Zu klein für Pilotenausbildung – Entschädigung wegen Diskriminierung?
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Luftfahrtbranche liefert mal wieder ein interessantes Lehrstück zum Thema Diskriminierung im Arbeitsleben. Diesmal ging es beim Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 28.11.2013, 15 Ca 3879/13) um die Klage einer Bewerberin, die sich erfolglos um eine Ausbildung als Pilotin bei der Lufthansa beworben hatte. Das beklagte Luftfahrtunternehmen hatte den Abschluss des Ausbildungsvertrages abgelehnt, weil die 161,5 cm große Klägerin die in den tarifvertraglich geregelten Auswahlrichtlinien vorgesehene Mindestgröße von 165 cm nicht erreichte. Damit fehlten der jungen Frau ganze 3,5 Zentimeter für ihren Traumjob. Sie machte geltend, dass die Regelung der Mindestgröße von 165 cm sie als Frau mittelbar diskriminiere. Frauen seien durchschnittlich kleiner als Männer, mehr als 40% der Frauen seien kleiner als 165 cm. Demgegenüber seien lediglich 2,8% der Männer kleiner als 165 cm. Sie erhob Klage gegen die Lufthansa und forderte eine Entschädigung in Höhe von 135.000 Euro nach dem AGG. Der Anwalt der Gegenseite behauptete dagegen, ein Pilot müsse auch große Passagiermaschinen fliegen können, und berief sich auf die Anforderungen der Luftverkehrssicherheit. Die ArbG Köln gab der Klägerin insoweit recht, als es ebenfalls von einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts ausging. Der Vorsitzende Richter Nicolai Fabricius äußerte sich in der Verhandlung dahingehend, dass der festgelegte „Korridor“ von 1,65 bis 1,98 Meter weitaus mehr Frauen als Männer von der Ausbildung ausschließe: mehr als 40 Prozent der Frauen über 20 Jahre, aber nur vier Prozent der Männer über 20 Jahre. „Wir müssen davon ausgehen, dass über die Größenregelung deutlich weniger Frauen zum Zug kommen, als Männer“, sagte Fabricius. Gleichwohl wies das Gericht die Klage ab, da sich die Lufthansa an ihren Tarifvertrag gehalten habe. Somit habe das Unternehmen „nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig“ gehandelt. Damit wendet das ArbG Köln offenbar § 15 Abs. 3 AGG an, wonach der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zu Entschädigung verpflichtet ist, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Allerdings ist die Richtlinienkonformität dieser Ausnahme fraglich. Das ArbG Köln hätte daher die Frage auch dem EuGH vorlegen können. Verpflichtet war es dazu nicht. Eine eventuelle Richtlinienwidrigkeit der Bestimmung dürfte wohl nicht die Unanwendbarkeit zur Folge haben, so dass sie ArbG Köln in der Tat heranziehen durfte.