Sittenwidrige Vergütung angestellter Rechtsanwälte
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Dass der Arbeitsmarkt für (junge) Rechtsanwälte abhängig von ihren Examensergebnissen zweigeteilt ist, ist kein Geheimnis. Auf der einen Seite bieten internationale Großkanzleien Spitzenkräften Einstiegsgehälter von 100.000 Euro und mehr pro Jahr, auf der anderen Seite werden mit schwachen Examina Bezüge teilweise kaum über Hartz IV-Niveau erreicht. Bereits vor einiger Zeit hatte ich hier im BeckBlog auf einen Beschluss des BGH aufmerksam gemacht, der die Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) deutlich betont hat.
Nunmehr hatte auch das BAG die Gelegenheit, sich zur Lohnuntergrenze für angestellte Rechtsanwälte zu äußern: Der Kläger, 1973 geboren, hat ein "befriedigendes" und ein "ausreichendes" Staatsexamen abgelegt. Er verfügt über beachtliche Fremdsprachenkenntnisse. Als Angestellter einer Münsteraner Rechtsanwaltskanzlei erhielt er für eine Teilzeitbeschäftigung (20 Stunden wöchentlich) 1.200 Euro brutto im Monat. Er ist der Auffassung, diese Vergütung liege um mehr als 20% unter dem Üblichen und sei daher sittenwidrig. Seine Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos:
Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Vergütungshöhe liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel der üblicherweise gezahlten Vergütung erreicht. Ein Anlass, von dieser Richtgröße im Sinne einer Heraufsetzung der Zwei-Drittel-Grenze abzuweichen, besteht weder wegen der Besonderheiten in der Beschäftigung angestellter Rechtsanwälte noch der in § 26 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) enthaltenen Vorgabe, Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen.
(BAG, Urt. vom 17.12.2014 - 5 AZR 663/13, NZA 2015, 608)