Zum Verzwifeln: Schönheitsreparaturen
Gespeichert von Dr. Klaus Lützenkirchen am
Der Rechtsberater ist vor einem Regress gefeit, wenn er sich bei der Rechtsverfolgung sicher sein kann, dass ein Gericht nicht anders entscheidet. Das ist der Fall, wenn der BGH die maßgebliche Rechtsfrage entschieden hat (BGH v. 8.3.2006 – VIII ZR 78/05, NZM 2006, 340).
Und dann ändert der BGH seine Rechtsprechung und alle Welt fragt sich, konnte das nicht vorhergesehen werden?
So geschehen bei Schönheitsreparaturen (vgl. BGH v. 18.03.2015 - VIII ZR 242/13).
Seit Jahren fährt der BGH mit dem Mähdrescher über das Feld der Schönheitsreparaturen, so dass kaum noch ein Halm stehen geblieben war. Viele Klauselverwender verzweifelten an dem Versuch, eine wirksame Renovierungsklausel herzustellen. Anleitungsbücher konnten nicht so schnell neu aufgelegt werden, wie sich neue Grundsätze ergaben. Nun muss wieder die überwiegende Anzahl neu geschrieben werden.
Nachdem im letzten Jahr der Abgeltungsanspruch (Quotenklausel) der Garaus gemacht worden war (BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135), war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Konstellation der wirksamen Schönheitsreparaturklausel bei unrenovierter Wohnung auf den Prüfstand kommen würde (vgl. Lehmann-Richter, NZM 2014, 818).
Nun wissen wir: was der BGH am 1.7.1987 - VIII ARZ 9/86 (NJW 1987, 2575) entschieden hat, ist Makulatur. Die unrenovierte Wohnung führt zur Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel. Dabei ist die Wohnung offensichtlich schon unrenoviert, wenn sie nicht frisch renoviert ist oder auch nur Teile der Mietsache unrenoviert sind.
Wesentlicher Grund: mittlerweile gilt die kundenfeindlichste Auslegung auch im Individualprozess (BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 285/12, NZM 2013, 573).
Wer sich auf die Rechtsprechung verlassen hat, ist nun verlassen, oder: wer als Vermieter ein volles Glas Wasser vom Mieter während der Mietzeit erhalten will, muss ihm bei Abschluss des Mietvertrages ein gleich gefülltes Glas überlassen haben.
Konsequenz: der Vermieter muss den Mieter, wenn er nicht gerade frisch renoviert hat, so stellen, als hätte er eine frisch renovierte Wohnung bekommen. Einfach eine mietfreie Zeit zu gewähren, ist dafür nicht ausreichend. Der Ausgleich für ein Defizit muss angemessen sein. Zur Orientierung kann ein Kostenvoranschlag für die vollständige Renovierung der Wohnung herangezogen werden. Anhand dieser Unterlage kann bewertet werden, ob dem Mieter ein angemessener Ausgleich verschafft wurde. Die mietfreie Zeit kann dazu nur als Äquivalent dienen, wenn der Mieter diese Zeit nicht (teilweise) für die Renovierung nutzen musste.
Also: in diesem Fall muss deutlich werden, dass die Zeit, die für die Renovierung gebraucht wird, nicht in die mietfreie Zeit fällt. Denn nur die vertragsgemäße Nutzung ohne Entgelt stellt für den Mieter einen wirtschaftlichen Vorteil dar.
Fazit: der Rechtsberater, der bis zum 18.3.2015 in der Konstellation unrenovierte Wohnung und Renovierungsklausel die Entwicklung verschlafen hatte, kann zwar kaum in Regress genommen werden. Erklärungsbedarf gegenüber dem Vermieter besteht aber allemal.
Den Ärger gibt es dann kostenlos.
Wer glaubt, dass das für die Gewerberaummiete nicht gilt, will überrascht werden.