Große Verunsicherung unter Syndikusanwälten
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Das BSG hat mit drei Urteilen vom 3.4.2014 (B 5 RE 3/14 R u.a.) für eine große Verunsicherung unter den rund 40.000 Syndikusanwälten in Deutschland gesorgt. Bislang waren diese Unternehmensjuristen in der Regel nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sondern im Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Das erleichterte den Wechsel z.B. von einer Anwaltskanzlei in ein Unternehmen und sorgte für eine geschlossene Rentenbiographie im Anwaltsversorgungswerk. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund) befreite die Betroffenen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von ihrer Versicherungspflicht, wenn sie im Unternehmen rechtsberatend, -entscheidend, -gestaltend und -vermittelnd tätig waren.
Neufassung des Befreiungstatbestandes 1995
Zur Überzeugung des BSG war diese Praxis zu großzügig. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1995 durften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur befreit werden
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind
und wenn weitere (hier unproblematische) Voraussetzungen erfüllt sind.
Zwei-Berufe-Theorie
Zur Überzeugung des BSG seien Syndikusanwälte jedoch nicht "wegen" ihrer Tätigkeit für das Unternehmen im Anwaltsversorgungswerk versichert. Vielmehr übten sie zwei Berufe aus: die abhängige Beschäftigung im Unternehmen und als Nebentätigkeit den Beruf als Rechtsanwalt (sog. Zwei-Berufe-Theorie). Damit könnten Sie nur wegen ihrer Nebentätigkeit (die sich typischerweise auf Rechtsberatung und -vertretung im Familien- und Freundeskreis beschränkt) Mitglied im Rechtsanwaltsversorgungswerk sein, in ihrem Hauptberuf gehörten sie in die gesetzliche Rentenversicherung.
Finanzielles Risiko von über 50.000 Euro pro Syndikusanwalt
Die Entscheidung führt nicht nur für die betroffenen Syndikusanwälte, sondern auch für deren Arbeitgeber zu großer Rechtsunsicherheit. Sie fragen sich, ob sie künftig Rentenversicherungsbeiträge für ihre Beschäftigten entrichten und im Gegenzug die Beitragszahlung an das Anwaltsversorgungswerk einstellen müssen. Da die meisten Betroffenen über der Beitragsbemessungsgrenze verdienen, beläuft sich das finanzielle Risiko für jeden Mitarbeiter monatlich auf (5.950 Euro x 18,9% Beitrag =) 1.124,55 Euro. Die Beitragsansprüche der Rentenversicherungsträger verjähren erst in vier Jahren, sodass das Gesamtrisiko pro Mitarbeiter bei fast 54.000 Euro liegt.