LG Berlin verhängt Bewährungsstrafe für die Einfuhr von 22 kg Marihuana –Staatsanwaltschaft ist unzufrieden, BGH nicht!
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Das Landgericht Berlin verurteilte einen angeklagten ausländischen Drogenkurier (hier: Niederländer), der im Auftrag eines deutschen Hintermannes Marihuana nach Deutschland einführte, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Das Besondere an diesem Fall ist jedoch die vom Angeklagten eingeschmuggelte Menge, nämlich 22 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10%. Bei derzeitigen Verkaufspreisen von mindestens 10 Euro pro Gramm für hochwertiges Marihuana auf der unteren Handelsebene liegt der Marktwert des Rauschgifts immerhin bei mindestens 220.000 Euro.
Der Normalstrafrahmen für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG liegt bei Freiheitsstrafe zwischen 2 und 15 Jahren, so dass das Landgericht bei Anwendung dieses Strafrahmens wegen der großen Betäubungsmittelmenge als sehr gewichtigen Strafschärfungsgesichtspunkt kaum auf die Mindeststrafe hätte erkennen können. Das Landgericht Berlin nahm aber einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG an, womit sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe zwischen 3 Monaten und 5 Jahren reduzierte. Als Strafmilderungsgesichtspunkte führte die Strafkammer dabei die fehlenden Vorstrafen des Angeklagten, sein Geständnis, die Sicherstellung der Drogen und die Tatsache, dass die Kurierfahrt polizeilich überwacht wurde, an. Dies wollte die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen, sondern legte gegen das Urteil Revision ein, die vom Generalbundesanwalt auch vertreten wurde. Ohne Erfolg, wie der BGH durch Urteil vom 11.06.2013, 5 StR 184/13 (BeckRS 2013, 10756) entschied, denn er verwarf das Rechtsmittel u.a. mit folgender Begründung:
„Mit Strafrahmenwahl (§ 30 Abs. 2 BtMG bei gleichzeitiger Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG ohne Verbrauch der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB), Strafbemessung und Strafaussetzung § 56 Abs. 2 StGB) hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht überschritten. Die ausschlaggebende Berücksichtigung der Unbestraftheit des Angeklagten, seiner Geständigkeit von Beginn an, der Sicherstellung des Rauschgifts und der konkreten Ungefährlichkeit der von Anfang an polizeilich überwachten Tat im Rahmen der zutreffend vorgenommenen Gesamtbetrachtung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Deren Ergebnis ist auch angesichts der insgesamt sehr hohen Wirkstoffmenge der eingeführten Betäubungsmittel nicht unvertretbar. Dass das Landgericht diesen - selbst festgestellten - Umstand bei seiner Rechtsfolgenentscheidung in der Gesamtwürdigung nicht ausreichend berücksichtigt hätte, lässt sich der mangelnden Hervorhebung im Rahmen des strafschärfend gewerteten Umstands der Einfuhr einer „erheblichen Menge an Marihuana" in diesem Zusammenhang ebenso wenig entnehmen, wie dies in umgekehrter Weise für den Umstand der vergleichsweise geringeren Gefährlichkeit der Art des gehandelten Rauschgifts gilt. Eine beanstandungswürdige Berücksichtigung sonstiger Strafmilderungsgründe liegt nicht vor. Die von der Generalstaatsanwaltschaft aufgestellte Behauptung, die dem Angeklagten zugutegehaltenen Milderungsgründe träfen ,so oder so ähnlich auf nahezu alle Rauschgiftkuriere zu‘, ist offensichtlich unzutreffend.“
Die Entscheidung zeigt erneut, wie unterschiedlich die Gerichte in den einzelnen Bundesländern und die jeweiligen Strafsenate des BGH Betäubungsmittelstraftaten in der Strafhöhe beurteilen. Ein Beispiel hierfür mit einem Beschluss des 1. Strafsenats, der eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren wegen Handeltreibens mit 150 bis 350 Gramm Heroin und 200 bis 250 Gramm Amphetamin in 4 Fällen als „milde“ bezeichnet hat, werde ich in einem der nächsten Blog-Beiträge vorstellen.