Generalstaatsanwalt unter Verdacht des Geheimnisverrats in den Verfahren gegen Wulff und Edathy
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Es ist ein das bereits angegriffene Vertrauen in die Justiz weiterhin beschädigendes Novum, dass die Staatsanwaltschaft aus einem anderen OLG-Bezirk des Landes gegen einen amtierenden Generalstaatsanwalt Ermittlungen einleitet: Die Staatsanwaltschaft Göttingen, die zum Bezirk des Braunschweiger Generalstaatsanwalts gehört, hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen den Celler Generalstaatsanwalt eingeleitet. Dieser soll als ehemaliger Leiter der Strafrechtsabteilung im niedersächsischen Justizministerium aber auch noch als Generalstaatsanwalt „in acht Fällen in strafbarer Weise Geheiminformationen an Dritte weitergegeben“ haben. Sieben Fälle beträfen Informationen aus dem Verfahren gegen den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, ein weiterer Fall das laufende Verfahren gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy.
Die eingeleiteten Ermittlungen bestätigen, die Justiz funktioniert, sie belegen aber auch, dass eine funktionierende Justiz von der Politik unabhängig sein muss sowie weiterhin, dass jeder Staatsanwalt und Richter sehr verantwortungsvoll mit seiner Unabhängigkeit umzugehen hat. Rechtlich sind Staatsanwälte zwar nicht unabhängig sondern weisungsgebunden, de facto besteht aber doch eine weitgehende Entscheidungsfreiheit. Welche Justizministerin/welche Justizminister und welcher Generalstaatsanwalt erteilt in einem brisanten Fall schon einmal ausdrücklich eine Weisung, die gerade denjenigen wiederum in die Verantwortung nimmt, der sie erteilt. Viel gefährlicher für die Arbeit der Justiz ist vielmehr der vorauseilende Gehorsam solcher Strafverfolger, die auf diese Weise sich für Beförderungen empfehlen wollen, oder vielleicht sogar ihr Amt dazu missbrauchen, selbst „Politik“ zu machen.
Die Staatsanwaltschaft ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, mit den Worten des § 152 Abs. 2 StPO: die Staatsanwaltschaft ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, also förmlich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Aber schon beim Einleiten wie auch im Fortgang eines Ermittlungsverfahrens darf nicht Übereifer die Ermittlungsmaßnahmen bestimmen, wofür gerade der Fall Wulff Anschauungsmaterial liefert.
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Generalstaatsanwalt in Celle im Zuge der Ermittlungen bestätigen, dann würden diese schwerwiegenden Tatvorwürfe es der Justiz noch schwerer machen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen; verspielt ist es schnell, es wieder zurückzugewinnen wird lange dauern.