Verfügung des BGH-Vorsitzenden Prof. Dr. Thomas Fischer: Keine Revisionshauptverhandlung ohne Verteidiger
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
In Revisionshauptverhandlungen vor den Strafsenaten des BGH kommt es vor, dass der Angeklagte – der persönlich nicht stets an der Verhandlung teilnimmt – nicht durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten ist. Die Anwesenheit des gewählten Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung ist nach § 350 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO grundsätzlich auch nicht erforderlich. Ein Pflichtverteidiger ist lediglich bei Vorliegen eines „schwerwiegenden Falls“ (BVerfGE 46, 202) oder bei besonders schwieriger Rechtslage (vgl. BGHSt 19, 258) zu bestellen.
Nach Auffassung des als konfliktfreudig geltenden Vorsitzenden des 2. Senats Fischer genügt die Praxis, Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit des vom Angeklagten gewählten Verteidigers durchzuführen, nicht Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK. Diese Bestimmung garantiert u.a. jedem Angeklagten das Recht, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihm die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Er hat deshalb mit Vorsitzendenverfügung vom 25. September 2014 (die Verfügung in die amtliche Sammlung BGHSt vorgesehen) in einem Fall angeordnet, in denen der Wahlverteidiger mitteilte, dass er zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, dass dieser zum Pflichtverteidiger zu bestellen ist, um den Angeklagten nicht ohne jegliche Vertretung und faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen.
Auch wenn eine solche Bestellung des Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger im Einzelfall den Nachteil haben mag, gegebenenfalls als Pflichtverteidiger weniger zu verdienen, wird mit negativen Reaktionen aus der Strafverteidigerpraxis wohl nicht zu rechnen sein.
Für die anderen Senatsvorsitzenden sind Verfügungen eines Vorsitzenden rechtlich nicht bindend. Auch eine Entscheidung des Großen Senats kann die von Fischer getroffene prozessleitende Maßnahme nicht auslösen.