Unterschriftenaktion im Betrieb - Kündigung
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Ein Arbeitnehmer begeht keine kündigungsrelevante Vertragspflichtverletzung, wenn er im Betrieb von seinen Kollegen Unterschriften sammelt, um den Arbeitgeber zu einer Rückkehr zur 35-Stunden-Woche zu bewegen. Dies gilt zur Überzeugung des LAG Hamm jedenfalls solange, wie die Unterschriftensammlung "einen gewissen zeitlichen Rahmen" nicht überschreitet, die Arbeitsleistung unter ihr nicht leidet und der Arbeitsablauf nicht ins Stocken gerät.
Der Kläger ist in einem holzverarbeitenden Betrieb mit insgesamt etwa 55 Arbeitnehmern beschäftigt. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Im Herbst 2013 initiierte der Kläger im Betrieb der Beklagten eine Unterschriftenaktion zur Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche. Zu diesem Zweck erstellte er eine Liste, der folgender Satz vorangestellt ist: „Die Produktionsmitarbeiter der Firma F wünschen sich aus alters- und gesundheitlichen Gründen die Umstellung von der 38 Stunden Woche auf die 35 Stunden Woche mit vollem Lohnausgleich.“ Daran schließt sich eine vierspaltige Tabelle an, in der links die Namen von 31 Mitarbeitern der Beklagten eingetragen sind. In den nächsten beiden Spalten unter der Überschrift „38 Std. dafür“ bzw. „35 Std. dafür“ konnten die namentlich aufgeführten Mitarbeiter durch Ankreuzen sich für eine der beiden Alternativen entscheiden. Die Spalte ganz rechts ist für die Unterschrift vorgesehen. Die Liste wurde von den Mitarbeitern der vom Kläger geführten Schicht sowie von einer weiteren Schicht unterzeichnet. Insgesamt sprachen sich 10 teilnehmende Mitarbeiter für die Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche aus.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
Das LAG Hamm hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag der Arbeitgeberin gegen eine Abfindung von 35.000 Euro aufgelöst (§§ 9, 10 KSchG):
1. Eine Unterschriftenaktion, mit der der Wunsch auf Wiedereinführung einer 35-Stunden-Woche zum Ausdruck gebracht wird, ist auch in Betrieben mit Betriebsrat vom Erörterungs- und Beschwerderecht des Arbeitnehmers nach § 82 Abs. 1, § 84 Abs. 1 BetrVG gedeckt. Ein Arbeitnehmer, der eine solche Unterschriftenaktion initiiert, begeht auch dann keine Vertragspflichtverletzung, wenn er während der Arbeitszeit Arbeitskollegen zum Zweck der Unterschriftsleistung anspricht, solange dies einen gewissen zeitlichen Rahmen nicht überschreitet, die Arbeitsleistung nicht darunter leidet und der Arbeitsablauf nichts ins Stocken gerät.
2. ...
3. Der Arbeitgeber kann einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG darauf stützen, dass der Arbeitnehmer im Prozess vorsätzlich falsch vorgetragen hat. Für den Erfolg des Auflösungsantrags kommt es allein darauf an, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. Ob der falsche Sachvortrag entscheidungserheblich war, ist demgegenüber unerheblich.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
(LAG Hamm, Urt. vom 2.7.2014 - 4 Sa 235/14, bei nrwe.de verfügbar).