LAG Hessen: Mitleid rechtfertigt Befristung des Arbeitsverhältnisses
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Klägerin war bei der Beklagten als Bankangestellte gegen eine Vergütung von rund 3.800 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst auf sechs Monate befristet. Während dieser Zeit hatte die Klägerin erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verzeichnen. Kurz nach Ablauf der sechs Monate (31.08.2011) vereinbarten die Parteien am 05.09.2011 eine "Verlängerung" der Befristung um weitere drei Monate. Diese "Verlängerung" konnte nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG wirksam sein, da sie hierfür zu spät (nämlich erst nach Ablauf der ursprünglichen Befristungsdauer) vereinbart worden war.
Das LAG Hessen (Urt. vom 04.02.2013 - 16 Sa 709/12, BeckRS 2013, 68872) hat jedoch geprüft, ob der erneute befristete Vertrag aus in der Person der Arbeitnehmerin liegenden Gründen (§ 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG) berechtigterweise befristet war und dies bejaht:
"Die am 18. August/5. September 2011 vereinbarte Befristung ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG aus in der Person der Arbeitnehmerin liegenden Gründen gerechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. In diesem Fall liegt es auch im objektiven Interesse des Arbeitnehmers, wenigstens für eine begrenzte Zeit bei diesem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die sozialen Erwägungen müssen das überwiegende Motiv des Arbeitgebers sein. An einem sozialen Beweggrund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages fehlt es, wenn die Interessen des Betriebs oder der Dienststelle und nicht die Berücksichtigung der sozialen Belange des Arbeitnehmers für den Abschluss des Arbeitsvertrages ausschlaggebend waren (Bundesarbeitsgericht 21. Januar 2009 - 7 AZR 630/07 - NZA 2009, 727, Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zum Zeitpunkt des Gesprächs über die Vereinbarung einer Verlängerung der Befristung am 18. August 2011 war die Klägerin bereits seit 26. Mai 2011 durchgehend arbeitsunfähig krank und hatte überhaupt nur zu Beginn ihrer Beschäftigung für wenige Wochen eine Arbeitsleistung erbracht. Zu diesem Zeitpunkt war nicht absehbar, ob die Klägerin bis zum Ende der ins Auge gefassten Laufzeit des Vertrags (30. November 2011) überhaupt noch einmal eine Arbeitsleistung werde erbringen können oder ob sie bis dahin weiterhin arbeitsunfähig krank sein würde. Bei rationaler Betrachtung konnte die Beklagte daher weder mit einer künftigen Arbeitsleistung der Klägerin rechnen noch diese in ihre Arbeitsabläufe einplanen. Die Verlängerung der Befristung erfolgte ausschließlich aus Mitleid mit der persönlichen Situation der Klägerin (Krankheit, Trauerfall). Ohne diese in der Person der Klägerin liegenden sozialen Gründe wäre es keinesfalls zu einer Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags der Klägerin gekommen, da ein betriebliches Interesse an der Arbeitsleistung der dauerhaft erkrankten Klägerin nicht bestehen konnte."