aus Furcht vor einer Strafbarkeit von den Sterbewilligen abwenden. Diese werden in den Brutal‐Suizid gedrängt. Ziel muss es dagegen sein, möglichst viele Menschen mit Sterbewunsch zu erreichen, um so die Zahl der Suizide in Deutschland zu senken. Das Strafrecht ist dafür ein gänzlich ungeeignetes Mittel.“
Dass so viele Bundestagsabgeordnete diese Bedenken nicht teilten und doch auf das Strafrecht setzten zur Regulierung eines vermeintlichen „Problems“, macht mich nachdenklich. Zu leugnen es handele sich dabei nicht um einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht, bedeutet die Augen zu verschließen vor der Realität.
Das Problem der neuen Norm wird in der Praxis sein, den Begriff „geschäftsmäßig“ auszulegen und zwar auf eine Art und Weise, dass, wie die meisten Abgeordneten betont haben, das individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis nicht belastet wird. Aber bis dahin werden Ärzte das Strafbarkeitsrisiko scheuen. Und die Betroffenen werden ausweichen - ins Ausland oder in eine unsichere Suizid-Variante.
Ich persönlich hätte mich dem Antrag von Katja Keul angeschlossen: Alles soll so belassen bleiben wie es ist.